Mann schützt sich vor der Hitze in Rom
Reuters/Guglielmo Mangiapane
Hohe Temperaturen und Luftfeuchtigkeit

Was Hitze mit dem Körper macht

Die starke Hitze lässt sich zurzeit auf der ganzen Welt wahrnehmen, täglich werden Temperaturextreme gemeldet. Mit einer globalen Durchschnittstemperatur von 17,23 Grad wurde zuletzt auch der weltweit bisher heißeste Tag gemessen. Für den menschlichen Körper wird es dabei ab gewissen Temperaturen zunehmend unerträglich. Kommt dann noch eine hohe Luftfeuchtigkeit dazu, kann es mitunter auch sehr gefährlich werden und im schlimmsten Fall tödlich enden.

Die optimale Körpertemperatur für die meisten Säugetiere wie für uns Menschen ist 37 Grad. Ausnahmen wie Kamele bestätigen dabei die Regel – sie haben gelernt, auch bei höheren Temperaturen zu leben. Bei 30 Grad Körpertemperatur wären wir nahezu bewusstlos, und auch 43 Grad wären nicht mit dem Leben vereinbar.

Optimal funktioniere der Mensch daher bei einer Temperatur im Körperkern von rund 37 Grad, erklärt Hanns-Christian Gunga, Professor für Weltraummedizin und extreme Umwelten am Institut der Physiologie an der Berliner Charite im Gespräch mit ORF.at. Das habe damit zu tun, dass u. a. nur bei dieser Temperatur bestimmte Enzyme im Körper für verschiedene biochemische Prozesse – zum Beispiel für die Energieversorgung der Zellen – zur Verfügung stehen.

Höhere Temperaturen schwierig zu regulieren

Kommt es zu höheren Temperaturen, funktionieren einige dieser Prozesse nicht mehr so gut und die Zellen können zum Beispiel gewisse Proteine nicht mehr bilden. Das Gleiche gelte auch für kältere Umwelten, so Gunga: Der Eisfisch zum Beispiel habe eine Temperatur von minus einem Grad – in sechs Grad warmem Wasser würde er sterben.

Bei höheren Temperaturen versucht der Körper konstant, diese 37 Grad zu halten und eventuelle Abweichungen auszugleichen. Das schafft er unter anderem durch Schwitzen. Dabei scheiden die Schweißdrüsen an der Hautoberfläche Flüssigkeit aus, die wiederum verdunstet und dadurch den Körper abkühlt.

Grafik zur Auswirkung von Hitze auf Menschen

Um ausreichend Flüssigkeit für das Schwitzen zu haben, muss allerdings auch genügend getrunken werden. Dabei sollte man jedoch nicht erst bei Durst damit beginnen, so Gunga, da man sonst ein Flüssigkeitsdefizit erreicht, das sich vor allem in Hitzewellen über mehrere Tage strecken und irgendwann lebensbedrohlich werden kann. Zudem kann es vermehrt zu kognitiven Fehlern und aufgrund dessen zu hitzebedingten Unfällen kommen – als Beispiel nennt er das „Von-der-Leiter-Fallen“.

Luftfeuchtigkeit spielt große Rolle

Die Belastung für den Körper und das Hitzeempfinden hängen allerdings nicht nur mit der Umgebungstemperatur, sondern vor allem auch mit der Luftfeuchtigkeit zusammen. Bei trockener Luft kann die Umgebung den Schweiß, der verdunstet, optimal aufnehmen. Je schwüler sich die Luft allerdings anfühlt, also je höher die Feuchtigkeit in der Luft ist, umso weniger kann die Luft die Feuchtigkeit aufnehmen. Der Schweiß verdunstet daher nicht, sondern er tropft ab, und daher gibt es auch keinen Kühleffekt.

Daher kann es sein, dass sich eine Umgebungstemperatur von 30 Grad mit einer Luftfeuchtigkeit von 30 Prozent auch wie 30 Grad anfühlt und als gesunder Mensch noch gut aushalten lässt. Herrsche allerdings eine Umgebungstemperatur von beispielsweise 33 Grad gepaart mit einer Luftfeuchtigkeit von 90 Prozent – also nahezu eine komplett gesättigte Luft –, fühle sich das an wie 54 Grad und könne äußerst unangenehm werden, so der Experte.

