Teilnehmer der Regenbogenparade
APA/Eva Manhart
Anschlagspläne auf Regenbogenparade

Warnungen aus dem Ausland schon im März

Schon im März soll ein ausländischer Nachrichtendienst die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) vor einem geplanten Anschlag auf die Regenbogenparade (Pride-Parade) am Wochenende in Wien gewarnt haben. Auslöser dafür sollen Chats gewesen sein, in denen einer der drei Verdächtigen den Kauf von Waffen ankündigte. Es handelt sich um jenen 17-Jährigen, der laut Angaben von DSN-Chef Omar Haijawi-Pirchner bereits zuvor im Fokus des Verfassungsschutzes gestanden sei.

Im November 2022 erging über die Staatsanwaltschaft St. Pölten unter anderem zu dem versuchten Ankauf eines AK-47-Sturmgewehrs eine Ermittlungsanordnung gegen den in St. Pölten wohnhaften Jugendlichen wegen des Verdachts auf terroristische Vereinigung, kriminelle Organisation und gefährliche Drohung. Das niederösterreichische Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) führte umfangreiche Erhebungen und Befragungen durch, bei seiner Beschuldigteneinvernahme stellte der Bursch in Abrede, er habe ein Sturmgewehr kaufen wollen.

Es habe sich dabei um einen „Scherz“ gehandelt. Tatsächlich wurde das Verfahren gegen den mutmaßlichen Islamisten von der Staatsanwaltschaft St. Pölten am 17. Februar eingestellt. Leopold Bien, Sprecher der Anklagebehörde in der niederösterreichischen Landeshauptstadt, bestätigte das am Mittwoch auf APA-Anfrage. Die dem Verfahren zugrunde liegende Verdachtslage habe sich nicht erhärtet. Aus Chats habe sich keine strafrechtliche Relevanz ergeben.

Warnung vor „Abdullah“

Zehn Tage danach warnte allerdings ein ausländischer Partnerdienst die DSN erstmals vor einem Unterstützer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) mit dem Spitznamen „Abdullah“, der in Kontakt mit Islamisten in Belgien und der Ukraine stehe. . Das sei „eine andere Verdachtslage“ gewesen, sagte dazu Bien am Mittwoch. Die in Belgien befindliche Kontaktperson war Mitte Februar von den belgischen Behörden festgenommen worden, weil dieser Mann einen Terroranschlag auf eine Kathedrale in Brüssel geplant haben soll.

Chats zu Anschlagsplänen schon im März

In weiterer Folge soll „Abdullah“ mit der ukrainischen Kontaktperson für das Frühjahr 2023 ein Terrorattentat geplant haben, wobei „Abdullah“ als Anschlagsziel die Regenbogenparade in Wien, die sich für die Rechte der LGBTQ-Community starkmacht, ins Treffen führte – entsprechende Informationen lieferte jedenfalls der ausländische Partnerdienst am 7. März den heimischen Behörden, offenbar unter Auswertung von über Messengerdienste übertragene Daten.

Der ausländische Nachrichtendienst verwies außerdem darauf, dass „Abdullah“ den Ankauf einer AK-47 sowie einer Machete in Tschechien plane. Just eine nachgebaute AK-47 sowie eine Machete hatte bekanntlich der Wien-Attentäter vom 2. November 2020 verwendet, der in der Innenstadt vier Menschen getötet hatte, ehe er von der Polizei erschossen worden war.

Waffenfunde bei Hausdurchsuchungen

Den nunmehr vorliegenden Erhebungsergebnissen zufolge soll es sich nach Ansicht der Ermittlungsbehörden bei „Abdullah“ zweifelsfrei um den 17-jährigen St. Pöltner handeln, an dessen Adresse am Wochenende auch eine Hausdurchsuchung durchgeführt wurde. Dabei wurden neben Datenträgern auch verbotene Waffen sichergestellt. Für den Burschen gilt die Unschuldsvermutung – ebenso für seinen auf freiem Fuß befindlichen 20 Jahre alten Bruder sowie einen 14-jährigen HTL-Schüler aus Wien.

Die drei sollen einer radikalislamischen, international zusammengesetzten Telegram-Gruppe mit rund zehn Teilnehmern angehört haben, die sich dem IS bzw. dem in Süd- und Zentralasien aktiven IS-Ableger Islamischer Staat in der Provinz Khorasan (ISKP) verpflichtet fühlten. In der Chatgruppe sollen unter anderem Anschlagspläne erörtert worden sein, der 14-Jährige soll auf sein Smartphone eine Anleitung zum Bau einer Sprengvorrichtung heruntergeladen und Ausreisepläne verfolgt haben, um sich als Kämpfer dem IS anzuschließen.

Anwalt bestreitet Anschlagspläne

Der Anwalt der beiden Jugendlichen, die vor der Regenbogenparade am Samstag aufgrund eines Anschlagsverdachts festgenommen wurden, bestritt die Pläne in einer nächtlichen Pressekonferenz.

14-Jähriger will nur „neugierig“ gewesen sein

In seiner ersten Beschuldigtenvernehmung unmittelbar nach seiner Festnahme hatte sich der inhaftierte 14-Jährige als gläubigen Muslim bezeichnet, aber radikale Tendenzen und Sympathien für den IS bestritten. Er bete fünfmal täglich, gehe „ab und zu zum Freitagsgebet“ und besuche eine Moschee.

