Migranten an der österreichischen Grenze
APA/Erwin Scheriau
Kritik an Umgang mit geflüchteten

NGOs sehen dringenden Handlungsbedarf

Mehrere NGOs haben anlässlich des Weltflüchtlingstages am Dienstag in einer gemeinsamen Pressekonferenz an die schwarz-grüne Bundesregierung und insbesondere an Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) appelliert, „die Jammerei zu beenden und endlich ins Tun zu kommen“. Seitens der Zivilgesellschaft lägen genügend Vorschläge auf dem Tisch, diese müssten nur umgesetzt werden. Dringender Handlungsbedarf bestehe etwa beim Teuerungsausgleich für Quartiergeber von Geflüchteten aus der Ukraine.

Auch brauche es Vorschläge, wie es mit den Geflüchteten aus der Ukraine weitergehen soll, wenn der temporäre Schutz im kommenden Jahr endet, sagte Lukas Gahleitner-Gertz von der asylkoordination österreich, der gleichzeitig das zivilgesellschaftliche Engagement hervorhob. Etwa würden 70 Prozent der aus der Ukraine Geflüchteten nach wie vor privat untergebracht. „Die Quartiergeber brauchen staatliche Unterstützung, bekommen sie aber nicht.“

Statt „Abschieberhetorik, Symbolpolitik“ und des Bauens von „Luftschlössern“ seien dringend Maßnahmen nötig, so der Appell der gemeinsamen Pressekonferenz von Amnesty International, asylkoordination österreich, Diakonie, SOS Balkanroute, Train of Hope und Volkshilfe. Es sei „absurd“, dass die Zivilgesellschaft das „Systemversagen“ der Regierung „im großen Stil“ kompensieren müsse, kritisierte Nina Andresen (Train of Hope).

Versorgung ohne Zivilgesellschaft „deutlich schlechter“

Es hätten nämlich nur dank der Freiwilligen Versorgungsstrukturen aufgebaut und aufrechterhalten werden können. „Ohne Zivilgesellschaft wäre die Versorgung der Ukraine-Vertriebenen deutlich schlechter gelungen.“

In Vorarlberg unterstützte der Verein Vindex im Vorjahr rund 700 Menschen – vor allem afghanische Männer bei Familienzusammenführungen. Nun ist dem Verein aber das Geld ausgegangen. Man arbeite noch die rund 20 offenen Fälle ab, sagte Vindex-Obfrau Eva Fahlbusch, danach sei aber Schluss mit den Beratungen – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Grundversorgung dauerhaft nicht geeignet

Für Christoph Riedl von der Diakonie sollten die Ukraine-Flüchtlinge in die Sozialhilfe transferiert werden. Denn die Grundversorgung sei für eine dauerhafte Unterbringung nicht geeignet und sollte einen gewissen Zeitraum nicht überschreiten. Überhaupt gehöre das System der Grundversorgung „total“ reformiert, findet Riedl.

Darüber hinaus brauche es einen freien Zugang zum Arbeitsmarkt für Flüchtlinge, argumentierte wiederum Silvia Zechmeister von der Volkshilfe. „Bei unserem Fachkräftemangel ein Gebot der Stunde.“ Derzeit sei das nur in Ausnahmefällen erlaubt. Weil viele der Asylwerber „extrem traumatisiert“ seien, sei auch der Ausbau von psychosozialen Einrichtungen dringend nötig, so Zechmeister. Und im ländlichen Bereich müssten Bildungsmöglichkeiten und Sprachkurse ausgebaut werden.

Migranten im Erstaufnahmezentrum Thalham in St. Georgen im Attergau
APA/Barbara Gindl
Geflüchtete bei dem Erstaufnahmezentrum Thalham in St. Georgen im Attergau

Auch die Kärntner Flüchtlingsreferentin Sara Schaar (SPÖ) sprach sich anlässlich des Weltflüchtlingstages für mehr Deutschfördermaßnahmen als Schlüssel zur Integration aus. Diese würden oft zu spät ansetzen, so Schaar. Hier seien Maßnahmen des Bundes gefragt. Man müsse als Bundesland derzeit selbst Geld in die Hand nehmen, das koste jährlich 250.000 Euro – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

Forderung nach angemessener Betreuung

Eine angemessene Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen „ab dem ersten Tag“ verlangte Stephan Handl von Amnesty International. Österreich sei das Land, in dem die meisten unbegleiteten Kinder Asyl beantragen. Vier von fünf würden einen Aufnahmestatus hierzulande erhalten und könnten bleiben, so Handl.

