Wolf im Wald
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VwGH-Spruch

Fischotter rückt Wolf ins Zentrum

Der Wolf kommt zwar nicht vor, aber eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) über Fischotter in Niederösterreich ist auch für die Wolfsverordnungen von großer Relevanz. Die Richter und Richterinnen betonen nämlich die Aarhus-Konvention, die ein Mitspracherecht von Umweltschutzorganisationen vorsieht. Für NGOs ist die Entscheidung ein Lichtblick, ob sich an den Wolfsverordnungen etwas ändert, darf aber bezweifelt werden.

Wölfe und andere Tier- und Pflanzenarten sind europarechtlich durch die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) streng geschützt. Der Fischotter (Lutra lutra) lässt sich ebenfalls in der Richtlinie finden. Nur unter bestimmten Kriterien darf in diese Population eingegriffen werden, sprich: gefangen oder getötet werden. Niederösterreich erließ 2019 eine Verordnung, mit der ein solcher Eingriff ermöglicht wurde.

WWF und das Ökobüro gingen dagegen vor, weil das Land damit eben gegen die FFH-Richtlinie verstößt. Die Landesregierung sah das anders und wies den Antrag mangels Zuständigkeit zurück. Denn zuständig für die Verordnungsprüfung sei der Verfassungsgerichtshof (VfGH), so die Begründung. Das Landesverwaltungsgericht stimmte dem zu und ließ zudem eine Beschwerde gegen die Entscheidung des Landes nicht zu.

WWF und das Ökobüro wandten sich mit einer außerordentlichen Revision an den VwGH und machten die Entscheidung am Freitag öffentlich. ORF.at liegt die Entscheidung vor. Darin heißt es etwa mit Verweis auf die Rechtsprechung, dass Umweltorganisationen gemäß Aarhus-Konvention „grundsätzlich ein Recht auf Teilnahme (bereits) am behördlichen Verfahren zusteht“, wenn der Schutz von EU-Umweltrecht „auf dem Spiel steht“.

Beschränkte Möglichkeit gegen Abschussfreigaben

Auf den ersten Blick scheint die Entscheidung nicht groß zu sein. Doch durch die Verordnungspraxis in Sachen Wölfe wurde Umweltschutz-NGOs quasi die Möglichkeit der Teilnahme genommen. In Österreich können Wölfe mittlerweile aufgrund von Verordnungen geschossen werden. Dafür müssen zwar bestimmte Kriterien vorhanden sein (Risszahlen oder Nähe zu bewohntem Gebiet), aber gegen Verordnungen können Umweltschutzorganisationen nicht vorgehen, um zum Beispiel einen Abschuss verhindern.

Fischotter
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Der Fischotter ebnete für Umweltschutzorganisationen einen Weg zum Wolfsschutz

Fachleute wie die Rechtsexperten Walter Obwexer und Roland Norer hatten diese fehlende Rechtsschutzmöglichkeit vor einigen Wochen gegenüber ORF.at als rechtswidrig beurteilt. Verwaltungsexperte Peter Bußjäger betonte am Freitag im Gespräch mit ORF.at, dass die aktuelle Entscheidung „richtungsweisend“ sein könne. Die Behörden müssten den Rechtsschutz sicherstellen, sagte der Experte von der Universität Innsbruck.

Umweltschutzorganisation hätten nun die Möglichkeit, unter Berufung auf den VwGH-Spruchs auf die Landesregierung aktiv zuzugehen und die Bedenken gegen die Verordnungen noch klarer zu formulieren. Diese müssen Bescheide erlassen. Je nachdem, wie diese aussehen, können sich die Organisationen an die Landesverwaltungsgerichte wenden, um die Verordnungen auf Konformität mit Unionsrecht prüfen zu lassen. Es sei eine wichtige Entscheidung, meinte Bußjäger, auch wenn noch einige Fragen offen bleiben würden.

Verordnungen gegen geschützte Tierarten

Der Spruch des VwGH ändert jetzt allerdings nichts an den weiterhin geltenden Verordnungen, die die Entnahme von streng geschützten Tieren wie dem Wolf regeln. Zuletzt hatte Salzburg eine Verordnung für „Problemwölfe“ erlassen – mehr dazu in salzburg.ORF.at. Kärnten hat auch angedacht, „wolfsfreie“ Zonen gesetzlich zu regeln – mehr dazu in kaernten.ORF.at. Die zuständigen Landesregierungen verweisen in ihren Begründungen auf die Ausnahmen in der FFH-Richtlinie, Fachleute zweifeln allerdings an der rechtskonformen Umsetzung.

Die EU-Kommission hatte wegen des Wolfsschutzes bereits im Dezember 2021 ein Pilotverfahren gegen Österreich gestartet. Ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik steht im Raum, auch wenn die Landesgesetzgebung betroffen ist. Die EU-Kommission will aber noch abwarten, weil vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) noch ein Vorabentscheidungsverfahren zur Wolfsjagd in Tirol anhängig ist, hieß es zuletzt gegenüber ORF.at aus Brüssel.

Umweltschutzorganisationen fordern Kurswechsel

Die Umweltschutzorganisationen wollen freilich nicht warten. WWF und Ökobüro fordern anlässlich der VwGH-Entscheidung einen Kurswechsel jener Landesregierungen, die derzeit den Abschuss von europarechtlich geschützten Arten mittels Verordnung erlauben und dabei Einwände von Umweltschutzorganisationen erst gar nicht zugelassen haben. „Seit Jahren kämpfen wir vor Gericht für EU-rechtlich geschützte Tierarten, die sich inzwischen in Österreich wieder etablieren“, sagte Christian Pichler, WWF-Artenschutzexperte.

Die beiden NGOs fordern eine vollständige, rechtskonforme Umsetzung der Aarhus-Konvention in den Bundesländern und eine Rückkehr zur strengen Auslegung der Ausnahmetatbestände vom strengen Schutz. „Generell stellt eine Verordnung keine korrekte Rechtsform für die Entnahme nach den Vorgaben des Unionsrechts dar. Für die Entnahmen fehlt eine europarechtlich verpflichtende Einzelfallprüfung durch die Behörde“, so die Umweltjuristin Lisa Schranz von Ökobüro.