Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP)
APA/Georg Hochmuth
Lohnabschlüsse und Inflation

Breite Kritik an Brunners Teuerungssager

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) hat mit seiner Aussage von Dienstag, wonach die hohen Lohnabschlüsse Grund für die im EU-Vergleich hohe Inflation in Österreich seien, auch am Mittwoch für Wirbel gesorgt. Kritik kam vom Koalitionspartner Grüne ebenso wie von SPÖ, FPÖ und der GPA. Brunner lenkte indes ein.

Der Minister solle sich nicht in die KV-Verhandlungen einmischen, waren sich alle einig – und SPÖ und GPA warfen der ÖVP vor, eine Partei der Reichen zu sein. Für die FPÖ fehlt der Kanzlerpartei das „Gespür“.

Gabriel Felbermayr, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), sieht in Österreich aus wissenschaftlicher Sicht jedenfalls keine erwartungsbasierte Lohn-Preis-Spirale. „Wir haben sie nicht im Jahr 2022, heuer, und wir haben sie auch im nächsten Jahr nicht“, sagte Felbermayr bei der Präsentation der WIFO/IHS-Prognose.

„Jeder versteht unter dem Terminus was anderes“, so Felbermayr. Was Brunner wahrscheinlich meine und wo er richtig liege, sei die Tatsache, dass die gestiegenen Kosten für die Unternehmen teilweise in höhere Preise umgewälzt werden, wenn die Löhne nach den Lohnverhandlungen im Herbst steigen.

Bonin verweist auf Studie

Der designierte Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), Holger Bonin, sieht hingegen das Risiko von Preissteigerungen aufgrund höherer Löhne durchaus gegeben. Der von Brunner genannte Zusammenhang lasse sich durch eine empirische Untersuchung untermauern, sagte Bonin in der ZIB2. "Das ist eine Studie, die in einem Niedriginflationsumfeld durchgeführt worden ist. Jetzt haben wir eine sehr hohe Inflation.

Neuer IHS-Chef zur „hartnäckigen“ Inflation

Holger Bonin, Professor für Volkswirtschaft an der Uni Kassel, der ab 1. Juli das IHS, das Institut für Höhere Studien in Wien, leiten wird, spricht zur Inflation in Österreich.

Es könnte durchaus sein, dass es sich sogar noch stärker in Preissteigerungen übersetzt, wenn wir jetzt Lohnsteigerungen haben." Wie schnell höhere Löhne aber zu Preissteigerungen führen könnten, sei generell schwer abzuschätzen. Jedenfalls bestehe ein „großes Risiko“, das bei Lohnverhandlungen berücksichtigt werden sollte, so der Ökonom.

Brunner spricht von Missverständnis

Am Mittwoch lenkte Brunner ein und erklärte es nach dem Ministerrat wie Felbermayr. Es „ist natürlich ein Missverständnis“, sagte Brunner nach dem Ministerrat. Er habe schließlich mehrere Gründe für die hohe Inflation versucht zu erläutern. Diese lägen in den Energiekosten mit den hierzulande langfristigen Energieverträgen, der Zusammenstellung des Warenkorbs und auch den hohen Lohnabschlüssen.

„Man muss das Gesamte sehen.“ Er wiederholte auch, dass durch die Abschaffung der kalten Progression nunmehr bei einer siebenprozentigen Lohnerhöhung auch sieben Prozent bleiben würden, während es vor der Abschaffung nur fünf Prozent gewesen wären.

„Lohnabschlüsse“-Sager im „Report“

Dienstagabend hatte Brunner allerdings in der ORF-Sendung „Report“ gemeint, Österreichs Inflation sei heuer „leicht über dem europäischen Schnitt“, die Gründe dafür „sind auf jeden Fall die hohen Lohnabschlüsse“.

Österreich habe mit Belgien die höchsten Abschlüsse in der EU, „das treibt die Inflation natürlich an“. Jeder Prozentpunkt Lohnsteigerung heize die Inflation um 0,3 Prozentpunkte an, so der Finanzminister.

