Vaterschaftstest
AP/Science Photo Library/Sherry Yates Young
Vaterschaftstest

Ugandas Männer stürmen DNA-Labore

Uganda erlebt zurzeit eine beispiellose Nachfrage nach Vaterschaftstests. Tausende Männer lassen untersuchen, ob sie die biologischen Väter ihrer Kinder sind. Das bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Gesellschaft. Auslöser ist der Fall eines Mannes, von dessen sechs Kindern sich keines als eigenes herausgestellt hatte.

Überall in Uganda wird Werbung für Vaterschaftstests gemacht, inzwischen werden sie zu Dumpingpreisen angeboten. In den sozialen Netzwerken werden Tipps ausgetauscht, wo es die billigsten und schnellsten DNA-Tests gibt. Als eine „weitere Pandemie“ bezeichnete Ugandas Minister für Kommunikationstechnologie, Chris Baryomunsi, den Zulauf auf die Testlabore in Anspielung auf Tests während der Coronavirus-Pandemie.

Polizei, Eheberater, einige Religionsführer und Politiker äußerten Bedenken, dass unkontrollierte Vaterschaftstests das soziale Gefüge des Landes bedrohen könnten. Sie warnten vor einem wachsenden Misstrauen innerhalb von Paaren. Unerwünschte Testergebnisse hätten meist den Zerfall von Familien oder gar Suizid zur Folge. Trotzdem und obwohl es teuer ist, wächst die Zahl der Männer, die einen Vaterschaftstest durchführen.

Simple Pressekonferenz als Auslöser

Ins Rollen brachte die landesweite Testlawine eine Pressekonferenz des Innenministeriums im Juni, bei der Sprecher Simon Mundeyi von einem Behördenvorfall berichtete, wonach ein Vater die Personalausweise und Pässe seiner sechs Kinder als ungültig deklarieren wollte, nachdem er herausgefunden hatte, dass keines von ihnen biologisch von ihm abstammte. Auch die hohen Schulgebühren wollte er nicht mehr bezahlen.

Neugeborenenstation in der ugandischen Hauptstadt Kampala
Reuters/James Akena
Eine Neugeborenenstation in der ugandischen Hauptstadt Kampala

Keine zwei Wochen später meldete das Innenministerium erste Rekordzahlen bei den Vaterschaftstests im bisher einzig dafür zugelassenen, staatlichen Labor, das dem Ministerium untersteht. Die Nachfrage sei allein dort um 75 Prozent gestiegen, so Mundeyi. Binnen kurzer Zeit schossen dann private Labore laut Polizeisprecher Fred Enanga „wie Pilze aus dem Boden“. Auch DNA-Kits für Selbsttests zu Hause seien im Umlauf.

Scheidungsabsichten besorgniserregend

Negative Vaterschaftstests führten inzwischen bei zahlreichen Behörden bereits zu erhöhter Betriebsamkeit. So werde ein „besorgniserregender“ Anstieg von Scheidungsanträgen verzeichnet. Die Immigrationsbehörde, die für die Ausstellung von Reisepässen zuständig ist, erhält zunehmend Anträge, die Pässe ihrer Kinder annullieren zu lassen. Zugleich würden viele Männer, die traumatisiert ihr Zuhause verlassen, Hilfe suchen.

Mundeyi forderte die ugandischen Männer dazu auf, die DNA-Hysterie hinter sich zu lassen und die Kinder einfach großzuziehen, als wären sie die eigenen. „Jemand anderes zieht auch Ihre Kinder groß“, sagte er. Verlierer seien nämlich vor allem die Kinder, wenn die DNA-Ergebnisse nicht mit denen des Vaters übereinstimmen. Verlierer seien in solchen Fällen auch die Frauen, die von der Öffentlichkeit verurteilt werden, sagte die ugandische Feministin Grace Nakirijja Lwanga gegenüber NTV Uganda.

Warnung vor falschen DNA-Ergebnissen

Mit Blick auf die zunehmende Zahl an privaten Testlaboren warnte das Gesundheitsministerium vor möglich falschen DNA-Ergebnissen. Ugandas Parlament debattierte daher vergangene Woche das Problem und wies die Regierung an, eine Verordnung zu erlassen. Alle Laboreinrichtungen brauchen künftig eine Lizenz. Mit Kampagnen soll die Öffentlichkeit über Funktionsweise und Qualitätsstandards von DNA-Tests aufgeklärt werden.

Zudem dürfen DNA-Tests bei Kindern nur noch mit schriftlicher Einverständnis und unter Anwesenheit beider Elternteile durchgeführt werden. Frauen mit Beweisen, die einen Vaterschaftstest anfechten, werden dazu aufgerufen, sich an die nächstgelegene Polizeidienststelle zu wenden und Beschwerde einzureichen.

Erzkonservative wittern Verschwörung

Viele Abgeordnete sehen hinter dem Ansturm auf die Testlabore eine Verschwörung von außen, die afrikanischen Familienstrukturen aufzubrechen. Abgeordnete Sarah Opendi, Vorsitzende des Ausschusses über Familienpolitik, zählt ebenso wie Vize-Parlamentssprecher Thomas Tayebwa zu einem erzkonservativen Zirkel ugandischer Politiker und Politikerinnen, die im März ein Antihomosexualitätsgesetz durch die Instanzen gejagt hatten.

Bereits in diesem Kontext wurden Verschwörungstheorien im Parlament diskutiert, Homosexualität sei etwas zutiefst Anti-Afrikanisches. Jetzt beschuldigt Opendi Ugandas LGTBQ-Gemeinde eines Komplotts: „Vielleicht versuchen jetzt diejenigen, die gegen das Antihomosexualitätsgesetz waren, die Familienstrukturen ein für allemal mittels Vaterschaftstests zu zerstören“, so Opendi.

Ruf nach kinderfreundlicher Lösung

Damon Wamara, Direktor des ugandischen Kinderrechtsnetzwerkes, appellierte, nach kinderfreundlichen Lösungen zu suchen, um die Frage der Vaterschaft nicht auf deren Rücken der Kinder auszudiskutieren. Während DNA-Tests in Uganda ein neues Phänomen sind, würden zur Bestimmung der Abstammung und Elternschaft seit Langem traditionelle Methoden eingesetzt, sagte Wamara.

Eine davon sei, Babys, bei denen die Vaterschaft umstritten war, von ihrem vermeintlichen Vater in einem geflochtenen Korb auf dem Victoria See auszusetzen. Ging der Korb mit dem Baby nicht unter, sei der biologische Nachweis für den Vater angeblich erbracht gewesen. Allerdings hätten Männer, die in der Vergangenheit herausfanden, dass sie nicht die leiblichen Väter ihrer Kinder waren, diese Information meist für sich behalten, so Wamara.

Eine der höchsten Geburtenraten

Uganda mit seinen 45 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern hat eine der höchsten Geburtenraten weltweit. Durchschnittlich bekommt jede ugandische Frau knapp sieben Kinder. In der Gesellschaft ist Polygamie weit verbreitet und akzeptiert, nicht nur unter der muslimischen Minderheit. Wamara unterstrich, dass Vaterschaft nicht allein aufgrund der biologischen Abstammung beurteilt werden sollte, insbesondere in einer Zeit, in welcher Adoption anerkannt und akzeptiert sei.