Sein Wissen über Religion habe er über YouTube und TikTok bezogen, gab er zu Protokoll. „Möglicherweise“ habe er auch IS-Propagandamaterial und eine Bombenbauanleitung heruntergeladen. Er sei „sehr neugierig“ gewesen: „Ich wollte einfach wissen, was die so teilen.“ Er habe auch Postings verfasst.

Auf die Frage, was er von der Regenbogenparade der LGBTQ-Community und den an dieser teilnehmenden Menschen halte, erwiderte der 14-Jährige: „Ich bin kein Fan davon, ich mag sie eigentlich nicht. Ich weiß aber nicht viel darüber und will da nicht ins Detail gehen.“

Anwalt dementiert Anschlagspläne

Sein Verteidiger Andreas Schweitzer versicherte am Dienstagabend gegenüber Medienvertreterinnen und -vertretern, sein Mandant habe „sicher keinen Anschlag auf die Parade geplant“ und die Schule abschließen wollen. Schweitzer räumte ein, der 14-Jährige habe sich in einer Chatgruppe „über den IS informiert und Gräuelvideos geschaut“, aber keine terroristischen Absichten verfolgt und kenne die beiden anderen Beschuldigten nicht einmal, wie das Ö1-Morgenjournal am Mittwoch berichtete. Schweitzer kritisierte zudem die DSN. „Meine einzige Erklärung ist, dass man hier versucht, den Bundestrojaner zu argumentieren, dass man hier in Chats hineinkommt.“ Das sei ein politisches Kalkül, so der Anwalt.

Dass nun über die Akteneinsicht weitere Details zur Verdachtslage gegen die drei mutmaßlichen Islamisten bekanntwerden und die Ermittlungen beeinflussen könnten, sorgt in der DSN für Beunruhigung. So sei eine verdächtige Kontaktperson in der Ukraine nicht in Haft, berichtete das Ö1-Mittagsjournal am Mittwoch.

DSN nicht erfreut über Veröffentlichung von Aussagedetails

„Es ist schwierig, wenn so wie in diesem Fall in einem Bericht alle Ergebnisse drinnen sind, die zweifellos für die weitere Bewertung durch die Justiz erforderlich sind, dann an die Öffentlichkeit gespielt werden“, sagte DNS-Direktor Haijawi-Pirchner gegenüber Ö1. Schließlich gehe es um die Zusammenarbeit mit ausländischen Partnerdiensten. Als Verfassungsschützer sehe er es als problematisch an, wie bei Gerichtsverfahren mit nachrichtendienstlichen Informationen umgegangen werde.

In anderen Ländern sei es möglich, die Akteneinsicht zu beschränken, wenn nachrichtendienstliche Informationen enthalten sind. Wenn Informationen von ausländischen Partnerdiensten in Österreich öffentlich werden, könne das nicht nur die Zusammenarbeit behindern, sondern auch „die nationale Sicherheit gefährden“, warnte der DSN-Leiter.

Debatte über Ausweitung der Befugnisse

Die Vorfälle hatten Anfang der Woche eine Diskussion darüber ausgelöst, ob die Strafverfolgungsbehörden über hinreichende Mittel zur Überwachung extremistischer Gefährder verfügen. Haijawi-Pirchner hatte schon Ende Februar im „Standard“ bessere Zugriffsmöglichkeiten auf Inhalte von Messengerdiensten verlangt.

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) sagte dazu am Montag am Rande einer Veranstaltung in Wien, es sei „Teil des Regierungsprogramms, dass es hier zu Änderungen kommen soll“, weil man in diesem Bereich „nicht mehr modern und zeitgemäß“ sei. Moderne Nachrichten- und Messengerdienste könne man derzeit „nicht mehr überwachen“. Gleichzeitig betonte Karner, dass es „nicht um Massenüberwachung“ gehe.

Grüne dagegen, FPÖ gesprächsbereit

Darauf reagierte der Regierungspartner umgehend. „Was die Ausweitung von Überwachungsmaßnahmen wie die Einführung eines Bundestrojaners betrifft, ist die grüne Position klar, auch mit Blick auf die Wahrung der Grundrechte: Die Gefahren einer solchen Maßnahme überwiegen ihren Nutzen“, hieß es in einer von der APA erbetenen Stellungnahme des grünen Parlamentsklubs. Auch der Verfassungsgerichtshof (VfGH) habe dem Bundestrojaner bereits eine eindeutige Absage erteilt.

Von der FPÖ hieß es am Dienstag, man sei „gesprächsbereit, aber äußerst skeptisch“. Das sagte Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer bei einer Pressekonferenz in Innsbruck zu Vorstößen Karners. Prinzipiell sei man natürlich dafür, dass Polizei und Behörden alles unternehmen können, um im Vorfeld solche Anschläge zu verhindern.

Man habe in Zeiten der CoV-Pandemie gesehen, „wie schnell Grund- und Freiheitsrechte ausgehebelt werden können“, so Amesbauer. Zunächst müssten aber „alle Zweifel an der parteipolitischen Unbefangenheit“ der DSN ausgeräumt werden, verlangte der Sicherheitssprecher: „Wir haben massive Zweifel an der Unabhängigkeit der Behörde.“ Es dürfe nicht sein, dass „Regierungskritik per se kriminalisiert“ werde und unter dem „Vorwand der Terrorismusbekämpfung“ regierungskritische Wortmeldungen quasi ausspioniert würden.