Kritik von Maurer

Brunners Aussage vom Dienstag im „Report“ zog gleich darauf auch Kritik vom Koalitionspartner nach sich. Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer widersprach Brunner in der darauffolgenden ZIB2. Dass die Lohnabschlüsse die Treiber der Inflation seien, widerspreche den Darstellungen der Wirtschaftswissenschaftler.

Auch sei es angesichts der hohen Inflation „unangebracht, der Bevölkerung auszurichten“, sie sollte niedrigeren Lohnabschlüssen zustimmen. Sie als Politikerin überlasse die Lohnverhandlungen den Sozialpartnern.

GPA kritisiert „ÖVP-Weltbild“

Diesen Ball nahm GPA-Vorsitzende Barbara Teiber am Mittwoch, vor Brunners Rückzieher, auf. „Minister Brunner sollte sich ein Vorbild an Klubobfrau Maurer nehmen, die in der ZIB2 richtig erkannt hat, dass Kollektivvertragsverhandlungen Sache der Sozialpartner sind. Die Regierung täte gut daran, sich nicht einzumischen“, so die Gewerkschafterin.

„Der Finanzminister verteidigt die Milliardenüberförderung durch die COFAG, tut nichts gegen höhere Mietpreise, schützt das Vermögen Superreicher vor einer Millionärssteuer und richtet zeitgleich den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus, sie mögen auf Gehalt verzichten“, kritisierte Teiber. Im „ÖVP-Weltbild“ seien aber offenbar höhere Gehälter etwas Schlechtes, während höhere Gewinne immer gut seien, so Treiber.

SPÖ: Wirtschaftspolitische Ahnungslosigkeit

Unterstützung bekam sie von der SPÖ. „Höhere Löhne sind Folge, nicht Ursache der Inflation“, so SPÖ-Klubobmann Philip Kucher am Mittwoch. Er ortet bei Brunner „blanken Zynismus oder unglaubliche wirtschaftspolitische Ahnungslosigkeit“.

Aus Brunners Sicht hat die Regierung ihren Beitrag für maßvolle Lohnabschlüsse geleistet, etwa durch die Abschaffung der kalten Progression oder die Steuerfreistellung von Prämien.

Schlagaustausch um Eingriffe

Eingriffe in den Markt, um Preise zu dämpfen, lehnt Brunner hingegen ab. „Es ist immer ein Fehler, zu sehr in den Markt einzugreifen“, sagte er im „Report“. Österreichs Maßnahmen seien im internationalen Vergleich treffsicher, versicherte Brunner. Auch das bekräftigte er einmal mehr nach dem Ministerrat.

Das sieht die SPÖ hingegen anders. „Während Spanien schon fast wieder bei drei Prozent Inflation liegt, sind es in Österreich immer noch fast zehn Prozent. Und – wie die Prognose von IHS und WIFO vom Mittwoch zeigt – wird in Österreich die Inflation im heurigen Jahr hoch bleiben“, so Kucher weiter.

Kickl: „Kein Gespür für die Menschen“

Kritik kam auch von FPÖ-Chef Herbert Kickl. „Der schwarze Finanzminister hat überhaupt kein Gespür für die Menschen.“ Kickl plädierte am Mittwoch für weitere Maßnahmen gegen die Teuerung: eine Preisbremse, umfassende Steuersenkungen auf Grundnahrungsmittel, Energie und Treibstoffe und ein sofortiges Aus für die Russland-Sanktionen.

NEOS für Senkung der Lohnnebenkosten

„Ich finde das schon einigermaßen anmaßend vom Finanzminister, sich hinzustellen und zu sagen: bitte moderate Lohnabschlüsse, denn sonst kommt eine Lohn-Preis-Spirale“, sagte NEOS-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger gegenüber Ö1. Ökonomisch habe Brunner recht, er habe es aber selbst in der Hand.

„Denn zu sagen, die Leute sollen weniger verdienen in einer Zeit, wo du neun Prozent Inflation hast, das finde ich ehrlich gesagt wirklich niederträchtig“, sagte Mein-Reisinger weiter und sprach sich für eine Senkung der Lohnnebenkosten im Ausmaß von neun Milliarden Euro aus.