Menschen in der Salzburger Getreidegasse
IMAGO/Robert Harding
Altstädte

Moderiesen kehren Bestlage den Rücken

Ein Modegeschäft folgt dem nächsten, am besten über mehrere Stockwerke groß und mit einer Angebotspalette von Socken bis zum Trenchcoat – ein Einkaufsmodell, das nicht mehr zu funktionieren scheint, vor allem in Österreichs Innenstädten. Das Kaufverhalten habe sich in der Modebranche stark verändert, sagen Expertinnen und Experten. Die Folge: große, leerstehende Geschäfte in vermeintlichen Bestlagen wie in der Salzburger Altstadt.

Wer dieser Tage durch die Getreidegasse spaziert, kommt nicht nur an zahlreichen Luxusshops und Souvenirgeschäften vorbei, sondern auch an so manch verwaistem Geschäftslokal, das einen neuen Mieter sucht. Große Modeketten wie Zara, Massimo Dutti, Hallhuber, Fossil und auch Kosmetikriese Marionnaud sind in den vergangenen Monaten aus der Salzburger Altstadt abgewandert.

Gründe dafür gibt es mehrere: zu hohe Mieten, zu wenig Umsatz, die Zusammenlegung mit einer bereits bestehenden Filiale an einem anderen, besseren Standort oder, wie es auf Nachfrage immer wieder heißt, aus nicht näher definierten „strategischen Gründen“.

Stadt Salzburg kein Einzelfall

Glaubt man den Gerüchten aus Branchenkreisen, könnten in den kommenden Monaten weitere Unternehmen den Weg aus der Geburtsgasse Mozarts suchen – spekuliert wird derzeit über mögliche Abgänge von H&M, Mango, und auch McDonald’s denkt laut über eine Schließung seiner Filiale in der historischen Gasse nach, wie ein Unternehmenssprecher gegenüber ORF.at bestätigte. Fix sei aber noch nichts.

Die Moderiesen begeben sich offenbar auf die Suche nach lukrativeren Standorten und hinterlassen dabei meist große, mehrstöckige Leerstände. Die Stadt Salzburg sei dabei kein Einzelfall, sagt Romina Jenei, Geschäftsführerin des Beratungsunternehmens RegioPlan und Expertin für Standortentscheidungen. In allen größeren Städten sei gerade ein Wandel im Besuchs- und Kaufverhalten in den historischen Stadtkernen bemerkbar.

Fotostrecke mit 3 Bildern

Leerstehende Geschäftslokale in der Getreidegasse
ORF
Einzelne Geschäftslokale in der Salzburger Altstadt stehen bereits seit mehreren Monaten leer
Leerstehende Geschäftslokale in der Getreidegasse
ORF
Auch Moderiese Zara hat die Getreidegasse verlassen und stattdessen seinen Store im Europark erweitert
Leerstehende Geschäftslokale in der Getreidegasse
ORF
Ein Grund für Leerstände sind auch die extrem hohen Mieten, die in Bestlagen verlangt werden

Innenstädte in Transformationsprozess

Mit einer Quote von rund vier Prozent gibt es in der Stadt Salzburg noch relativ wenige Leerstände im Handel. Dennoch befinde sich die Altstadt in einem Transformationsprozess, der nicht unterschätzt werden sollte, sagt Jenei. Das Kauf- und Konsumverhalten habe sich generell stark verändert, und „auch große Marken werden standortbewusster“, so Jenei.

„Wir beobachten seit etwa zehn Jahren einen massiven Einbruch im stationären Bekleidungshandel in Österreich. Das liegt einerseits am weiterhin wachsenden Onlinehandel, andererseits aber auch an einem generell veränderten Kaufverhalten. Menschen geben mittlerweile viel mehr Geld für Freizeit, Sport oder auch Urlaube aus. Durch die Pandemie hat der stationäre Handel noch mehr gelitten“, sagt Jenei. Die anhaltend hohe Inflation und die gestiegenen Energiekosten würden die Folgen nun endgültig sichtbar machen.

