Frühere CEO der Kryptobörse FTX, Sam Bankman-Fried
Reuters/Eduardo Munoz
EU fixiert Regeln

Aus für „Wilden Westen“ Kryptomarkt

Die Goldgräberstimmung, die jahrelang auf dem völlig unregulierten Markt mit Kryptowährungen geherrscht hat, ist spätestens seit der spektakulären Pleite der einst bewunderten Kryptobörse FTX von Sam Bankman-Fried im November verflogen. Am Donnerstag beschloss das EU-Parlament in einer weltweiten Premiere Regeln für Kryptomärkte. Damit sollen die bisher teils herrschenden Wildwest-Regeln gestoppt werden.

Ziel der Verordnung ist es, den Wildwuchs bei Kryptowährungen einzudämmen und Verbraucherinnen und Verbraucher besser zu schützen. Seit dem FTX-Fiasko war klar, dass Kryptowährungen und der Handel damit eher früher als später gesetzlich geregelt werden. So wird unter anderem auch in Großbritannien und den USA intensiv an ähnlichen gesetzlichen Regeln gearbeitet, wie sie nun von der EU beschlossen wurden.

Der deutsche Branchenverband Bitkom lobte den Beschluss in Straßburg, Europa sei damit weltweit „Vorreiter“ und setze „einen globalen Standard für die Kryptoregulierung“. Mit ganz ähnlichen Worten freute sich auch der EU-Abgeordnete Othmar Karas (ÖVP) über die Entscheidung. Die Verordnung wurde mit der großen Mehrheit von 517 Stimmen bei 38 Gegenstimmen und 18 Enthaltungen angenommen.

Frühere CEO der Kryptobörse FTX, Sam Bankman-Fried
Reuters/David Dee Delgado
FTX-Gründer Bankman-Fried soll den Überblick über zig Milliarden verloren und Millionenzahlungen per Emoji freigegeben haben

Ende für „Wilden Westen“

Mit dem neuen Gesetz beende Europa „den Wilden Westen der Blockchain-Welt“, erklärte der Berichterstatter des Europaparlaments, der CDU-Politiker Stefan Berger. Derzeit gebe es rund 10.000 verschiedene Kryptowerte, sagte er. Der spanische Grünen-Abgeordnete Ernest Urtasun sagte, seit mehr als zehn Jahren erlitten Investoren, die auf das virtuelle Geld setzen, oft schwere Verluste. Zudem böten Kryptowährungen Betrügern und Kriminellen Schutz bei zwielichtigen Geschäften.

Evelyn Regener (SPÖ) betonte, die Verordnung sei „längst überfällig“ gewesen. Kryptowährungen dürften keine „gesetzliche Grauzone“ sein, sagte Regener und verwies darauf, dass allein im Vorjahr 22 Milliarden Euro an kriminellen Geldern via Kryptobörsen gewaschen worden seien.

Elementare Regeln

Die MiCA-Verordnung der EU (kurz für Markets in Crypto Assets) verpflichtet Ausgeber von Kryptowerten wie etwa Bitcoin, den Kunden detaillierte Informationen zu übermitteln und verbietet Insiderhandel und Marktmissbrauch. Zudem können die Anbieter bei schweren Verlusten unter bestimmten Bedingungen haftbar gemacht werden. Im Grunde gelten damit Mindestregeln, die für andere Börsen seit Jahrzehnten selbstverständlich sind, künftig auch auf Kryptovermögen.

Die EU fokussiert sich bei den Maßnahmen gegen Kryptogeldwäsche auf die Stelle, an der Bitcoin, Ether und andere Digitalwährungen in herkömmliches Geld wie Euro und US-Dollar umgetauscht werden. Daher bleiben direkte Transfers zwischen Inhabern von plattformunabhängigen Kryptowallets außen vor. Sie wären aber ohnehin schwer zu kontrollieren.

Eine Sonderregelung gibt es zudem, wenn Kryptoplattformen wie Coinbase, Crypto.com und Binance Transaktionen mit solchen unabhängigen Wallets abwickeln: Hier greift die Informationspflicht ab Beträgen von 1.000 Euro.

Kommissarin: Pleiten wie bei FTX nicht mehr möglich

EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness hatte sich am Mittwoch bei einer Debatte in Straßburg überzeugt gezeigt, dass die neuen Regeln Pleiten wie die der Kryptobörse FTX im November verhindert hätten. „Viele der Praktiken wären mit MiCA nicht mehr zulässig“, sagte sie. In einer Studie des Bitkom-Verbands sagten fast drei Viertel der deutschen Befragten, Skandale wie um FTX hätten ihr Vertrauen in Kryptowährungen zerstört.

EZB: Zu wenig Kontrolle großer Kryptofirmen

Allerdings hatte die Bankenaufseherin der Europäischen Zentralbank (EZB), Elizabeth McCaul, noch vor wenigen Tagen die neue Verordnung als unzureichend kritisiert. Sie begrüßte das Regelwerk grundsätzlich, große Kryptounternehmen würden dadurch aber zu wenig kontrolliert. Gemäß den MiCA-Regeln wäre zum Beispiel FTX nicht als signifikanter Kryptodienstleister eingestuft worden, kritisierte sie. Nicht einmal die weltgrößte Kryptobörse Binance mit ihren geschätzten 28 bis 29 Millionen aktiven Nutzern würde die Voraussetzungen dafür erfüllen.

Für als bedeutend eingestufte Kryptodienstleister sollten McCaul zufolge – ähnlich wie bei als systemrelevant eingestuften Banken – schärfere Vorschriften gelten, und sie sollten stärker überwacht werden als andere Kryptofirmen. Genau das leiste die neue Verordnung aber nicht.

Die Verordnung bedarf noch der Zustimmung der EU-Länder, was als Formsache gilt. Dann können die Regeln ab Juli 2024 schrittweise in Kraft treten. Im Verlauf dieses Jahres will die EU-Kommission zudem Vorschläge für einen digitalen Euro machen.