Die kroatische Band Let 3 performt ihren Song „Mama SC“.
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Song Contest

Bunte Mischung für Finale qualifiziert

Die eine oder andere kleine Überraschung hat das erste Semifinale des Song Contest am Dienstagabend in Liverpool gebracht – im Wesentlichen schafften die großen Favoriten aber allesamt den Sprung ins Finale, allen voran die Schwedin Loreen und der Finne Käärijä. Auf der Strecke blieben an einem Abend mit vielen spektakulären Bühnenshows jene Beiträge, die das Tempo nicht ganz halten konnten.

Ausgeschieden sind Irland, Aserbaidschan, die Niederlande, Lettland und Malta. Im Finale vertreten ist der Rest: Schweden, Norwegen, Finnland, Portugal, Serbien, Tschechien, die Schweiz, Israel, Kroatien und Moldawien.

Bei dem Semifinale trat zum ersten Mal ein neuer Voting-Modus in Kraft. Anders als in den vergangenen Jahren sind die nationalen Jurys in den beiden Semifinale nicht stimmberechtigt und dürfen erst im Finale mitbestimmen. Hintergrund sind Ungereimtheiten im Abstimmungsverhalten von sieben Ländern im Vorjahr.

Sprich: Allein das Publikum entschied, welche zehn Acts weiter dabei sind – und welche fünf am Samstag nicht mehr auf der Bühne stehen. Wer die meisten Stimmen bekam und wer nur knapp den Sprung ins Finale schaffte, wird erst am Samstag nach dem Finale verlautbart.

Favoritin nimmt die erste Hürde

Einigermaßen klar war, dass die große Favoritin des heurigen Bewerbs, die Schwedin Loreen mit „Tattoo“, am Samstag zu sehen sein wird. Schweden entschied sich heuer für eine düstere Inszenierung, Loreen muss sich zwischen zwei Platten behaupten. Und auch singen. „Tattoo“ teilt das Schicksal gleich einiger Songs des heurigen Jahrgangs, nämlich recht langsam und sehr spät auf Touren zu kommen. Ob Loreen mit dem gewählten Outfit und vor allem den überlangen Krallen an den Händen ihre Siegchancen eher vergrößert oder verkleinert, wird sich wohl erst Samstagnacht weisen.

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Die schwedische Sängerin Loreen performt ihren Song „Tattoo“.
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Die große Favoritin ist weiter: Loreen performt ihren Song „Tattoo“
Der finnische Musiker Käärijä performt seinen Song „Cha Cha Cha“.
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Brachial ins Finale: Käärijä aus Finnland
Die kroatische Band Let 3 performt ihren Song „Mama SC“.
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Und ebenfalls mehr als dick aufgetragen: Let 3 aus Kroatien
Die israelische Sängerin Noa Kirel performt ihren Song „Unicorn“.
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Mehr ins Finale getanzt als gesungen hat sich Noa Kirel aus Israel
Der moldawische Musiker Pasha Parfeni performt seinen Song „Soarele si luna“.
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Pasha Parfeni aus Moldawien ist mit seinem Ethnodancesong „Soarele si luna“ auch am Samstag zu sehen
Die norwegische Sängerin Alessandra performt ihren Song „Queen of Kings“.
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„Queen of Kings“: Die norwegische Sängerin Alessandra eröffnete den Bewerb
Die tschechische Band Vesna performt ihren Song „My Sister’s Crown“.
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Die sechsköpfige Gruppe Vesna aus Tschechien sang und rappte sich ins Finale
Der schweizer Sänger Remo Forrer performt seinen Song „Watergun“.
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Auch die Schweiz ist weiter im Rennen: Remo Forrer mit der Ballade „Watergun“
Die portugiesische Sängerin Mimicat performt ihren Song „Ai coracao“
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Ganz in Rot präsentierte sich Mimicat aus Portugal – und wurde vom Publikum belohnt
Der serbische Musiker Luke Blake performt seinen Song „Samo mi se spava“.
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Leicht apokalyptisch mutete der Auftritt des Serben Luka Black an. Auch das fand genug Gefallen.
Die aserbaidschanischen Musiker TuralTuranX performen ihren Song „Tell Me More“.
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Verabschieden musste sich das aserbaidschanische Brüderpaar TuralTuranX – ein bisschen zu harmlos fiel ihr Song aus
Die maltesische Band The Busker performt ihren Song „Dance (Our Own Party)“.
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Auch die maltesische Band The Busker konnte das Publikum nicht überzeugen
Die irische Band Wild Youth performt ihren Song „We Are One“.
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Ziemlich verunglückt ist der Auftritt von Wild Youth aus Irland – stimmlich wie optisch
Die lettische Band Sudden Light perfomt ihren Song „Aijā“.
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Auch für die lettische Band Sudden Light war im Semifinale schon Endstation
Das Niederländische Duo Mia Nicolai & Dion Cooper performen ihren Song „Burning Daylight“.
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Und schließlich schafften es auch Mia Nicolai & Dion Cooper nicht: Leise Töne waren am Donnerstag weniger gefragt

