Frau zieht Stromstecker aus der Steckdose
ORF/Dominique Hammer
Antiteuerungspaket

Für Opposition viel zu wenig

Zu wenig, zu zögerlich und ohne Wirkung: Das Urteil der Oppositionsparteien über das am Mittwoch präsentierte Antiteuerungspaket der Regierung fällt mehr als eindeutig aus. In einem Punkt stimmten ihnen auch mehrere Fachleute zu: Die Maßnahmen seien zu wenig, es werde weitere brauchen.

Mittags hatten Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), ein Dreipunkteprogramm präsentiert, mit dem die Teuerung entschärft werden soll: Druck auf die Energiekonzerne, die Preise zu senken, Transparenzmaßnahmen und mehr Möglichkeiten für die Wettbewerbsbehörde, um Druck auf die Supermarktketten auszuüben und ein Einfrieren bzw. Senken öffentlicher Gebühren. Dass es die von der Opposition geforderten direkten Eingriffe in Preise nicht gibt, rechtfertigte die Koalition auch mit EU-Vorgaben.

SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried warf der Regierung vor, dass mit den Maßnahmen kein einziger Preis im Supermarkt gesenkt werde. Die angekündigte Verschärfung der Übergewinnsteuer für Energiekonzerne sei nichts anderes als ein Eingeständnis, dass die bisherige bloß ein „Übergewinnsteuerl“ gewesen sei, und außerdem noch viel zu vage, findet Leichtfried. Die geplante Preistransparenz im Lebensmittelbereich bringe genau eines, nämlich: „Die Menschen werden besser zuschauen können, wie sie abgezockt werden.“

ORF-Analyse: Maßnahmen gegen Teuerung

ORF-Reporter Peter Unger spricht über die wichtigsten Punkten des Maßnahmenpakets gegen die Teuerung. Er erklärt, inwiefern sich die Preise dadurch verändern könnten.

SPÖ: Richtwertmieten wieder senken

Bei der von ihr beantragten Sondersitzung des Nationalrats zur Inflation am Freitag will die SPÖ die Rücknahme der Richtwertmieterhöhung und ein Einfrieren der Mieten bis 2025 sowie die Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel beantragen.

FPÖ: „Herumgerede um heißen Brei“

FPÖ-Klubchef Herbert Kickl sprach von einem „Herumgerede um den heißen Brei“. Es hätte direkte Preiseingriffe bei Energie und eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel gebraucht, so Kickl.

Keine der präsentierten Maßnahmen werde die finanzielle Situation der notleidenden Menschen in absehbarer Zeit verbessern. Die Androhung einer rigoroseren Übergewinnabschöpfung sei ein zahnloser Tiger, so Kickl. Gegen die hohen Lebensmittelpreise sowie Mieten, Bankgebühren usw. unternehme diese Regierung auch wieder nichts.

NEOS: Regierung schickt Geld im Kreis

Die Regierung schicke das Geld im Kreis, nachdem sie zuvor mit ihrer Gießkannenpolitik selbst die Teuerung angeheizt habe, so NEOS-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker. Bund und Länder hätten längst die Preise der Energieversorger, die Gebühren und Mieten bei Gemeindewohnungen senken können. Mit dem Paket sei „absolut nicht garantiert“, dass die Menschen eine Entlastung spüren werden. Loacker forderte, nicht nur die Einkommensteuer, sondern auch die Kapitalertragsteuer auf Sparguthaben zu senken.

Nur Handelsverband zufrieden

Kritik kam auch vom ÖGB, der von „kosmetischen Maßnahmen“ sprach und erneut eine Reduktion der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel forderte. Für die Arbeiterkammer ist es „zu wenig, zu spät“. Der Handelsverband zeigte sich dagegen zufrieden. Die Industriellenvereinigung warnte vor einer Verschärfung des Wettbewerbsrechts. Die Wirtschaftskammer verwies auf die Probleme vor allem steigender Energiepreise für die Unternehmen.

