Regenbogenparade am Rathausplatz in Wien
APA/Eva Manhart
Anschlagspläne

U-Haft für zwei jugendliche Verdächtige

Im Zusammenhang mit einem möglicherweise geplanten islamistischen Anschlag auf die Regenbogenparade für LGBTQ-Rechte, die am Samstag in Wien stattgefunden hat, ist über zwei Verdächtige im Alter von 14 und 17 Jahren die U-Haft wegen Tatbegehungsgefahr verhängt worden. Das Landesgericht St. Pölten gab hinsichtlich der beiden Jugendlichen einem entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft St. Pölten Folge. Die Frist laufe bis 3. Juli, so eine Sprecherin des Gerichts am Montag auf APA-Anfrage. Ein dritter Verdächtiger wurde dagegen enthaftet.

Wie der Sprecher der St. Pöltner Anklagebehörde, Thomas Korntheuer, am Sonntagabend der APA mitteilte, ging das Gericht bei dem 20-Jährigen nicht von dringendem Tatverdacht aus. Der ältere Bruder des 17-Jährigen konnte damit die Justizanstalt St. Pölten verlassen, in die die drei Burschen eingeliefert worden waren, nachdem man sie Samstagmittag festgenommen hatte.

Die Enthaftung sei noch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft kann noch Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen. Die Staatsanwaltschaft St. Pölten ermittelt gegen die mutmaßlichen Islamisten derzeit wegen terroristischer Vereinigung (§278b StGB) und krimineller Organisation (§278a StGB).

Die Zuständigkeit der St. Pöltner Anklagebehörde begründet sich im Wohnsitz der Brüder, die in St. Pölten gemeldet sind. Der 14-Jährige lebt in Wien. Vonseiten des Gerichts gab es keine Auskünfte darüber, ob und wie sich die Beschuldigten im Rahmen der Haftverhandlung zu den Vorwürfen geäußert haben.

Anschlagspläne: U-Haft verhängt

Im Zusammenhang mit einem möglicherweise geplanten islamistischen Anschlag auf die Regenbogenparade für LGBTQ-Rechte, die am Samstag in Wien stattgefunden hat, ist über zwei Verdächtige im Alter von 14 und 17 Jahren die U-Haft verhängt worden. Das Landesgericht St. Pölten gab hinsichtlich der beiden Jugendlichen einem entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft St. Pölten Folge. Ein dritter Verdächtiger wurde dagegen enthaftet.

„Keine konkrete Gefährdungslage“ für Parade

Nach Angaben des Leiters der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), Omar Haijawi-Pirchner, war die Festnahme der drei Verdächtigen am Samstag um 12.00 Uhr erfolgt – und damit eine Stunde bevor sich der Paradezug in Bewegung setzte. Auf die Frage, ob eine Absage der Veranstaltung im Raum stand, meinte Haijawi-Pirchner gegenüber der APA, das sei im Vorfeld „natürlich diskutiert“ worden. Man habe sich dagegen entschieden, weil aufgrund fundierter und gesicherter Ermittlungserkenntnisse ausgeschlossen werden konnte, dass die drei Burschen Komplizen hatten. Es habe zu Beginn der Veranstaltung „keine konkrete Gefährdungslage“ mehr bestanden.

Karner mit Lob für Behörden

Hier setzte am Montag auch Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) am Rande einer Veranstaltung in Wien ein und lobte das Vorgehen der Behörden. Auch dass die Öffentlichkeit erst am Sonntag informiert wurde, sei „wohlüberlegt“ und „sachlich begründet“ gewesen.

Es stehe aus kriminaltechnischer Sicht immer die „Sicherheit der Menschen im Fokus“, so der Minister. Es habe sich um eine „sensible Situation“ gehandelt: Es gehe „um das Recht auf Information, aber auch um das Recht auf Sicherheit“. „In diesem Spannungsfeld hat die DSN-Direktion das durchgeführt.“ Die Organisation der Parade habe sich auch für das Vorgehen bedankt, sagte Karner.

Das Wichtigste sei, dass der Verfassungsschutz drei mutmaßliche Islamisten aus dem Verkehr gezogen habe, so der Minister. Es hätten im Vorfeld entsprechende Ermittlungen stattgefunden, „immer in enger Abstimmung mit der Justiz“. Zu den weiteren Ermittlungsschritten hielt sich der Ressortchef bedeckt. „Der Zugriff hat vor Kurzem stattgefunden“, zwei Personen seien aktuell in U-Haft, verwies er auf die aktuelle Situation. Die Ermittlungen würden laufen, vor allem die Datenauswertung von elektronischen Geräten, hieß es seitens seines Büros zur APA.