Tourismus ein wichtiger Faktor

Grundsätzlich sei diese Entwicklung in den meisten Innenstädten zu beobachten. In Touristenhochburgen wie Salzburg und Innsbruck seien die Auswirkungen aber besonders stark zu spüren, sagt Jenei: „In Salzburg hat der Tourismus sehr viel zum Einzelhandel beigetragen, und tatsächlich ist es so, dass die Nächtigungszahlen für Salzburg noch nicht wieder auf Vor-Corona-Niveau sind. In anderen Städten, etwa in Graz, ist das bereits der Fall.“

Dazu kommen hohe Mieten, die in Toplagen wie der Salzburger Getreidegasse und der Innsbrucker Maria-Theresien-Straße 130 bis 150 Euro pro Quadratmeter monatlich betragen. Bemerkenswert im Fall Innsbruck ist, dass hier die Mietpreise laut einer aktuellen Studie des Immobilienunternehmens Re/Max auch während der Pandemie gestiegen sind und trotz bescheidener Wirtschaftsprognosen bis Jahresende noch weiter steigen werden.

Hier bestimme einfach das eingeschränkte Angebot den Mietpreis, meint Stefan Krejci von Re/Max Commercial Austria. „Das Volumen an verfügbaren Handelsflächen in Bestlagen ist in Innsbruck einfach deutlich geringer als etwa in Salzburg oder Linz. Geschäftslokale in der Maria-Theresien-Straße sind extrem gefragt“, so Krejci.

Belebte Maria-Theresien-Straße in Innsbruck
IMAGO/Michael Kristen
Die Maria-Theresien-Straße in Innsbruck zählt zu den teuersten Pflastern Österreichs

Rezept für guten Branchenmix finden

Um eine Altstadt nicht nur touristisch lebendig zu halten, sondern auch Bewohnerinnen und Bewohner anzusprechen, brauche es vor allem einen guten Branchenmix – darüber sind sich Wirtschaftsexperten, Händler und Politik einig. Bleibt man beim Beispiel Salzburg, gehen hier die Meinungen darüber, wie man diesen Mix zusammenbringt, aber auseinander. Grundsätzlich passe die Zusammensetzung der Geschäfte und Lokale in der Salzburger Altstadt, meint etwa Bürgermeister Harald Preuner (ÖVP).

„Salzburg ist eine Kulturstadt. Die Gäste, die zu uns kommen, wollen Luxusmarken und hochpreisige Geschäfte. Souvenirläden sind oft nur Übergangslösungen, bis ein neuer, attraktiverer Mieter gefunden ist. Mit nur vier Prozent Leerstand steht Salzburg im europäischen Vergleich sehr gut da“, meint Preuner.

„Salzburg wird zu Hochglanzmuseum“

Ganz anders sieht das sein Stellvertreter, SPÖ-Vizebürgermeister Bernhard Auinger: „Die Altstadt ist für die Salzburgerinnen und Salzburger nicht mehr attraktiv. Es bräuchte wieder viel mehr Veranstaltungen und Feste, um Besucher in die Stadt zu bringen. Sonst wird Salzburg langsam, aber sicher zu einem Hochglanzmuseum.“

Ähnliches kommt von Baustadträtin Anna Schiester (Grüne): „Das Aussterben der Altstadt muss verhindert werden. Es gibt mittlerweile fast nur noch Luxusgeschäfte oder Souvenirläden.“ Vor allem für die Jugend gebe es zu wenige Angebote. Wie Auinger sieht auch Schiester den Salzburger Altstadtverband in der Pflicht. Doch dieser entgegnet, dass ihm die Hände gebunden seien. Die Vermieter alleine würden entscheiden, an wen sie ihre Geschäftsfläche vermieten wollen, heißt es.

Wenige Feste, viel Bürokratie

Bezüglich gezielter Veranstaltungen und Feste fordert auch FPÖ-Stadtpolitiker Dominic Maier mehr Initiative von den Verantwortlichen. Lediglich zwei große Straßenfeste gebe es etwa in der 152.000-Einwohner-Stadt: das Kaiviertel- und das Linzergassenfest, wobei Ersteres vor wenigen Tagen wieder abgesagt wurde.

Grund dafür waren Ungereimtheiten zwischen Veranstalter und Stadtpolitik und interne Streitereien. Der Veranstalter beklagte außerdem mangelndes Interesse der involvierten Händler. Eine verpasste Chance, meint Maier: „Diese Feste dienen nicht nur der Wiederbelebung der Altstadt abseits des Tourismus, sondern sind auch eine ökonomische Stärkung des ansässigen Handels und der Gastronomie. Vor diesem Hintergrund schmerzt der Ausfall des Kaiviertelfestes umso mehr.“

„Shopping als Monofunktion hat ausgedient“

Bewusst Veranstaltungen, Feste und andere Marketingmaßnahmen in Stadtzentren zu setzen, um aktiv Einfluss auf die innerstädtische Entwicklung zu nehmen, sieht RegioPlan-Beraterin Jenei als eine gute Möglichkeit. Es gehe vor allem darum, Menschen aus unterschiedlichen Gründen in die Stadt zu bringen und so die Besucherfrequenz zu erhöhen.

