Bundeskanzler Karl Nehammer
ORF
Energiepreis als „Wurzel allen Übels“

Nehammer hofft auf „Dominoeffekt“

Geht es nach Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), soll das am Mittwoch von der Regierung vorgestellte Antiteuerungspaket unmittelbar nach Inkrafttreten im Juni eine erste Wirkung zeigen. Vor allem wolle man mit den gegen die hohen Energiepreise gesetzten Maßnahmen einen „Dominoeffekt“ auslösen, so Nehammer, der in der ZIB2 die Energiepreise als „Wurzel allen Übels“ und „Treiber für die Lebensmittelpreise“ bezeichnete.

Die mit dem Antiteuerungspaket nun im Raum stehende Übergewinnsteuer werde die Energiekonzerne motivieren, die Preise zu senken, und durch die Senkung der Energiepreise müsse es dann auch zur Weitergabe der geringeren Kosten kommen, wie Nehammer die von der Regierung verfolgte Strategie zusammenfasste. Direkt festgesetzte Strom- und Gaspreise seien für einen liberalisierten Markt wie Österreich keine Option, da verbilligte Energie sofort vom Ausland weggekauft würde.

Im Gegensatz dazu sollte das nun beschlossenene Gesetz zur Gewinnabschöpfung sehr wohl Wirkung in Form sinkender Preise entfalten, verteidigte Nehammer die Vorgangsweise. „Wir beobachten jetzt sehr genau, ob die Maßnahmen Wirkung zeigen.“ Wenn nicht, werde die Regierung „weitere Maßnahmen setzen, die den Menschen helfen“, so Nehammer. Auf eine Senkung der Mehrwertsteuer bei Lebensmitteln habe man indes verzichtet, weil das noch keine Garantie sei, dass „Preise wirklich sinken“, wie Nehammer in der ZIB2 anmerkte.

Energie als „Haupttreiber“ der Inflation

Erhitzte Inflation und Gemüter

Die Gewinnabschöpfung begründete Nehammer schließlich auch damit, dass die Großhandelspreise im letzten Jahr von mehr als 500 Euro pro MWh auf unter 150 Euro pro MWh gesunken seien, während die Preise für private Haushalte um mehr als das Doppelte gestiegen seien.

Wenn die Energiekonzerne ihre Preise für die Konsumenten nicht rasch senken, will die Regierung die Gewinnabschöpfung verschärfen und ausweiten. „Unsere Maßnahme heißt für die Preise des momentan teuersten Anbieters eine Reduktion des Endkundenpreises um mehr als ein Drittel“, sagte Nehammer dazu nach dem Ministerrat bei einer gemeinsamen der Pressekonferenz mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). Dieser merkte mit Blick auf die Energiepreise an, dass die hier von den Konzernen betriebene Vorgangsweise nicht nur die Inflation, sondern auch die Gemüter erhitze.

Das abgeschöpfte Geld solle zum Teil an Länder und Gemeinden fließen, die auf Gebührenerhöhungen verzichten. Neben dem erhöhten Druck auf Energie umfasst das von der Regierung angekündigte Maßnahmenpaket auch eine Verschärfung des Wettbewerbsrechts. Zudem sollen Gebühren eingefroren oder gesenkt werden.

Maßnahmen gegen die Teuerung

Drei Maßnahmen hat die Regierung am Mittwoch angekündigt, mit denen die Teuerung und die Folgen für die Bevölkerung eingebremst werden sollen. Der Druck auf Energiekonzerne wird erhöht, das Wettbewerbsrecht soll verschärft, die Gebühren eingefroren oder gesenkt werden. Nicht kommen wird eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel.

Vorauszahlung kann öfter angepasst werden

Die Verschärfung der Übergewinnsteuer soll durch eine Änderung des entsprechenden Schwellenwerts im Energiekrisenbeitragsgesetz bereits im Juni in Kraft treten. Beim derzeit teuersten Energieversorger führe das, so Nehammer, zu einer Reduktion des Endkundenpreises um ein Drittel.

Bei Haushalten, die bereits einen „Smart Meter“ haben, werde es künftig das Recht auf eine monatliche Abrechnung geben, das soll zu mehr Transparenz und Überblick über die Kosten führen. Vorauszahlungen sollen künftig halbjährlich, nicht wie bisher meist einmal jährlich adaptiert werden können.

Mehr Rechte für Wettbewerbsbehörde

Die Lebensmittelketten sollen durch eine erhöhte Preistransparenz stärker unter Druck gesetzt werden. Die Maßnahmen sind freilich sehr indirekter Natur: Künftig will die Regierung regelmäßig in einem Lebensmittel-Transparenzbericht die Einkaufspreise des Lebensmittelhandels anhand definierter Lebensmittel veröffentlichen.

Ferner muss der Lebensmittelhandel kundtun, welche Mengen an Lebensmitteln als Sachspenden er gemeinnützigen Organisationen zur Verfügung stellt. Ebenfalls offengelegt werden muss, wie viele Lebensmittel vernichtet wurden.

Und die Wettbewerbsbehörde soll mehr Befugnisse bekommen – konkrete Maßnahmen wurden nicht genannt. Das dürfte umso schwieriger werden, als ÖVP und Grüne sich seit Jahren bei der Besetzung der Spitze der Behörde nicht einigen können.