Schon im Fokus der Ermittler

Die Verdächtigen waren in den Fokus des Staatsschutzes geraten, weil sie laut Haijawi-Pirchner der radikalislamistischen Szene angehören und sich im Internet einschlägig in diese Richtung betätigt haben sollen. Dabei waren sie Beamten der DSN aufgefallen. Gegen einen von ihnen wurde in der Vergangenheit bereits wegen terroristischer Vereinigung (§ 278b StGB) ermittelt, dieses Verfahren wurde von der zuständigen Staatsanwaltschaft eingestellt.

Bekanntlich dürfte sich der Wien-Attentäter, der am 2. November 2020 in der Bundeshauptstadt einen Terroranschlag verübte und dabei vier Unbeteiligte erschoss, unter anderem in der Wohnung eines islamistischen Predigers in St. Pölten radikalisiert haben.

Kein direkter Kontakt zu Wien-Attentäter

Nach derzeitigem Ermittlungsstand kannten die nunmehr festgenommenen Verdächtigen weder den Attentäter noch den salafistischen Prediger Argjend G., dessen Wohnung in St. Pölten der spätere Wien-Attentäter mehrmals aufgesucht hatte, persönlich, wie Haijawi-Pichner auf APA-Anfrage erläuterte. Allerdings dürften sie in Chatgruppen im Internet mit Personen aus diesem Umfeld zusammengetroffen sein. „Die Gruppe der Islamisten wird immer größer. Und jünger“, betonte der DSN-Direktor.

Für die Teilnehmer an der Parade habe „zu keiner Zeit eine dezidierte Gefahr bestanden“, hatte Haijawi-Pirchner zuvor schon auf der Pressekonferenz versichert. Der DSN habe im Vorfeld Kenntnis über die mutmaßlichen Pläne der online radikalisierten und mit dem Islamischen Staat (IS) sympathisierenden Verdächtigen erhalten, sie „unter ständiger Kontrolle“ gehalten und nach Hausdurchsuchungen am Samstag, die diverses Beweismaterial, darunter Waffen, zutage förderten, auf Anordnung der Staatsanwaltschaft St. Pölten festgenommen.

Parade als „mögliches Ziel“

Die drei jungen Männer, österreichische Staatsbürger bosnischer bzw. tschetschenischer Herkunft, hätten einen Anschlag „mit Messer oder Kfz“ durchzuführen geplant, hieß es. Sie hätten einen „Anschlag in Wien“ geplant gehabt, mit der Regenbogenparade als „mögliches Ziel“. Der 14-Jährige ist tschetschenischer Herkunft, die beiden anderen stammten ursprünglich aus Bosnien, wie der DSN-Chef ausführte.

Wie Haijawi-Pirchner ausführte, habe zu keiner Zeit eine „dezidierte Gefahr“ bestanden. Die mutmaßlichen Täter seien „engmaschig“ überwacht worden. Diese hätten online Inhalte des IS geteilt. Auch Hinweise auf Waffenkäufe im Ausland habe man erhalten. Das Trio wurde noch vor dem Beginn der Parade von Kräften des Einsatzkommandos Cobra festgenommen.

Beweismaterial wird ausgewertet

Nun müsse das umfangreiche Beweismaterial, darunter Handys, Waffen, Wurfsterne, Gasdruckwaffen sowie ein Säbel und die sichergestellten Datenträger, ausgewertet werden. Die Hausdurchsuchungen hätten in Wien und St. Pölten stattgefunden. Die Staatsanwalt St. Pölten hat die Festnahme der drei angeordnet.

Sichergestellte Waffen
DSN
Die Hausdurchsuchungen förderten einiges zutage

Einer der Verdächtigen habe zudem über ein Fahrzeug verfügt. Dazu seien aber weitere Ermittlungen notwendig, ob er dieses auch einsetzen habe wollen. Auch müsse erst untersucht werden, ob die Gasdruckwaffen eventuell umgebaut oder adaptiert worden seien. Im Ö1-Morgenjournal am Montag sagte Haijawi-Pirchner, dass die Auswertung „noch einige Zeit“ in Anspruch nehmen werde. Konkrete Ergebnisse wollte er nicht mitteilen, es handle sich aber um ein „fundiertes“ Ermittlungsergebnis, „sonst hätte die Justiz nicht so entschieden, wie sie entschieden hat.“

Panikreaktion sollte vermieden werden

Der Veranstalter der Regenbogenparade sei erst am Sonntag über die Geschehnisse informiert worden. Man habe keine Panikreaktionen unter den Teilnehmern erzeugen wollen, zumal der Polizeizugriff ja schon erfolgt gewesen sei. Laut Haijawi-Pirchner sollen die drei bereits entsprechende Vorbereitungshandlungen durchgeführt haben: „Es gab ein entsprechendes Gefahrenmoment im Vorfeld, das aber ganz abgefangen werden konnte.“

Inwieweit sich das Gefahrenmoment konkretisiert hatte, wollte Haijawi-Pirchner mit dem Hinweis auf die laufenden Ermittlungen nicht sagen. Die Gefährdung der LGBTQ-Community habe zuletzt jedenfalls zugenommen – „nicht nur von islamistischer, sondern auch von rechtsextremer Seite“, wie der DSN-Direktor gegenüber der APA bemerkte. Es sei Aufgabe des Staates und seiner Behörden, diese Gruppe vor Angriffen zu schützen.