„Das kann einerseits über Fest funktionieren, über Märkte, mit denen man die Menschen regelmäßig in die Stadt lockt. Dafür braucht es aber genau das Angebot, das die Menschen mittlerweile suchen. Und hier geht es mehr um Versorgung und Freizeit – etwa Sporteinrichtungen, Betreuungseinrichtungen, Ärzte, Dienstleistungen – also Dinge, die die Menschen nicht von zu Hause aus online erledigen können. Shopping als Monofunktion einer Innenstadt hat ausgedient – eine Innenstadt braucht heute andere Funktionen“, erklärt Jenei.

Flexiblere Flächennutzung als eine Möglichkeit?

Auch Büros und verschiedene Ämter wären „Frequenzbringer“ – wichtig sei vor allem Vielseitigkeit. Zusätzlich könne die Politik über die Widmung von Geschäftsflächen Einfluss nehmen. „Händler bzw. Vermieter werden immer flexibler und wollen sich immer kürzer binden, maximal zwei bis drei Jahre. Würde gleichzeitig auch die Flächenwidmung flexibler und nicht nur für bestimmte Bereiche, würden viele Standorte für unterschiedliche Mieter attraktiver werden“, sagt die RegioPlan-Geschäftsführerin.

Hier sind Shoppingcenter deutlich im Vorteil, sie können den Branchenmix ganz aktiv gestalten und so gezielter auf die Bedürfnisse von Konsumentinnen und Konsumenten eingehen. Auch hier stellt Salzburg ein Spezifikum dar – Stichwort: Europark. Die Erweiterung eines der erfolgreichsten Einkaufszentren Österreichs – seit Jahren ein Politikum – dürfte wohl nur noch eine Frage der Zeit sein.

Europark in Salzburg
ORF.at/Georg Hummer
1997 gebaut, wurde der Europark in Salzburg 2004/05 erstmals erweitert. Die nächste Erweiterung könnte bald folgen.

Viele Auflagen durch Denkmalschutz

Immerhin hatte Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) den Ausbau des Europarks sogar auf der Liste seiner Koalitionsbedingungen zur Landtagswahl im April stehen. Ein Vorhaben, das Parteikollege Preuner kritisch sieht, bestehe doch die Gefahr, die Einkaufsmöglichkeiten in den verschiedenen Stadtteilen und insbesondere in der Altstadt wirtschaftlich zu schwächen und weiter auszudünnen. Doch ihm seien in Sachen Europark politisch die Hände gebunden.

Dem entgegnet Johann Höflmaier, Geschäftsführer der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer Salzburg, dass man den Europark nicht für Entwicklungen, die er nicht verursacht habe, verantwortlich machen könne. Innenstädte, gerade mit einem historischen Kern, würden oft kostspieligen Auflagen durch den Denkmalschutz unterliegen. Sie hätten zudem im Gegensatz zu Einkaufszentren wenig Einfluss auf den Branchenmix, und die Vermieter seien nicht immer kooperativ – gerade diese müssten umdenken, so Höflmaier.

Besuch in der Altstadt als Erlebnis

Selbst wenn der Europark demnächst erweitert werden sollte, könnten sowohl die Altstadt als auch das Einkaufszentrum nebeneinander bestehen, ergänzt Jenei: „Wenn der Europark das klassische Shoppingcenter ist, mit großen internationalen Marken, und die Innenstadt Versorger und Erlebnis bietet, kann es funktionieren.“

„Besucher, die in eine Innenstadt gehen, wollen vor allem ein gutes Gefühl bekommen, eine schöne Atmosphäre durch Kultur, Architektur, besondere Geschäfte, die man in einem Einkaufszentrum nicht unbedingt findet, erleben. Also: Erlebnis auf der einen und Versorgung auf der anderen Seite sind wichtige Faktoren, um die Menschen wieder vermehrt in die urbanen Bereiche zu bringen.“