Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Saudi-Arabien
Reuters/Alekhbariyatv
Gipfel der Arabischen Liga

Selenskyj überraschend in Saudi-Arabien

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist überraschend zum Gipfel der Arabischen Liga nach Saudi-Arabien gereist. Selenskyj landete am Freitag aus Polen kommend in der Küstenstadt Dschidda. Beim Gipfel warf Selenskyj dann einigen der insgesamt 22 Mitgliedsländern der Arabischen Liga mangelnde Unterstützung seines Landes gegen die russischen Invasoren vor.

„Leider drücken einige auf der Welt und hier in Ihrem Kreis ein Auge zu“, sagte Selenskyj bei dem Gipfeltreffen. Das gelte für Ukrainer und Ukrainerinnen in russischen Gefängnissen und „illegale Annexionen“. Einige Teilnehmer des arabischen Gipfels hätten „eine andere Ansicht zum Krieg auf unser Land und bezeichnen ihn als Konflikt“, sagte Selenskyj.

Die arabische Welt müsse helfen, das ukrainische Volk zu schützen, darunter auch die dort lebende muslimische Gemeinde, sagte Selenskyj. „Ich bin hier, damit jeder einen ehrlichen Blick machen kann – egal, wie sehr die Russen versuchen, Einfluss zu nehmen.“ Die Ukraine habe diesen Krieg nie gewählt. „Wir drängen die Besatzer aus unseren Gebieten“, sagte Selenskyj.

Selenskyj überraschend in Saudi-Arabien

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist überraschend zum Gipfel der Arabischen Liga nach Saudi-Arabien gereist. Selenskyj landete am Freitag aus Polen kommend in der Küstenstadt Dschidda. Beim Gipfel warf Selenskyj dann einigen der insgesamt 22 Mitgliedsländer der Arabischen Liga mangelnde Unterstützung seines Landes gegen die russischen Invasoren vor.

Von König Salman als Ehrengast eingeladen

Der saudische König Salman hatte Selenskyj Diplomatenkreisen zufolge als Ehrengast zum jährlichen Gipfeltreffen der Liga eingeladen. Die Golfstaaten pflegen meist gute Beziehungen mit Russland und bemühen sich im Ukraine-Krieg um Neutralität.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Saudi-Arabien
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Selenskyj bei seiner Ankunft auf dem Flughafen von Dschidda

Wie Selenskyj via Twitter mitteilte, handle es sich um seinen ersten Besuch in Saudi-Arabien. „Wir sind bereit, unsere Zusammenarbeit auf eine neue Stufe zu heben“, wie der ukrainische Präsident kurz vor seiner Ankunft mitteilte. In Dschidda werde er Kronprinz Mohammed bin Salman treffen und weitere bilaterale Gespräche führen.

Verweis auf „Friedensformel“

„Unsere Prioritäten sind die Rückkehr unserer politischen Gefangenen von der Krim und den zeitweilig besetzten Gebieten, die Rückkehr aller Gefangenen und gesetzwidrig Deportierten“, schrieb Selenskyj. Im Fokus stünden außerdem „die Vorstellung unserer Friedensformel, zu deren Umsetzung möglichst viele Staaten hinzugezogen werden müssen“, sowie „die Garantie der Energiesicherheit im nächsten Winter“. Es gehe aber etwa auch um den Schutz der islamischen Gemeinschaft der Ukraine.

Die Arabische Liga wurde 1945 gegründet und zählt 22 Mitglieder. Ziel ist eine noch stärkere Zusammenarbeit etwa in Politik und Wirtschaft sowie die Schlichtung von Konflikten. Auf dem Gipfel der Organisation dürfte es unter anderem um die Lage im Sudan, im Jemen und in Syrien gehen.

Für Golfstaaten schwierige Lage

Die Teilnahme Selenskyjs biete eine Gelegenheit, um über eine Lösung des Konflikts zu sprechen, hieß es arabischen Diplomaten in Riad zufolge vorab. Dabei könnten auch Wege zur Aufnahme direkter Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew diskutiert werden, hieß es. Saudi-Arabien hat sich mehrfach als Vermittler angeboten. Außenminister Faisal bin Farhan besuchte im Februar und März Kiew und Moskau und traf dort seine Amtskollegen beider Länder.

