Luftbild zeigt Rauch über Karthoum
AP/Planet Labs PBC
Kämpfe im Sudan

Angst vor Ausbreitung in der Region

Im Sudan ist ein Ende der Gewalt nach wie vor nicht in Sicht. Nachdem ein weiterer Versuch einer Waffenruhe am Dienstag gescheitert sind und sich die Angriffe auf Stellungen in der Hauptstadt Khartum in der Nacht auf Mittwoch verschärft haben, steigt die Angst, dass die Kämpfe auf den Tschad, die Zentralafrikanische Republik und andere Länder der Region übergreifen könnten.

Trotz einer laut Vertretern beider Seiten für den Abend angesetzten Waffenruhe seien die Kämpfe in Khartum am Dienstagabend ohne Unterbrechung weitergegangen, hieß es von Reporterinnen und Reportern aus der Stadt. Auch Medienberichten und Augenzeugen auf Twitter zufolge waren Explosionen und Schüsse zu hören. Es war die dritte gescheiterte Feuerpause seit Beginn der Gefechte am Samstag. Seitdem kamen laut Vereinten Nationen mindestens 270 Menschen ums Leben, rund 2.600 wurden verletzt.

In dem seit Jahren politisch instabilen Sudan kämpfen seit Samstag die zwei mächtigsten Generäle und ihre Einheiten um die Vorherrschaft. Die zwei Männer führten das Land mit rund 46 Millionen Einwohnern seit einem gemeinsamen Militärcoup im Jahr 2021. General Abdel Fattah al-Burhan, der Oberbefehlshaber der Armee und De-facto-Präsident, genießt seit Langem den Rückhalt Ägyptens. Mohammed Hamdan Daglo, der Anführer der mächtigen Miliz Rapid Support Forces (RSF), wird von den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt und hat Verbindungen zur russischen Wagner-Gruppe. Auch Saudi-Arabien hat starke Interessen in dem Land.

Grafik zu Machtkämpfen im Sudan
Grafik: APA/ORF; Quelle: WarMapper

Regionale Verbündete auf beiden Seiten

Hintergrund ist ein Streit um ein Staudammprojekt am Nil in Äthiopien. Ägypten versucht dieses gemeinsam mit dem Sudan zu verhindern. Das wohlhabende Saudi-Arabien wiederum sieht sich als Vermittler. Soldaten und Kämpfer der RSF unterstützen zudem das von Saudi-Arabien geführte Militärbündnis im Krieg gegen die Huthi-Rebellen im Jemen.

International rückte der Sudan zuletzt nach einem Besuch des russischen Außenministers Sergej Lawrow in den Fokus. Die Russen planen einen Marinestützpunkt an der sudanesischen Küste am Roten Meer. Das führte zuletzt zu Spannungen mit den USA, die Sorge um ihren Einfluss in der Region haben.

Angst vor Intervention anderer Staaten

Wie die „Financial Times“ unter Berufung auf Diplomaten berichtete, wächst die Gefahr, dass zunehmend ausländische Akteure in den Konflikt gezogen werden und sich die Kämpfe auf angrenzende Regionen ausbreiten könnten. „Eines der schlimmsten Dinge, die passieren können, ist, dass sich Nachbarländer aktiv beteiligen“, zitierte die Zeitung Endre Stiansen, den norwegischen Botschafter im Sudan, dessen Residenz in Khartum am Sonntag von einer Rakete getroffen wurde.

Humanitäre Lage spitzt sich zu

Bereits am Sonntag und Montag waren vereinbarte dreistündige Waffenruhen gescheitert. Tausende Zivilisten seien deshalb in ihren Wohnungen und Häusern gefangen, oft ohne Strom und ohne Möglichkeit, Essen, Wasser oder Medikamente zu besorgen, teilte der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, in Genf mit.

