Regenbogenfahnen während der 27. Regenbogenparade in Wien
IMAGO/SEPA.Media/Isabelle Ouvrard
Pride-Anschlagsplan

Nun auch 14- und 17-Jähriger enthaftet

Nachdem im Zusammenhang mit dem angeblich geplanten Anschlag auf die Wiener Regenbogenparade bereits am Sonntag ein 20-jähriger Tatverdächtiger auf freien Fuß gesetzt worden war, hat das Landesgericht St. Pölten am Freitag auch die beiden weiteren Beschuldigten – einen 14- und einen 17-Jährigen – enthaftet.

Das bestätigte Gerichtssprecherin Birgit Eisenmagen. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, die Staatsanwaltschaft meldete dagegen Beschwerde an. „Das jugendliche Alter der Beschuldigten spielt eine wesentliche Rolle. Die U-Haft ist immer das letzte und schwerste Mittel“, sagte Eisenmagen dem ORF.

Der Enthaftung des 14-Jährigen und des 17-Jährigen – er ist der jüngere Bruder des 20-Jährigen – war eine Sozialnetzkonferenz mit dem Verein Neustart vorangegangen, wie die Gerichtssprecherin erläuterte. Ein Programm aus Weisungen – etwa dass die Tatverdächtigen ein Deradikalisierungsprogramm besuchen müssen – und engmaschigem Kontakt mit der Bewährungshilfe sei erstellt worden. „Der Haftrichter sieht darin das gelindere Mittel, um die U-Haft nicht fortzusetzen.“

Anwalt erleichtert

Gegenüber dem ORF sagte der Verteidiger des 14-Jährigen, Andreas Schweitzer, dass der Jugendliche abgesehen von dem Deradikalisierungprogramm und der Bewährungshilfe auch mehr Zeit mit seiner Familie verbringen soll und die Schule abschließen muss. Andernfalls könnte eine neuerliche U-Haft drohen. „Hier hat die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) mit Kanonen auf Spatzen gezielt. Und nicht getroffen. Wobei der 14-Jährige wirklich ein Spatz ist“, hatte Schweitzer zuvor der APA gesagt.

Mit dem aktuellen Gerichtsbeschluss befinden sich alle drei Verdächtigen, gegen die wegen terroristischer Vereinigung und krimineller Organisation ermittelt wird, wieder in Freiheit. Ob es dabei bleibt, muss das Oberlandesgericht Wien entscheiden. Es ist für die Behandlung der Beschwerden der Staatsanwaltschaft St. Pölten zuständig.

Nun auch 14- und 17-Jähriger enthaftet

Nachdem im Zusammenhang mit dem angeblich geplanten Anschlag auf die Wiener Regenbogenparade bereits am Sonntag ein 20-jähriger Tatverdächtiger auf freien Fuß gesetzt worden war, hat das Landesgericht St. Pölten am Freitag auch die beiden weiteren Beschuldigten – einen 14- und einen 17-Jährigen – enthaftet.

Weiterer Verteidiger nimmt erstmals Stellung

Der Verteidiger des 17-Jährigen, Markus Sommerauer (Kanzlei Urbanek & Rudolph), nahm indes erstmals öffentlich zu den Vorwürfen gegen seinen Mandanten Stellung. Er habe sich bisher nicht geäußert, um dem Gericht eine unbeeinflusste, objektive Entscheidung in der Haftfrage ermöglichen zu können. Sein Mandant bestreite sämtliche gegen ihn gerichtete Anschuldigungen, sagte Sommerauer der APA: „Hier wird etwas behauptet, das es nicht gibt. Es wurde nie ein Anschlag geplant.“

Wie Sommerauer schilderte, wurden der 17-Jährige und sein älterer Bruder Samstagmittag aus dem Schlaf geweckt, als Spezialkräfte der Polizei die Wohnungstür aufbrachen und die beiden festnahmen. „Sprich: Wenn dieser Vorwurf, dass mein Mandant tatsächlich einen Anschlag geplant hätte, richtig sein sollte, ist es nicht erklärlich, warum mein Mandant am Tag der Parade dann um 12.00 Uhr noch schlafend zu Hause ist und nur aufgrund des Eingriffes von der Polizei aufgeweckt und dann verhaftet wurde“, sagte er dem ORF.

Bei der durchgeführten Hausdurchsuchung sei „kein belastendes Material, vor allem keine Schusswaffen“ sichergestellt worden, wie Sommerauer gegenüber der APA sagte. Man habe nur zwei Softguns beschlagnahmt, „davon war eine kaputt“.

Anwalt: 17-Jähriger kein IS-Anhänger

Der 17-Jährige bestreite, ein Anhänger der radikalislamischen Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu sein. „Er war auch nie in einschlägigen Telegram-Chats“, so Sommerauer, der damit einen DSN-Bericht zurückwies, dem zufolge sich der 17-Jährige als „Abdullah“ mit neun weiteren Islamisten u. a. aus der Ukraine, Belgien, der Türkei und England im Internet ausgetauscht und Anschlagspläne gewälzt haben soll.

„Dazu gibt es nichts im Akt. Es gibt keine Chats, es gibt keine Screenshots. Es gibt einzig und allein eine Zusammenfassung der DSN, die sich auf angebliche Informationen eines ausländischen Nachrichtendienstes bezieht. Damit wird eine gewisse Beweislage aufgebaut, aber die Quelle wird nicht offengelegt“, so der Jurist.