Eine Grafik zeigt eine Auswahl an geplanten Regierungsmaßnahmen gegen die hohe Inflation
Grafik: APA/ORF; Quelle: Öst. Bundesregierung

„Schwarzer Tag für Energiewende“

„Eine Verschärfung des Energiekrisenbeitrags Strom ist eine politische Entscheidung und als solche zu akzeptieren. Offen ist derzeit die Frage der genauen Umsetzung und welche Wirkung damit erzielt wird“, hieß es am Abend in einer Reaktion von Oesterreichs Energie, der Interessenvertretung der österreichischen E-Wirtschaft. Kritisch sehe die E-Wirtschaft diese Maßnahme im Hinblick auf die Investitionssicherheit. „Mittelfristig werden sich die Preise nur durch einen massiven Ausbau der Erzeugungs- und Netzkapazitäten entspannen – dafür braucht es umfassende Investitionen – auch aus dem privaten Bereich“, so der Verband.

Der Dachverband der Erneuerbaren Energien (EEÖ) sieht in der Maßnahme ein „fatales Signal“ für die Branche und ein „Ausbremsen der Energiewende“. „Eine langfristige und tragfähige Senkung der Energiekosten geht nur mit einem zielstrebigen Ausbau erneuerbarer Energie in Österreich“, hieß es in einer Aussendung. Die von der Regierung vorgesehene Ausweitung der Gewinnabschöpfung würde sich allerdings negativ auf das Investitionsklima auswirken, so der Verband. Auch die IG Windkraft ortete in einer Aussendung einen „schwarzen Tag für die Energiewende“.

Kritik kommt auch von Verbund-Chef Michael Strugl, der #zugleich Präsident von Oesterreichs Energie ist. „Die Gewinnabschöpfung, das haben wir im Vorjahr schon gesagt, wirkt nicht inflationsdämpfend“, so Strugl, dem zufolge es besser wäre, den Strompreis temporär vom Gaspreis zu entkoppeln. Der Regierung könne man das nicht vorwerfen, denn die Regelung der Gewinnabschöpfung komme aus der europäischen Beschlussfassung, die in Österreich umgesetzt worden sei.

Lob und Kritik von Wirtschaftsforschern

Am Vortag hatte WIFO-Chef Gabriel Felbermayr die heimische Politik bereits davor gewarnt, die Folgen der hohen Inflation zu unterschätzen, und rasches Handeln gefordert. Nach der Präsentation des Pakets reagierte Felbermayr grundsätzlich mit Lob. Alle Maßnahmen für sich genommen seien richtig. Er betonte aber auch, dass das Paket nicht reiche. Es werde weitere Maßnahmen benötigen, die Regierung müsse „weiter nachbessern“.

IHS-Direktor Klaus Neusser erwartet durch das Paket „keinen großen, aber einen nachhaltigen Beitrag“ zur Inflationsdämpfung. Mehr Druck auf die Energiekonzerne und die Spenden für Sozialmärkte werden laut Neusser wirken. Kaum einen Effekt erwartet er sich vom Gebührenstopp.

Badelt: Spezielle Hilfe für Bedürftige

Ähnlich wie Felbermayr bezeichnete Fiskalratschef Christoph Badelt alle Maßnahmen als „vernünftig, aber es wird nicht dabei bleiben können“. Er forderte zusätzlich zu den Regierungsmaßnahmen einen Teuerungsausgleich für jene Menschen, die sich die Kosten für das alltägliche Leben, also etwa Lebensmittel, nicht mehr leisten können.

Konkret sollen Menschen, die bereits jetzt Sozialhilfe beziehen, aber auch jene, die darüber hinaus Schwierigkeiten haben, über die nächsten Monate eine zusätzliche Unterstützung erhalten. Ob jemand bezugsberechtigt ist, soll über eine Einzelfallprüfung festgestellt werden. Laut Badelt könnte eine solche Maßnahme „innerhalb von zwei bis drei Monaten auf die Strecke“ gebracht werden, jedenfalls aber noch vor dem Sommer.

Auch die Caritas forderte Maßnahmen speziell für Menschen mit geringen Einkommen, insbesondere eine Reform der Sozialhilfe und eine Anhebung der Ausgleichszulage. Und Arbeitslosengeld und Notstandshilfe sollten auf ein „armutsfestes Niveau“ erhöht werden.