Leere Sessel und Tische eines Restaurants
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Überraschender Anstieg

Rufe nach Maßnahmen gegen Teuerung

Fachleute und Interessenvertretungen fordern angesichts des überraschenden Anstiegs der Inflation ein rasches Gegensteuern. Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), Gabriel Felbermayr, sprach sich für ein „ergebnisoffenes“ Nachdenken über Eingriffe aus. Auch der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) und die Arbeiterkammer (AK) drängten die Regierung zu handeln. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) verwies auf bereits gesetzte Maßnahmen.

Laut einer Schnellschätzung der Statistik Austria betrug die Inflationsrate im April voraussichtlich 9,8 Prozent. Im März war sie noch bei 9,2 Prozent gelegen. „Die Teuerung nimmt zunehmend in den Bereichen Freizeit, Reisen und Dienstleistungen an Fahrt auf“, sagte Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas am Dienstag.

Nach Ansicht von WIFO-Direktor Felbermayr wird das Auswirkungen auf die Teuerungsrate des gesamten Jahres haben. „Wir müssen jedenfalls davon ausgehen, dass die Prognose im März, dass wir über das Jahr gerechnet so sieben Prozent Inflation kriegen heuer, dass wir die revidieren müssen. Die Reise geht leider weiter nach oben“, sagte Felbermayr Dienstagabend in der ZIB2.

Felbermayr: „Inflationsdynamik brechen“

„Wir müssen jetzt sicherlich an vielen Hebeln ziehen, damit wir diesen relativ großen und leider auch wachsenden Inflationsunterschied zur Euro-Zone schließen“, so Felbermayr. Denn jedes Jahr, in dem die Preise stärker stiegen als in Deutschland oder im Schnitt der Euro-Zone, verliere Österreich an Wettbewerbsfähigkeit.

Denn dafür seien die internationalen Preisniveaus entscheidend. „Dass der Abstand so groß ist zur Euro-Zone, muss uns schon zu denken geben.“ Laut Eurostat-Schätzung stiegen die Verbraucherpreise in der Euro-Zone gegenüber März um 7,0 Prozent.

Maßnahmen gegen Inflation gefordert

Durch den Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) Gabriel Felbermayr wurde eine Debatte über weitere Maßnahmen gegen die Inflation gestartet. Die Regierung denke darüber nach und argumentiert, die nationalen Möglichkeiten, die Inflation zu bekämpfen, seien beschränkt.

Österreich müsse „die Inflationsdynamik brechen“, so Felbermayr. Er plädierte dafür, „ergebnisoffen nachzudenken“, auch über Eingriffe, die das WIFO vor Kurzem noch abgelehnt hatte, wie Mehrwertsteuersenkungen. Eine Mietpreisbremse wie von der Regierung diskutiert, aber letztlich wegen koalitionärer Uneinigkeit doch nicht beschlossen „wäre eine Chance gewesen“ und sei immer noch möglich.

Potenzial bei „administrierten Preisen“

Felbermayr wies auch darauf hin, dass in Österreich zehn Prozent der Preise „administriert“, also von der öffentlichen Hand festgesetzt, sind, etwa Müllgebühren. „Muss das wirklich mit der Inflationsrate steigen?“ Felbermayr regte „Lösungen“ an, „die für kleinere Preiszuwächse sorgen“.

Grafik zur Inflationsentwicklung in Österreich im Vergleich zur Euro-Zone
Grafik: APA/ORF; Quelle: Eurostat

Bei einer Senkung der Mehrwertsteuer, etwa auf Grundnahrungsmittel, müsse man gleich sicherstellen, dass es eine Rückkehr auf das aktuelle Niveau gibt. Außerdem sei so eine Maßnahme sehr teuer. Felbermayr sagte, man sollte vorher überlegen, ob man mit großer Preistransparenz zumindest für die wichtigsten 20 bis 30 Lebensmittel eine Wirkung erzielen könnte, ohne dass damit Kosten verbunden wären.

Hochkonjunktur als Verstärker

Abgesehen von unterschiedlichen Eingriffen in den Markt und einer spezifischen Zusammensetzung des Warenkorbs, bei dem in Österreich Tourismus mit stark steigenden Preisen ein hohes Gewicht hat, habe auch die Hochkonjunktur Österreichs im Vorjahr den Preisauftrieb verstärkt, sagte Felbermayr.

WIFO-Chef Felbermayr zur Inflation

Gabriel Felbermayr, Direktor des Wirtschaftsforschungsinstitutes (WIFO), benannte in der ZIB2 Inflationstreiber und mögliche Gegenmaßnahmen der Politik.