„Kein Bedrohungsszenario“ für Abschlusskundgebung

Für die an der Regenbogenparade teilnehmenden Politiker seien die entsprechenden Sicherungs- und Schutzkonzepte am Samstag umgesetzt worden. Wie diese genau ausgesehen haben, wollte der DSN-Leiter nicht verraten, um diese in Zukunft nicht zu gefährden. Auf Nachfrage der APA erklärte Haijawi-Pirchner, gegen Künstler, die im Rahmen der bzw. bei der Abschlusskundgebung der Regenbogenparade auf dem Rathausplatz auftraten, habe es kein Bedrohungsszenario gegeben. An der Parade hatte unter anderen Conchita Wurst teilgenommen, die immer wieder Anfeindungen ausgesetzt ist, auf dem Rathausplatz legte der offen bisexuelle deutsche DJ Felix Jaehn auf.

700 Beamte im Einsatz

Die Wiener Polizei habe „alle erdenklichen Maßnahmen und Vorkehrungen“ getroffen, um die Veranstaltung zu sichern, sagte Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl. Insgesamt standen 700 Beamte im Einsatz, darunter wegen der Warnung durch den Staatsschutz auch Spezialkräfte. Die größte Gefährdung gehe von radikalisierten Einzeltätern aus, die aus eigenem Antrieb oder über Auftrag bzw. in Absprache mit terroristischen Organisationen handelten, so Pürstl: „Einzelattacken müssen wir immer im Fokus haben.“ Gerade die LGBTQ-Community stelle für viele ein „intensives Feindbild“ dar.

Wie DSN-Direktor Haijawi-Pirchner mitteilte, waren auch etliche Polizistinnen und Polizisten aus den Bundesländern beigezogen worden, um die Sicherheit der Veranstaltung gewährleisten zu können. Haijawi-Pircher schätzte, dass – alle Einsatzkräfte zusammengenommen – insgesamt rund 3.000 Beamtinnen und Beamte im Zusammenhang mit der Parade Dienst versehen haben dürften.

Katharina Kacerovsky-Strobl, Organisatorin der Veranstaltungsreihe Vienna Pride mit der Regenbogenparade auf dem Wiener Ring als Höhepunkt, sagte in einer ersten Stellungnahme auf APA-Anfrage, was die Bedrohung für die Durchführung des Großevents bedeuten könnte: „Wir hoffen, uns für die Zukunft gemeinsam mit der Stadt Wien noch besser im Hinblick auf solche Gefahren aufstellen zu können.“

DSN pocht auf mehr Befugnisse bei Überwachung

Auf die Frage, wie man die Szene künftig besser im Blick behalten könne, sagte Haijawi-Pirchner im Morgenjournal, dass mehr Personal zwar immer begrüßenswert sei, man habe aber derzeit „auf jeden Fall genug Personal um die Bedrohungen, die in Österreich derzeit bestehen, gut unter Kontrolle zu haben.“ Gleichzeitig sagte er, dass es „gut wäre“, im „Einzelfall“ bei Gefährderinnen und Gefährdern „die Kommunikation besser überwachen“ zu können. Diese finde oft über verschlüsselte Kanäle statt, er verwies aber auch auf etwa Chatfunktionen von Videospielen, bei der es „leider keine Möglichkeit“ gebe, die „Kommunikation zu überwachen.“

Karner: „Einzelne Gefährder aus dem Verkehr ziehen“

In eine ähnliche Kerbe schlug auch Karner: Gefragt, ob die Behörden zu wenig Zugriffsmöglichkeiten auf Messengerdienste haben, sagte der Minister, es sei „Teil des Regierungsprogrammes, dass es hier zu Änderungen kommen soll“. „Weil hier sind wir nicht mehr modern und zeitgemäß.“ Moderne Nachrichten-und Messengerdienste könne man derzeit „nicht mehr überwachen“. Gleichzeitig betonte er, dass es „nicht um Massenüberwachung“ gehe. „Es geht darum, die einzelnen Gefährder, die es zweifelsohne gibt, aus dem Verkehr zu ziehen. Da braucht die Polizei die entsprechenden Befugnisse und Kompetenzen dazu“, so Karner, ohne konkret zu werden.