Düster ging es auch beim serbischen Vertreter Luke Black zu. Er entstieg einem Blütenblatt, wurde von einer Riesenameise oder einem ähnlichen Tier auf der LED-Wand verfolgt und mühte sich den Song lang ab, seine Freunde von einer mysteriösen Verkabelung zu lösen, während er mehr hauchend als singend in Blick, Stimme und Optik den jungen Trent Reznor, Sänger der Band Nine Inch Nails, imitierte. Dem Publikum gefiel es offenbar.

Schräg, schräger, Kroatien

Der wahrscheinlich schrägste Auftritt des Jahres wird sich am Samstag wiederholen: Die kroatische Band Let 3 marschierte in Uniformkleidern ein, ließ Raketen starten und stand am Ende in Feinripp und Unterhose auf der Bühne. Die in der Tradition des Rockkabaretts a la Drahdiwaberl auftretende Band lieferte auch die dezidierteste politische Botschaft des Abends: „Kleiner Psychopath“ heißt es in dem Antikriegslied.

Kroatien: Let 3 – „Mama SC“

Die sechsköpfige Frauenband Vesna lieferte mit „My Sister’s Crown“ den vielleicht komplexesten Song des Abends. Auch sie punkteten mit politischer Botschaft pro Ukraine, was das Spiel mit überlangen Zöpfen auf der Bühne zu bedeuten hatte, erschloss sich aber nicht.

Und auch der dritte Song, der sich mit Krieg auseinandersetzt, wurde belohnt: Der Schweizer Remo Forrer brachte mit „Watergun“ eine sehr traditionell gehaltene Klavierballade in den Bewerb, stimmlich gut bewältigt, darf er sich ebenfalls auf ein Auftreten am Samstag freuen.

Finnland als Abschlusskracher

Der als letzter Kandidat im Semifinale gestartet Finne Käärijä lieferte den krachenden Abschluss. Einer Kiste entstiegen, ballerte er sich mit „Cha Cha Cha“ durch die Halle, entließ später auch sein Tanzkommando aus der Kiste und unterstrich, dass er am Samstag wohl zu Recht zu den Mitfavoriten zählt – auch wenn man berechtigte Zweifel haben kann, ob sein Dance-Metal-Crossover generationenübergreifend funktioniert. Auch stimmlich wurde es am Ende des Songs ein wenig dünner, das scheint man ihm ob des donnernden Beginns aber leicht zu verzeihen.

Finnland: Käärijä – „Cha Cha Cha“

Hornfraktion im Finale

Ins Finale geschafft hat es auch die für Norwegen antretende Alessandra. Ihr „Queen of Kings“ ist eine recht brachiale Wikingerhymne mit eingängigem – um nicht zu sagen: recht bekannt klingendem – Kinderliedrefrain. Bei den Buchmachern kommt sie ebenso für einen Top-Ten-Rang im Finale infrage wie die Israelin Noa Kirel mit „Unicorn“. Auch sie schaffte den Sprung ins Finale, vielleicht weniger wegen ihres Songs als vielmehr für Höchstleistungen im Bodenturnen und bei Hochgeschwindigkeitstanzmoves. Dass gefühlt die Hälfte des Liedes dann gar nicht mehr gesungen wird, scheint egal. Hauptsache auf TikTok sieht es gut aus.