Darauf wies auch IHS-Experte Sebastian Koch in den „Salzburger Nachrichten“ hin. Und in der „Presse“ hob Koch hervor, dass Kollektivverträge in Deutschland oft für zwei Jahre gelten, auch das dämpfe den kurzfristigen Preisanstieg.

AK-Chefökonom: Versäumnisse bei Inflationsbekämpfung

AK-Chefökonom Markus Marterbauer kritisierte Versäumnisse der Regierung bei der Inflationsbekämpfung. „Wir haben ein Jahr bei der Inflationsbekämpfung versäumt. Jetzt haben wir eine höhere Inflationsrate als Italien“, so der AK-Experte und ergänzte: „Man muss eine Preisregulierung machen, wenn man die hohe Inflation nicht haben will.“

Bei den Energiepreisen hätte es für einen Eingriff in die Preise „jede Menge Ansatzpunkte gegeben“. Auch bei der aktuellen Anpassung der Richtwertmieten hätte die Regierung handeln können. „Mieten sind ein Paradebeispiel, man hätte sich die aktuelle Erhöhung sparen können“, so Marterbauer.

Wichtig wäre Transparenz bei den Preisen, wie es sie etwa durch die Spritpreisdatenbank des Wirtschaftsministeriums gibt. Dann wäre es für die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) auch einfacher, gegen unbegründete Erhöhungen vorzugehen, da das Datenmaterial schon vorhanden wäre.

Katzian für Eingriffe bei Wohnen, Energie und Lebensmittel

Die Regierung setzte bisher vor allem auf Einmalzahlungen und Zuschüsse. Insgesamt wurden rund 30 Milliarden Euro in die Hand genommen für Maßnahmen wie die Strompreisbremse, den Antiteuerungsbonus und Zuschüsse für Familien sowie Pensionistinnen und Pensionisten. Von Eingriffen in den Markt nahmen ÖVP und Grüne bisher Abstand. Die von den Grünen geforderte Mietpreisbremse lehnte die Volkspartei ab, einigen konnte man sich lediglich auf einen Wohnkostenzuschuss.

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian kritisierte am Mittwoch im Ö1-Mittagsjournal das Fehlen „inflationsdämpfender“ Maßnahmen. Die Sozialpartner hätten diese bereits im März 2022 von der Regierung gefordert.

Katzian zufolge sollten Schritte in den Bereichen Wohnen, Lebensmittel und Energie gemacht werden. Der ÖGB-Chef sprach sich etwa dafür aus, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel für einen bestimmten Zeitraum auszusetzen oder zumindest zu senken. Zudem brauche es eine „Antiteuerungskommission“ und eine Preisdatenbank. Ebenfalls weiter möglich sei eine Mietpreisbremse.

Auch SPÖ-Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner erinnerte in Form eines „Dreipunktesofortpakets“ an die Forderungen ihrer Partei, die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel auszusetzen, eine Antiteuerungskommission einzusetzen und die Mieten auf zwei Jahre einzufrieren.

Nehammer: „Bereits an vielen Hebeln gedreht“

Man habe bereits „an vielen Hebeln gedreht“ und unter anderem die kalte Progression abgeschafft, sagte Bundeskanzler Nehammer am Mittwoch. Gemeinsam mit Wirtschaftsforschern werde man über neue Wege nachdenken. Die Inflation sei hierzulande „sehr hartnäckig“, auch Tourismus und Dienstleistungen spielten eine große Rolle, „das muss man richtig bewerten“. Die Regierung werde sich jedenfalls „in den nächsten Wochen weiter sehr intensiv mit der Inflation beschäftigen“.

AK-Kritik an Preisen in Supermärkten und Drogerien

Handlungsbedarf bei Nahrungsmitteln und Drogeriewaren ortete am Mittwoch die AK. Die Preise für günstige Lebensmittel und Drogeriewaren hätten sich in den Handelsketten deutlich über der Inflationsrate verteuert, wurde kritisiert. Teilweise seien die günstigen Eigenmarken nicht mehr verfügbar, Konsumentinnen und Konsumenten müssten daher auf die – teureren – Markenprodukte umsteigen.

Kickl: „Teuerung nicht vom Himmel gefallen“

„Die extreme Teuerung in Österreich ist nicht ‚vom Himmel gefallen‘, Preistreiber Nummer eins in Österreich ist eine verfehlte Regierungspolitik“, sagte FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl. „Mit ihrer Untätigkeit und falschen Politik nimmt die ‚Ampel der Unvernunft‘ bestehend aus den Regierungsfraktionen und der Scheinopposition billigend in Kauf, dass sich weite Teile der Bevölkerung das tägliche Leben nicht mehr leisten können und viele zusehends verarmen.“