39 der insgesamt 59 Krankenhäuser und Kliniken der Hauptstadt waren wegen der anhaltenden Kämpfe außer Betrieb, wie das sudanesische Ärztekomitee am Mittwoch mitteilte. Einige Krankenhäuser seien bombardiert, andere angegriffen und geplündert worden, hieß es. Das Komitee forderte eine „dringende Intervention“ zum Schutz des medizinischen Personals und der Patienten.

In den vergangenen Tagen waren bereits Menschen aus unterschiedlichen Krankenhäusern fortgebracht worden. Viele Einrichtungen hätten mittlerweile weder Strom noch Medikamente, Trinkwasser oder Nahrungsmittel, sagte das Komitee. Auch Kinderkrankenhäuser seien betroffen.

Weiter Kämpfe im Sudan

Seitdem am Samstag im Sudan Kämpfe ausgebrochen sind, sind auch zahlreiche Zivilistinnen und Zivilisten gestorben. Eine angekündigte Waffenruhe wurde nicht eingehalten. Es war bereits die dritte gescheiterte Feuerpause.

Mitarbeiter der EU-Kommission angeschossen

Wie am Mittwoch bekanntwurde, wurde ein Mitarbeiter der Europäischen Kommission angeschossen. Eine Kommissionssprecherin bestätigte, dass es sich um den Leiter des Büros der Generaldirektion Humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz (ECHO) in der Hauptstadt Khartum handelt.

Er ist Belgier und arbeitet seit 2019 dort in dieser Funktion. Angaben zu den Umständen des Vorfalls und zur Schwere der Verletzung machte die Sprecherin aus Sicherheitsgründen nicht. Sie wollte auch nichts zu seinem aktuellen Aufenthaltsort sagen.

Die „New York Times“ berichtete, der Mann sei schwer verletzt worden, schwebe aber nicht in Lebensgefahr. Er soll in der Nacht auf Montag verschwunden und erst am Dienstag von Kollegen gefunden worden sein. Bereits am Montagabend hatte die EU einen Angriff auf den EU-Botschafter im Sudan bestätigt. Der Ire Aidan O’Hara wurde nach jüngsten Angaben in seiner Residenz von bewaffneten Männern in Militärkleidung überfallen und ausgeraubt. Er blieb unverletzt.

Die G-7-Außenminister hatten am Dienstag ein Ende der Gewalt gefordert. „Wir rufen alle Akteure auf, zu Verhandlungen zurückzukehren und aktive Schritte zu unternehmen, um Spannungen abzubauen“, hieß es im Abschlusspapier zum Treffen der Minister im japanischen Karuizawa.

Reisewarnung ausgesprochen

Laut Außenministerium sind derzeit rund 45 Österreicher im Sudan registriert, die meisten davon Auslandsösterreicher und deren Angehörige. Aufgrund der Kampfhandlungen hat Österreich eine Reisewarnung für den Sudan ausgesprochen. Vor allen Reisen in den Sudan wird dringend gewarnt. Das Außenministerium empfiehlt Österreichern, die sich aktuell im Sudan aufhalten, dringend, an einem sicheren Ort zu bleiben und sich laufend über die aktuelle Lage zu informieren.

Die deutsche Bundeswehr bereitet eigenen Angaben nach eine Unterstützung des Auswärtigen Amtes (AA) im Falle einer militärisch abgesicherten Rettung deutscher Staatsbürger aus dem Sudan vor. Laut einem Bericht des Magazins „Spiegel“ wurde der Rettungseinsatz am Mittwoch jedoch wegen akuter Sicherheitsbedenken unterbrochen. Auch Japan hatte zuvor bekanntgegeben, dass sein Verteidigungsministerium mit den „nötigen Vorbereitungen“ begonnen habe, um etwa 60 Japaner aus dem Sudan in Sicherheit zu bringen, darunter auch Mitarbeiter der japanischen Botschaft.

Ob es Pläne für die 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Vereinten Nationen im Sudan gibt, darunter 800 Ausländer, wollte eine UNO-Sprecherin in Genf nicht kommentieren. Die Absicht sei auf jeden Fall, dort zu bleiben und das humanitäre Mandat der UNO zu erfüllen.