Das John Joseph Moakley United States Courthouse in Boston (US-Bundesstaat Massachusetts)
APA/AFP/Joseph Prezioso
US-Leaks

21-jähriger Soldat vorgeführt

Nach der Festnahme eines US-Nationalgardisten in Zusammenhang mit der Weitergabe streng geheimer Militärdokumente und der damit in Gang gebrachten Verbreitung des Materials via Internet ist der verdächtige 21-jährige Jack Teixeira am Freitag vor einem Bundesgericht erschienen. In dem brisanten Fall geht es jedenfalls Schlag auf Schlag: Erst am Vortag wurde der junge Mann vom FBI im Bundesstaat Massachusetts festgenommen – er soll die gesuchte „undichte“ Stelle sein.

Der Mann sei in Verbindung mit der „unbefugten Entfernung, Aufbewahrung und Übermittlung von Verschlusssachen“ in Gewahrsam genommen worden, sagte US-Justizminister Merrick Garland. Bei einer Anklage nach dem Spionagegesetz und einer späteren Verurteilung droht ihm eine lange Haftstrafe. Laut „New York Times“ („NYT“) könnte jedes einzelne Dokument eine eigene Anklage darstellen – pro Anklagepunkt stehe eine Strafe von bis zu zehn Jahren Gefängnis im Raum.

Die Festnahme erfolgte am Donnerstag gegen 14.30 Uhr (Ortszeit, 20.30 Uhr MESZ) vor dem Wohnhaus seiner Mutter in North Dighton, einem Ort in Massachusetts südlich von Boston. Der Sender CNN zeigte Videoaufnahmen von der Festnahme. Darauf war zu sehen, wie schwer bewaffnete Einsatzkräfte einen jungen, schlanken Mann in T-Shirt und kurzer Hose abführen. Die Festnahme sei ohne Zwischenfälle erfolgt, und die Polizei führe weiter Ermittlungen in dem Haus durch, teilte das FBI mit.

FBI-Agenten verhaften Jack Teixeira
Reuters/Wcvb-Tv
Der Verdächtige bei seiner Festnahme durch Kräfte des FBI

„NYT“ brachte Identität des Mannes auf

Die „NYT“ hatte über die Identität des Mannes als erstes Medium berichtet. Mittlerweile ist bestätigt, dass Teixeira Mitglied der Geheimdienstabteilung der Air National Guard in Massachusetts ist. Im September 2019 trat er dort den Job an; er arbeitete als IT- und Kommunikationsspezialist und hatte den Rang eines „Airman First Class“ inne – der drittniedrigste Dienstgrad. Als solcher hatte der 21-Jährige aber offenbar auch Zugang zu vielen Geheimdokumenten.

Die „Washington Post“ hatte am Mittwoch berichtet, der Mann sei in Waffen vernarrt und habe die US-Regierung unter anderem als „dunkle Macht“ bezeichnet.

Zudem soll er „Anführer“ einer privaten Onlinegruppe namens „Thug Shaker Central“ gewesen sein, in der sich laut „Washington Post“ 24 Mitglieder – darunter auch Personen aus Russland und der Ukraine und in den meisten Fällen junge Männer und Teenager – wegen ihrer gemeinsamen Vorliebe für Waffen und Videospiele auf der Plattform Discord trafen. Was sie vereine, sei ihre „Liebe zu Waffen, militärischer Ausrüstung und Gott“, schrieb die Zeitung.

US-Datenleak: 21-Jähriger muss vor Richter

Nach der Festnahme des mutmaßlich Verantwortlichen für das Durchsickern geheimer Regierungsdokumente soll der junge Soldat am Freitag vor dem Richter erscheinen müssen – ihm droht eine Anklage nach dem Spionagegesetz.

In der Onlinegruppe soll der brisante Fall seinen Lauf genommen haben: in der Gruppe teilte Teixeira die Dokumente, ehe sie später über ein anderes Gruppenmitglied an die Öffentlichkeit kamen. Die Zeitung identifizierte den Mann über digitale Hinweise wie sein Online-Gaming-Profil. Zudem seien am Rand einiger Fotos der durchgesickerten Geheimdokumente Möbel zu sehen, die auch auf privaten Postings aus dem Elternhaus des Mannes zu erkennen seien.