Faktor Kühlgrenztemperatur

Ein Wert, der vor allem für die Umweltmedizin viel Bedeutung hat, ist die „Wet Bulb Globe Temperature“ (WBGT), auf Deutsch auch Kühlgrenz- oder Feuchtkugeltemperatur. Sie gibt an, ab welcher Temperatur es dem menschlichen Körper nicht mehr gelingt, sich durch das Schwitzen zu kühlen. Sie berücksichtigt gleichzeitig mehrere Umweltparameter wie Umgebungstemperatur, Strahlungstemperatur, Luftfeuchtigkeit und Windgeschwindigkeit.

In anderen Worten bezeichnet die Kühlgrenztemperatur die niedrigste Temperatur, die durch das Abkühlen bei der Verdunstung von Schweiß erreicht werden kann. Bei einer Temperatur von 30 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von 50 Prozent beträgt die Kühlgrenztemperatur 22,3 Grad. Bei 50 Grad und zehn Prozent Luftfeuchtigkeit sind es 24,3 Grad. Bei 100 Prozent Luftfeuchtigkeit sind Umgebungstemperatur und Kühlgrenztemperatur gleich.

Schwitzende Frau
Getty Images/David Troncoso
Ab einer gewissen Temperatur und Luftfeuchtigkeit kann der Schweiß auf dem Körper nicht mehr verdunsten

Laut Gunga soll mit diesem Wert vor allem die Belastung, der der Körper bei hoher Hitze ausgesetzt ist, angezeigt werden. Laut einer Studie aus dem Jahr 2010 wurde dabei eine Kühlgrenztemperatur von 35 Grad angenommen, die für den Menschen binnen Stunden tödlich wäre. Einer Studie der Pennsylvania State University aus 2022 zufolge führte allerdings bereits eine Kühlgrenztemperatur von über 31 Grad bei gesunden, jungen Menschen im Schatten zu Hyperthermie, also zu einer Überwärmung des Körpers.

Extremwetter

Zwar lassen sich einzelne Extremereignisse nicht direkt auf eine bestimmte Ursache zurückführen, klar ist laut Weltklimarat aber: Durch die Klimakrise werden Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen, Stürme und Hitze häufiger und intensiver. Das heißt: Niederschläge und Stürme werden stärker, Hitzewellen heißer und Dürren trockener.

Entscheidend für die Zukunft

Dem Experten zufolge funktionieren Menschen noch optimal bei einer Kühlgrenztemperatur von ungefähr 22 Grad. In der Spanne von 22 bis 28 Grad können schon Einschränkungen in der Leistungsfähigkeit auftreten, die aber noch tolerierbar sind. Über 28 Grad steige die Belastung mit jedem Grad mehr exponentiell an, und eine Kühlgrenztemperatur von rund 35 Grund sei mit dem Leben nicht mehr vereinbar.

Wie wichtig die Kühlgrenztemperatur in Zukunft sein wird, erläutert Gunga auch in einem seiner Forschungsprojekte. Dabei erforscht er mit Kolleginnen und Kollegen, wie sich der Klimawandel auf die Subsahara, also die Region südlich der Sahara – wo rund 300 Mio. Menschen wohnen –, auswirkt. Aufgrund der Erderwärmung wird dort in den nächsten fünf bis zehn Jahren ein Großteil der Landstriche – vor allem in Burkina Faso – zu 100 Prozent verloren gehen.

Display einer öffentlichen Temperaturanzeige, die ihr Limit erreicht hat.
AP/The Yomiuri Shimbun/Masamine Kawaguchi
Eine Kühlgrenztemperatur von rund 35 Grad ist mit Leben nicht mehr vereinbar

Um das besser zu veranschaulichen, nennt der Experte mögliche Temperaturen von 32 bis 34 Grad Kühlgrenztemperatur zwischen April und September. Bei diesen Extremen wäre ein Arbeiten nicht mehr möglich, was für die Bevölkerung allerdings katastrophal wäre, da sie sich meist nur von ihren eigenen Anbaugebieten ernährt und dadurch hungern müsste.

Krankheitserreger breiten sich aus

Ein weiteres Problem sei auch, dass die Kühlgrenztemperatur vielerorts nicht gemessen wird und daher eigene Messstationen – wie zum Beispiel in Burkina Faso, aber auch Kenia – erst errichtet werden müssen. Im Gegensatz zu Medizinerinnen und Medizinern verwenden Meteorologinnen und Meteorologen üblicherweise für ihre Vorhersagen und Klimamodelle die Kühlgrenztemperatur nicht, daher werde sie auch nirgends gemessen, was auch der Grund ist, warum es dazu keine global verfügbaren Daten gibt.

