Wagner-Chef Prigoschin
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Lukaschenko bestätigt

Prigoschin im Exil in Belarus

Der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko hat Dienstagnachmittag bestätigt, dass sich der Chef der Wagner-Söldnertruppe, Jewgeni Prigoschin, mittlerweile in Belarus aufhält. Der Oligarch und langjährige Putin-Intimus musste nach der abgebrochenen Rebellion ins Exil.

Zuvor hatte es bereits Spekulationen gegeben, dass Prigoschin, dessen Aufenthaltsort seit Samstagabend unbekannt war, am Dienstag per Privatjet nach Minsk geflogen war. Die Flugbeobachtungsseite Flightradar24 hatte den Flug eines Privatjets, der Prigoschin gehören soll, registriert. Damit hält sich Prigoschin weiterhin an die am Wochenende getroffene Vereinbarung.

Wie sicher sich Prigoschin in Belarus fühlen kann, ist unklar. Aus Sicht des Politikwissenschaftlers Herfried Münkler muss Prigoschin trotz der Einstellung des Strafverfahrens um sein Leben bangen. „Ich gehe davon aus, dass die Russen Prigoschin über kurz oder lang liquidieren werden“, sagte er dem „Spiegel“ (Onlineausgabe). Der belarussische Machthaber Lukaschenko, der selbst entscheidend auf russische Unterstützung angewiesen ist, werde dem russischen Geheimdienst dabei kaum im Weg stehen.

Belarus bot den russischen Wagner-Söldnern nach eigenen Angaben eine verlassene Militärbasis als Unterkunft an. „Wir haben einen Zaun, wir haben alles – schlagen Sie Ihre Zelte auf“, zitiert die staatliche Nachrichtenagentur Belta Lukaschenko. Man werde für die Söldner keine Lager aufbauen, hieß es weiter. Zudem gebe es keine Pläne, Rekrutierungsbüros für Wagner in Belarus zu eröffnen.

Putin: Wagner vom Staat finanziert

Russlands Präsident Wladimir Putin räumte unterdessen erstmals ein, dass die Wagner-Gruppe vollkommen vom russischen Staat finanziert wurde. „Wir haben diese Gruppe komplett finanziert“, sagte Putin laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax.

Strafverfahren eingestellt

Unterdessen wurde nach dem bewaffneten Aufstand das Strafverfahren gegen Prigoschin wie vom Kreml angekündigt beendet. Bemerkenswert ist die Begründung: Angesichts des Endes der „kriminellen Handlungen“ sei das am Freitag eingeleitete Verfahren nun eingestellt worden, meldete die russische staatliche Nachrichtenagentur TASS am Dienstag unter Berufung auf den Inlandsgeheimdienst FSB.

Bei dem bewaffneten Aufstand waren nach Angaben Putins immerhin auch Piloten getötet worden, die die Wagner-Kolonne bei deren Marsch Richtung Moskau angegriffen hatten. Mehrere Hubschrauber und ein Flugzeug wurden abgeschossen.

Erstaunliche Großzügigkeit

Putin hatte noch am Samstag in einer Rede gesagt, dass die Drahtzieher des Aufstandes ihrer „unausweichlichen Bestrafung“ zugeführt würden. Dass der Kreml wenig später erklärte, die Aufständischen kämen nach Ende der Revolte und dem Abzug aus Russland doch ungeschoren davon, löste Erstaunen in Russland aus. Schon wer etwa Putins Krieg gegen die Ukraine auch nur leise kritisiert, riskiert in Russland viele Jahre Straflager. Kommentatoren legten das Einlenken Putins als Schwäche des Kreml-Chefs aus. Dieser Darstellung widersprach der Kreml wenig überraschend am Dienstag vehement.

Überraschender Abbruch des Marsches auf Moskau

Söldnerchef Prigoschin hatte am Samstag nach Verhandlungen seinen Marsch Richtung Moskau überraschend gestoppt. Nach eigenen Angaben wollte er ein Blutvergießen unter russischen Soldaten verhindern und kehrte deshalb 200 Kilometer vor der russischen Hauptstadt um. Er hatte auch die südrussische Stadt Rostow am Don besetzt und zog dort ebenfalls ab.

Für Putin „Verräter“

Präsident Putin hatte am Montagabend bestätigt, dass sein in Ungnade gefallener Ex-Vertrauter in Belarus mit seinen Kämpfern Zuflucht finden könne. Er bezeichnete die abtrünnigen Wagner-Leute als „Verräter“. Dem loyalen Teil der Wagner-Truppe bot Putin an, Verträge mit dem russischen Verteidigungsministerium zu schließen.

Wer das nicht wolle, könne ins Exil gehen oder aber abrüsten und nach Hause zurückkehren. Es werde niemand strafrechtlich verfolgt werden, sicherte Putin nur zwei Tage nach der Meuterei, bei der immerhin 13 russische Soldaten von Wagner-Söldnern getötet wurden, zu.

Werben um kampferprobte Söldner

In seiner Rede lobte Putin das Gros der Wagner-Söldner als treue Patrioten. Er umwarb sie sichtlich und versuchte wohl, diese und möglichst viele Kommandanten für den weiteren Einsatz – unter dem Kommando der russischen Armee – zu gewinnen. Das deutet laut Fachleuten darauf hin, dass es sich der Kreml nicht leisten kann, auf die kampferprobten Söldner zu verzichten.

Allerdings sollen den Wagner-Truppen die schweren Waffen abgenommen werden. Vorbereitungen dafür seien bereits angelaufen, so das russische Verteidigungsministerium am Dienstag.

Am Dienstag dankte Putin, den die Meuterei schwach dastehen lässt, erneut den Sicherheitsdiensten für ihren Einsatz gegen die Meuterei. Dadurch sei ein Bürgerkrieg verhindert worden, so Putin bei der Rede vor Uniformierten auf dem Kreml-Gelände. Unter den Anwesenden war auch Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Allerdings hatte es kaum Widerstand der Armee und anderer Dienste gegeben, und die Wagner-Truppen waren fast ohne Widerstand bis auf rund 200 Kilometer auf Moskau vorgerückt.

Nationalgarde fordert Panzer

Der Chef der russischen Nationalgarde (Rosgwardija), Viktor Solotow, forderte als Folge der Meuterei Panzer und schwere Waffen mit großer Reichweite für seine Einheiten. Über Artillerie und Kampfhubschrauber verfügt die Nationalgarde, die direkt Putin unterstellt ist, bereits. Die Rosgwardija, die rund 200.000 Mann umfassen soll, hatte am Samstag alle Zufahrten nach Moskau abgesperrt.