Unklarer Zugang zu Dokumenten

Unklar ist laut „NYT“ noch, wie er in seiner Position Zugang zu solch hochsensiblen Informationen gehabt haben konnte. Die „Washington Post“ hatte zuvor berichtet, die Person habe sich in den Chats „OG“ genannt und behauptet, die Dokumente von einer Militärbasis nach Hause gebracht zu haben. Mitte März habe „OG“ aufgehört, Dokumente mit der Gruppe, die sich 2020 während der Pandemie gegründet habe, zu teilen. Laut „NYT“ soll es sich bei „OG“ eben um Jack Teixeira handeln.

Von anderem Gruppenmitglied veröffentlicht

Allerdings war es ein anderes Gruppenmitglied, das die Dokumente dann in ein öffentliches Onlineforum stellte: „Dieser Typ war Christ, Kriegsgegner und wollte nur einige seiner Freunde darüber informieren, was vor sich geht“, sagte ein 17-jähriges Mitglied der Gruppe der „NYT“. Als Whistleblower habe er aber nicht agieren wollen.

Von dem Onlineforum aus wurden sie von russischsprachigen Telegram-Kanälen aufgegriffen. Im Zuge dieses Prozesses dürften auch einige Dokumente manipuliert worden sein, möglicherweise wurden weitere, nicht authentische hinzugefügt.

Brisante Enthüllungen

Ein Großteil der Dokumente bezieht sich auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums hatte das Durchsickern der Dokumente als „sehr große Bedrohung“ für die nationale Sicherheit eingestuft.

Die Veröffentlichung der Dokumente hat erhebliche Sorgen in den westlichen Staaten ausgelöst. Die inzwischen zum großen Teil nicht mehr im Internet verfügbaren Dokumente sollen unter anderem brisante Informationen über den Kampf der Ukraine gegen die russischen Invasionstruppen enthalten.

Oberst Reisner zu US-Datenleak

Oberst Markus Reisner spricht im Interview unter anderem über die an die Öffentlichkeit gelangten Daten über den Ukraine-Krieg sowie über neue Waffenlieferungen.

So sollen einem der Dokumente zufolge die US-Geheimdienste Zweifel am Erfolg einer möglichen Gegenoffensive der ukrainischen Armee hegen, berichtete die „Washington Post“. Es gebe „fortdauernde ukrainische Rückstände“ bei der Ausbildung der Soldaten und bei der Munitionsversorgung. Die Veröffentlichungen haben laut Kiew keinen Einfluss auf die geplante Offensive.

Weißes Haus appelliert an Onlinenetzwerke

Die Schriftstücke sollen auch Informationen darüber enthalten, dass die US-Geheimdienste verbündete Regierungen ausgespäht haben. Die US-Regierung hat die Echtheit der veröffentlichten Dokumente bisher nicht bestätigt.

Die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, rief die Betreiber von Onlinenetzwerken wie Discord dazu auf, nicht zur Verbreitung derartiger Informationen beizutragen. Die Unternehmen stünden aus Sicht der US-Regierung „in der Verantwortung gegenüber ihren Nutzern und dem Land“. Discord erklärte, das Unternehmen arbeite in der Angelegenheit mit den Strafverfolgungsbehörden zusammen.

Umgang mit Geheimdienstinformationen wird untersucht

Das US-Verteidigungsministerium will den Zugang zu Geheimdienstinformationen überprüfen. „Ich als Verteidigungsminister werde nicht zögern, weitere Maßnahmen zu ergreifen, die zum Schutz der Geheimnisse unseres Landes notwendig sind“, teilte Pentagon-Chef Lloyd Austin am Donnerstagabend (Ortszeit) mit.

Er habe eine Untersuchung über den Zugang zu Geheimdienstinformationen innerhalb seines Ministeriums in Auftrag gegeben, sagte Austin. Auch Kontrollverfahren würden überprüft, um zu verhindern, „dass sich ein derartiger Vorfall wiederholt“. Jeder Angehörige des US-Militärs und Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums mit Zugang zu Geheimdokumenten unterliege einer rechtlichen und moralischen Pflicht, diese zu schützen und verdächtige Aktivitäten zu melden, so Austin.