Geplanter Ankauf von Sturmgewehr bestritten

Sommerauer räumte lediglich ein, sein Mandant habe mit einem vorgeblich 15-jährigen Ukrainer gechattet, allerdings in keiner Gruppe. Er sei von diesem angeschrieben worden, man habe sich zunächst über Belanglosigkeiten, dann über den Krieg in der Ukraine unterhalten. Als ihm sein Chatpartner eines Tages einen Link zu einer Gruppe mit dem IS-Logo geschickt habe, sei er der Gruppe nicht beigetreten und habe den User blockiert.

Der 17-Jährige bestreitet explizit den ihm unterstellten beabsichtigten Ankauf eines Sturmgewehrs. Der Jugendliche habe sich – entgegen der Darstellung der DSN – nicht um eine AK-47 bemüht, versicherte sein Rechtsbeistand. „Die Familie ist gut integriert. Religion war in der Familie kein Thema. Der Vater ist nicht einmal Moslem“, so Sommerauer. Der 17-Jährige sei zuletzt in einem Ausbildungsprogramm gewesen und habe für September eine Lehrplatzzusage. Der Jugendliche akzeptiere sämtliche mit seiner Enthaftung verknüpfte Weisungen: „Er kooperiert umfänglich mit den Behörden.“

Scharfe Kritik an DSN

Unterdessen bekräftigte der Verteidiger des 14-Jährigen seine Kritik an der DSN. Diese hätte die gegen seinen Mandanten und die beiden Brüder aus St. Pölten gerichtete Verdachtslage unter Zuhilfenahme eines ausländischen Nachrichtendienstes begründet. Die zur Verfügung gestellten personenbezogenen Daten hätte die DSN der Staatsanwaltschaft und in weiterer Folge dem Landesgericht St. Pölten ohne die dafür gesetzlich vorgesehene Bewilligung weitergegeben.

Schweitzer verweist auf eine Bestimmung im Polizeikooperationsgesetz, wonach personenbezogene Daten, die von ausländischen Sicherheitsbehörden übermittelt worden sind, nur mit vorheriger Zustimmung der übermittelnden Stelle zu anderen als den der Übermittlung zugrunde liegenden Zwecken verarbeitet werden dürfen.

„Eklatanter Verstoß gegen gesetzliche Normierungen“

„Dies bedeutet, dass sich die DSN die Zustimmung zur Weiterleitung an die Staatsanwaltschaft oder ans Gericht bzw. die Freigabe zur Weiterleitung von der ermittelnden Stelle einholen hätte müssen. Was jedoch nicht geschehen ist, wie die DSN selbst im Anlassbericht eingesteht“, hielt Schweitzer in einem Enthaftungsantrag fest, dem am Freitag vom Landesgericht St. Pölten stattgegeben wurde.

Der DSN unterstellt er einen „eklatanten Verstoß gegen gesetzliche Normierungen“, der „einzig und allein“ dazu gedient habe, „dass der Beschuldigte (gemeint: der 14-Jährige, Anm.) aufgrund nicht näher verifizierter Behauptungen festgenommen und in weiterer Folge über ihn die U-Haft verhängt wurde“.

DSN verweist auf Berichtspflicht an Staatsanwaltschaft

Die DSN reagierte am Freitagnachmittag auf die Äußerungen Schweitzers und Sommerauers mit einer schriftlichen Stellungnahme: „Nach den Bestimmungen des Polizeikooperationsgesetzes dürfen wir sensible Informationen von ausländischen Nachrichtendiensten ohne deren Zustimmung nicht an die Staatsanwaltschaft weitergeben. Gleichzeitig sind wir als Sicherheitsbehörde gemäß den Bestimmungen der Strafprozessordnung verpflichtet, von Amts wegen zu ermitteln und der Staatsanwaltschaft über einen Anfangsverdacht gegen eine Person zu berichten.“

Ein solcher Anfangsverdacht könne sich auch aufgrund einer Information eines Partnerdienstes ergeben: „Dies führt dazu, dass Details dieser partnerdienstlichen Informationen nicht weitergegeben werden können, nichtsdestotrotz jedoch eine Berichtspflicht an die Staatsanwaltschaft besteht.“

Der gegenständliche Fall zeige „genau die in den letzten Tagen durch die DSN erneut aufgezeigte Problematik, dass uns als Behörde zentrale, eigene Befugnisse fehlen, um derartige Erkenntnisse selbst ermitteln zu können“, wurde betont. Offenbar dürfte bereits der erste Hinweis auf den tatverdächtigen 17-Jährigen, gegen den die Staatsanwaltschaft St. Pölten bereits im Vorjahr wegen terroristischer Vereinigung ermittelt hatte, ehe dieses Verfahren am 17. Februar 2023 eingestellt wurde, von einem ausländischen Nachrichtendienst gekommen sein.

Die Vorfälle hatten Anfang der Woche eine Diskussion darüber ausgelöst, ob die Strafverfolgungsbehörden über hinreichende Mittel zur Überwachung extremistischer Gefährder verfügen. Haijawi-Pirchner hatte schon Ende Februar im „Standard“ bessere Zugriffsmöglichkeiten auf Inhalte von Messengerdiensten verlangt.