Den Extrembedingungen sind allerdings nicht nur die Menschen ausgesetzt, sondern auch viele Tiere und die Pflanzenwelt. Darüber hinaus werden sich durch die globale Erwärmung auch bestimmte Krankheiten bzw. Krankheitserreger zunehmend ausbreiten – auch in den nördlicheren Regionen der Erde. Als Beispiel nennt Gunga die Asiatische Tigermücke, die sich mittlerweile auch in unseren Breitengraden verbreitet hat.

Laut dem Experten werden bis 2040 viele Länder nicht mehr bewohnbar sein, neben Burkina Faso betreffe das auch Teile von Mali, Indien und Äthiopien, Katar, Saudi-Arabien sowie Südpakistan. Das würde wiederum zu großen Migrationsbewegungen führen, von denen auch Europa betroffen wäre.

Studie: Milliarden Menschen gefährdet

Diese Einschätzung deckt sich auch mit einer zuletzt veröffentlichten Studie im Fachjournal „Nature Sustainability“, der zufolge bei Beibehaltung einer Klimaerwärmung um 2,7 Grad bis zum Jahr 2100 rund ein Drittel der Weltbevölkerung (ca. drei Milliarden Menschen) bei Temperaturen leben müsste, die für die menschliche Existenz unüblich sind.

Bis dato wurden bisher 600 Millionen Menschen aus der „menschlichen Klimanische“ gestoßen – so bezeichnen die Studienautoren jene Temperaturbereiche, in denen Menschen in der Vergangenheit mehrheitlich lebten. Das werde die Bewohnbarkeit der Erde grundlegend verändern und möglicherweise zu einer großangelegten Neuordnung der Orte führen.

Mit jedem weiteren Anstieg von 0,1 Grad wären zudem weitere 140 Millionen Menschen gefährlicher Hitze ausgesetzt – die am meisten gefährdeten Länder wären Indien (600 Mio. Menschen), Nigeria (300 Mio. Menschen) und Indonesien (100 Mio. Menschen).

Zahl hitzebezogener Todesfälle steigt

Neben hitzebedingten Migrationsbewegungen nehmen auch hitzebezogene Todesfälle zu. In einer zuletzt veröffentlichten Studie im Fachjournal „Nature Medicine“ gab es im Sommer 2022, dem bisher heißesten in Europa, mehr als 60.000 Todesfälle in Verbindung mit Hitze. Die meisten Hitzeopfer hatte dabei Italien mit rund 18.000, gefolgt von Spanien mit rund 11.300 und Deutschland mit rund 8.200. In Österreich waren es 419 Hitzetote.

Die Todesfälle seien laut Studienautoren allerdings schwer zu erfassen gewesen, da Hitze als direkte Todesursache eher selten angegeben wird. Die meisten Menschen starben den Angaben zufolge an einer Vorerkrankung, bei der die Hitze den Körper zusätzlich belastet hatte.

Gunga bringt hier auch den Hitzekollaps ins Spiel, der auch als Blutvolumenverteilungsstörung bezeichnet werden kann. Dabei befindet sich zu viel Blut in der Haut, um den Körper zu kühlen, und zu wenig im Rest des Körpers. Daher werden bestimmte Bereiche wie zum Beispiel der Kopf nicht mehr gut durchblutet, und es kann zu Schwindel und Übelkeit kommen.

„Weltweit einmalige“ Datenlage in Europa

In seinem Buch „Tödliche Hitze“ spricht sich der Experte auch für gewisse Arbeitszeitregelungen aus, um gegen die verstärkte Hitze vorzugehen, und verweist dabei auf die spanische Siesta, die es nicht ohne Grund gebe. Angesichts der besagten Studie zeigte er sich daher allerdings darüber überrascht, dass Spanien eines der Länder mit den meisten Hitzetoten sei. Er bleibe jedoch dabei, dass es günstiger sei, die Mittagshitze zu meiden.

Um neben den vielen Hitzehöchstwerten und Umweltkatastrophen etwas Positives hervorzuheben, verweist Gunga auf eine in Europa weltweit einmalige Datenlage, die über den Kopernikus- und die Sentinel-Satelliten aus der europäischen Raumfahrt sichergestellt wird. Politisch müsse man daraus allerdings die richtigen Schlüsse ziehen und darüber hinaus noch mehr Studien finanzieren, um vor allem weitere Untersuchungen der Hitze und ihrer Auswirkung auf die Menschen zu fördern. Für Afrika, meint Gunga, sehe es allerdings etwas düster aus.