„Das Problem ist, die meisten, die ankommen, schaffen es nicht bis zu dem Punkt.“ Über 80 Prozent würden wieder verschwinden. „Niemand weiß, was mit diesen Kindern passiert.“ Das sei eine „menschenrechtliche Bankrotterklärung“.

SOS Balkanroute übt scharfe Kritik an Regierung

Scharfe Kritik an der Bundesregierung und an der EU übte der Obmann von SOS Balkanroute, Petar Rosandic. Jeder wisse mittlerweile, dass die EU-Außengrenze eine „rechtsfreie Zone“ sei. Die jüngste Schiffstragödie sei ein Beispiel dafür.

Dass gemeinsam etwas bewirkt werden könne, zeige jedoch der aktuelle Erfolg der Verhinderung des „illegalen Flüchtlingslagers Lipa bei Bihac in Bosnien, erbaut von der ÖVP-nahen Organisation ICMPD mit Sitz in Wien“. Dort habe man Menschen ohne Urteil und Rechtsgrundlage einsperren wollen.

Die Verhinderung des illegalen Gefängnisses sei eine „bitternotwendige Watsche“ gewesen, „nicht nur für die neokoloniale Westbalkanpolitik der Bundesregierung, sondern auch für die gesamte Externalisierungspolitik der EU“, sagte Rosandic. Kritik übte er daran, dass das ICMPD nun versuche, seine NGO und ihn mit „Slapp-Klagen mundtot zu machen“.

Auch Appelle aus Politik

Auch aus der Politik kamen Appelle. Die Grünen plädierten für Mut und Solidarität statt Angstmache und Abschottung. „Neben einer koordinierten Seenotrettung im Mittelmeer braucht es für Schutzsuchende vor allem auch eines: legale Fluchtwege nach Europa“, sagte die grüne Nationalratsabgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic in einer Aussendung.

Die Integration von Flüchtlingen sei der „wirksamste Weg, sie bei der Wiederaufnahme ihres Lebens zu unterstützen und sie in die Lage zu versetzen, zum guten Zusammenleben in unserem Land beizutragen“, sagte wiederum SPÖ-Bereichssprecherin für globale Entwicklung, Petra Bayr. Bereits am Montag hatte NEOS-Asylsprecherin Stephanie Krisper als „gemeinsame Aufgabe der Europäischen Union“ gefordert, effizienter in Krisenregionen zu helfen und für legale Fluchtrouten, faire Aufteilung und rasche Verfahren zu sorgen.

FPÖ gegen „Deckmantel für illegale Masseneinwanderung“

Anders sehen das die Freiheitlichen: FPÖ-Chef Herbert Kickl sagte, dass Asyl „Schutz auf Zeit“ bedeute und „kein Deckmantel für illegale Masseneinwanderung“ sein dürfe. Das sei auch die Intention der Genfer Flüchtlingskonvention, die diesen Schutz im nächstgelegenen sicheren Land vorsieht, sagte er. Dieses Recht sei ein „hohes Gut“ und dürfe nicht mit „illegaler Einwanderung“ vermischt werden.

Derartige Versuche ortet Kickl jedoch bei der EU, der schwarz-grünen Bundesregierung und NGOs: „Tatsächlich Verfolgte, die Schutz suchen und nicht mit dem Ziel eines besseren Lebens in wirtschaftsstarken Staaten mit gut ausgebauten Sozialsystem, wie etwa Österreich, durch eine Vielzahl sicherer Staaten reisen, werden dadurch unsichtbar gemacht.“ Einmal mehr verwies Kickl auf die freiheitliche Forderung nach einer „Festung Österreich“ und forderte ein sofortiges Aussetzen des Asylrechts. Österreich sei ausschließlich von sicheren Staaten umgeben.