Geht es nach Gerald Feierstein vom Washingtoner Middle East Institute (MEI) hat der russische Angriffskrieg die Golfstaaten in eine unangenehme Lage gebracht. Sie stünden unter Druck, zwischen ihrer historischen Partnerschaft mit den USA und ihren wachsenden wirtschaftlichen und politischen Bindungen an Russland entscheiden zu müssen, schrieb Feierstein bereits kurz nach Ausbruch des Krieges im vergangenen Jahr. „Während Europa brennt, verstecken sich die Golfstaaten unter dem Tisch.“

Auch Syrien wieder am Tisch

Interessant könnte nun auch eine mögliche Begegnung Selenskyjs mit Syriens Präsident Baschar al-Assad sein, der nach Jahren der Isolation erstmals wieder an einem Gipfel der Liga teilnimmt. Assad ist im syrischen Bürgerkrieg eng mit Russland verbündet, das zur Unterstützung der Regierungstruppen seit 2015 Ziele in Syrien bombardiert. Syrien war im März 2022 auch eines von nur fünf Ländern, die in der UNO-Vollversammlung gegen eine Resolution stimmten, in der Russlands Invasion verurteilt und ein Truppenabzug gefordert wird.

Die Arabische Liga nahm Syrien im Mai wieder auf – Saudi-Arabien lud Assad in direkter Folge nach Dschidda ein. Bereits zuvor hatten mehrere Staaten in der Region Syrien Entgegenkommen signalisiert. 2018 hatten die Vereinigten Arabischen Emirate ihre Beziehungen zu Damaskus wieder aufgenommen, später lud der Golfstaat Assad zur UNO-Klimakonferenz ein, die im November in Dubai stattfinden soll.

Karim El-Gawhary über den Gipfel der Arabischen Liga

ORF-Korrespondent Karim El-Gawhary berichtet über die Wiederaufnahme des syrischen Diktators Baschar al-Assad in den Kreis der Arabischen Liga und die Gipfelteilnahme des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.

Assad sprach bei seiner Rede von einer „historischen Gelegenheit“ für die Region. „Ich hoffe, dass dieser Gipfel den Beginn einer neuen Phase arabischen Handelns in Solidarität markieren wird“, sagte er. Ziel sei „Frieden in unserer Region für Entwicklung und Wohlstand statt Krieg und Zerstörung“. Die Länder hätten nun die Chance, ihre „Angelegenheiten neu zu ordnen – weg von ausländischer Einflussnahme“.

Kehrtwende von Saudi-Arabien

Saudi-Arabien hatte die Beziehungen zu Assads Regierung im Jahr 2012 abgebrochen. Danach setzte Riad sich lange offen für den Sturz des Machthabers ein und unterstützte im syrischen Bürgerkrieg Rebellengruppen. Nun ist es der Regionalmacht – auch angesichts der militärischen Erfolge des von Russland und dem Iran unterstützten Assad – offenbar wichtiger, sich als Vermittlerin in der Region zu präsentieren.

Zu den Gegnern der Wiederannäherung an Syrien zählt indes Katar. Das Golfemirat will seine Beziehungen zu Damaskus zunächst nicht normalisieren, stellt sich aber der Wiederaufnahme in die Arabische Liga nicht entgegen. Begünstigt wird die Wiederannäherung an Syrien auch durch die von China vermittelte Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den lange rivalisierenden Regionalmächten Saudi-Arabien und Iran.

Proteste in Syrien

Gegen Syriens Wiederaufnahme in die Arabische Liga und Assads Gipfelteilnahme kam es nach Angaben der in Großbritannien sitzenden Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte in Syrien zu Protesten. „Der Kriminelle Assad repräsentiert Syrien nicht“, lautete der Slogan der Proteste, wie die sich auf ein Netz von Informanten in Syrien stützende Beobachtungsstelle am Freitag weiter mitteilte. Proteste gab es in al-Bab und Afrin im Norden Aleppos sowie in Idlib.

Die Teilnehmer riefen Parolen der Aufstände von 2011. Die Annäherung zu Assad gehe „auf Kosten des Blutes des syrischen Volks“. Auf Schildern war zu lesen, dass die Anführer der anderen arabischen Länder „ihr Gewissen verkauft“ hätten. Auf anderen wurde Assad als „Kriegsverbrecher“ und „Kindstöter“ bezeichnet. Assads Regierung ging gegen Proteste 2011 und im darauffolgenden Bürgerkrieg mit äußerster Härte gegen die Bevölkerung vor. Dem Machthaber werden Kriegsverbrechen wie der Einsatz von Giftgas und Folter vorgeworfen.