Pasha Parfeni lieferte für Moldawien mit „Soarele si luna“ den Ethno-Dance-Track des Abends – inklusive Tänzerinnen mit Hornfrisuren. Ohne direkte Konkurrenz in diesem Genre schaffte auch er den Einzug – vielleicht auch geschuldet dem Umstand, dass die Ukraine mit Go_A 2021 und Vorjahrssieger Kalush Orchestra das Flötensolo im Song Contest salonfähig gemacht hat.

Moldawien: Pasha Parfeni – „Soarele si luna“

Augenzwinkernd zog Mimicat aus Portugal in Finale ein: Für ihren Song „Ai coracao“ zahlten sich viele Handclaps und aus dem Nachbarland Spanien ausgeborgte Kastagnetten aus und wurden vom Publikum mit genügend Stimmen belohnt – das zählt zu den kleineren Überraschungen des Abends.

Zu wenig, zu spät, zu lustig

Für fünf Acts hieß es Abschied nehmen. Die lettische Band Sudden Lights konnte mit ihrem eher sperrigen Song „Aija“ das Publikum nicht überzeugen. Vor allem der mit Kopfstimme vorgetragene Refrain blieb in der Halle ohne große Wirkung.

Auch Mia Nicolai & Dion Cooper aus den Niederlanden konnten nicht genügend Zuseherinnen und Zuseher begeistern. Das Duett brauchte zu lange, um erst am Schluss zu zünden. Da half es auch nichts, dass der Song „Burning Daylight“ aus der Feder von Duncan Laurence, immerhin Gewinner von 2019, stammt.

Endstation war auch für das maltesische Trio The Busker, die mit übergroßem Saxophoneinsatz und lustig gemeinter Choreografie auch nicht wettmachen konnten, dass ihr Song „Dance (Our Own Party)“ einfach kaum im Ohr hängen blieb.

Kein Abend für goldenen Elvis

Zu Recht nicht ganz wohl schien sich Sänger Conor O’Donohoe der irischen Band Wild Youth in seinem goldenen Ganzkörper-Elvis-Strampler zu fühlen. Der als Zusammenhaltshymne gedachte Song „We Are On“ kam auf der Bühne recht ins Stottern, auch weil da gesanglich sehr viel an sehr vielen Ecken fehlte.

Irland: Wild Youth – „We Are One“

Das Zwillingsbrüderpaar TuralTuranX aus Aserbaidschan war für den lieblichen Teil des Abends verantwortlich: Die Gitarrenpopnummer „Tell Me More“ weckte Erinnerungen an sehr viele, sehr ähnlich klingende Songs aus Großbritannien. Sich dermaßen beim Gastgeber einzuschmeicheln wurde dennoch nicht belohnt.

Teya & Salena im zweiten Semifinale am Donnerstag

Das erste Halbfinale galt im Vorfeld als das besser besetzte. Am Donnerstag treten dann die heimischen Vertreterinnen Teya & Salena an, die sich sehr gute Chancen ausrechnen dürfen, ebenfalls ins Finale vorzustoßen.

Das Semifinale am Donnerstag ist so wie das Finale am Samstag ab 21.00 Uhr live in ORF1 und im Livestream in tvthek.ORF.at zu sehen. Für FM4 kommentieren der deutschen Satiriker Jan Böhmermann und der Sänger und Schauspieler Olli Schulz den Finalabend. Zu hören ist das Spektakel nicht nur auf FM4, in der ORF-TVthek gibt es auch einen eigenen Stream für das passende Bild zum Ton. ORF.at begleitet den Bewerb mit einem Liveticker – samt Bildern, animierten GIFs und Social-Media-Kommentaren.