Eine Grafik zeigt eine Auswahl an geplanten Regierungsmaßnahmen gegen die hohe Inflation
Grafik: APA/ORF; Quelle: Öst. Bundesregierung

Bund friert Gebühren ein

Alle Bundesgebühren bleiben auch im kommenden Jahr eingefroren und werden nicht an die Inflation angepasst. Um ein halbes Jahr verlängert wird außerdem die derzeit ausgesetzte Elektrizitäts- und Erdgasabgabe. Dazu gibt es die Empfehlung an die Gemeinden, dass diese ihre Gebühren – etwa Kanal- und Müllgebühr – senken.

Als Anreiz sollen Gemeinden, die das tun, vom Bund entschädigt werden. Finanziert werden soll das aus den Mehreinnahmen der stärkeren Besteuerung der Übergewinne von Energiekonzernen. ÖVP und Grüne rechnen nach eigenen Aussagen diesbezüglich mit Mehreinnahmen von rund 400 Millionen Euro.

Nehammer und Kogler verwahrten sich gegen Kritik, die Regierung sei untätig gewesen. Aufgrund von Maßnahmen – vor allem der Abschaffung der kalten Progression und der Valorisierung zahlreicher Sozial- und Familienbeihilfen – sei die Kaufkraft im internationalen Vergleich trotz der Inflation sehr hoch geblieben. Auch in anderen wirtschaftlichen Kernziffern, etwa der Arbeitslosigkeit, stehe Österreich sehr gut da.

Gegen Senkung der Mehrwertsteuer

Nehammer kritisierte zahlreiche zuletzt von der Opposition und Fachleuten formulierte Vorschläge, etwa die Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel. Die Vorschläge seien sehr unterschiedlich, und oft sei nicht garantiert, ob die Preise dadurch tatsächlich sinken würden. Nehammer wie Kogler betonten, auf komplizierte Probleme könne es keine einfachen Antworten geben.

Wichtig sei es, mit den Maßnahmen die Teuerung nicht noch anzuheizen. Und Nehammer sagte: Man sei „gegen die Verstaatlichung von Verlusten und die Privatisierung von Gewinnen“. Mehrere der nun angekündigten Maßnahmen waren in den Tagen zuvor von Wirtschaftsfachleuten vorgeschlagen worden, die die Regierung öffentlich zum raschen Handeln aufgerufen, aber auch vor weiteren großen Ausgaben gewarnt hatten.

Lob und Kritik

Am Vortag hatte WIFO-Chef Gabriel Felbermayr die heimische Politik bereits davor gewarnt, die Folgen der hohen Inflation zu unterschätzen, und rasches Handeln gefordert. Nach der Präsentation des Pakets reagierte Felbermayr mit Lob. Alle Maßnahmen für sich genommen seien richtig. Aber das Paket sei zu klein. Es werde weitere Maßnahmen brauchen, die Regierung müsse „weiter nachbessern“.

IHS-Direktor Klaus Neusser erwartet durch das Paket „keinen großen, aber einen nachhaltigen Beitrag“ zur Inflationsdämpfung. Mehr Druck auf die Energiekonzerne und die Spenden für Sozialmärkte werden laut Neusser wirken. Kaum einen Effekt erwartet er sich vom Gebührenstopp.

SPÖ: Kein einziger Preis wird sinken

SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried warf der Regierung dagegen davor, dass mit den Maßnahmen kein einziger Preis im Supermarkt gesenkt werde. Am Freitag gibt es eine von der SPÖ beantragte Sondersitzung zur Teuerung.

FPÖ-Klubchef Herbert Kickl sprach von einem „Herumgerede um den heißen Brei“. Es hätte direkte Preiseingriffe bei Energie und eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel gebraucht, so Kickl. Das Paket der Regierung sei eine „Blendgranate ohne jegliche Wirkung“.

Die Regierung schicke das Geld im Kreis, nachdem sie zuvor mit ihrer Gießkannenpolitik selbst die Teuerung angeheizt habe, so NEOS-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker. Bund und Länder hätten längst die Preise der Energieversorger, die Gebühren und Mieten bei Gemeindewohnungen senken können. Mit dem Paket sei „absolut nicht garantiert“, dass die Menschen eine Entlastung spüren würden.

Kocher: Gespräche zu Preistransparenz am Freitag

ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Kocher betonte, das Ziel, den Wettbewerb zu stärken und somit kurz- und mittelfristig die Energiepreise und andere Preise senken. Für Freitag kündigte Kocher Gespräche mit Fachleuten und der Bundeswettbewerbsbehörde über Maßnahmen für mehr Preistransparenz an.

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) verwies auf den budgetären Kontext: Das Defizit soll halbiert werden, um nach der Krise wieder auf einen nachhaltigen Budgetpfad zu gelangen. Daher seien „expansive“ Maßnahmen, also zusätzliche Hilfszahlungen, „nicht mehr zielführend“.

Van der Bellen will „genau schauen“

Bundespräsident Alexander Van der Bellen kündigte indes an, ein Auge auf die von der Regierung angekündigten Maßnahmen zu haben. „Die Bundesregierung hat heute weitere Maßnahmen präsentiert. Ich werde genau darauf schauen, dass diese rasch und wirkungsvoll umgesetzt werden“, ließ das Staatsoberhaupt via Twitter wissen.

Die Folgen der Inflation beträfen immer mehr Menschen, so Van der Bellen, der die Schuldnerberatung in Wien besuchte. Die anhaltende Teuerung stelle Österreich vor eine große Aufgabe. „Jede und jeder muss den Zusammenhalt und die Solidarität von uns allen spüren und das auch im Geldbörserl sehen“, erklärte Van der Bellen.