Partido-Popular-Spitzenkandidat Alberto Núñez Feijóo
AP/Europa Press/Rafael Martin
Spanien wählt

Favorit mit nur einer Option

Spanien wählt am Sonntag ein neues Parlament. Der regierenden Sozialistischen Partei (PSOE) unter Pedro Sanchez droht eine Niederlage. Zuletzt lag sie in Umfragen recht deutlich hinter der konservativen Volkspartei (PP) mit Alberto Nunez Feijoo an der Spitze. Sanchez setzte mit der vorgezogenen Wahl praktisch alles auf eine Karte. Doch den Konservativen bleibt, gewinnen sie tatsächlich, auch nur eine Option.

Sowohl Ministerpräsident Sanchez als auch PP-Chef Alberto Nunez Feijoo gaben bereits in der Früh ihre Stimme ab. Sanchez sprach von einer „sehr wichtigen“ Wahl für „die Welt und für Europa“. Er habe ein gutes Gefühl bezüglich des Ergebnisses. Sein Herausforderer Feijoo sagte, „Spanien kann eine neue Ära beginnen“.

Der PSOE prognostizierten Umfragen Mitte der Woche nur noch rund 28 Prozent der Stimmen, der PP mit knapp 34 Prozent einen klaren Vorsprung. Die Rechtsaußen-Partei Vox und das Linksbündnis Sumar kommen beide auf 13, 14 Prozent. Der Rest der Stimmen verteilt sich auf mehrere Kleinparteien.

Aber auch wenn die PP mit bis zu 136 Sitzen im spanischen Parlament die PSOE mit erwarteten 107 Mandaten als stärkste Kraft ablösen sollte, wird es Nunez Feijoo schwerfallen, eine Regierung mit ausreichender Mehrheit zu bilden.

Angewiesen auf Rechtsaußen-Partei

Mit der gegenwärtigen Ausgangslage dürfte er – als einzige Option – auf Vox, gegründet 2013 von ehemaligen Mitgliedern der PP, angewiesen sein. Sie könnte drittstärkste Kraft werden und lag in den Umfragen zuletzt bei knapp 14 Prozent.

Genau diesen Rechtsruck in Spanien beziehungsweise die Angst vor einer bisher nie da gewesenen Regierungsbeteiligung der Rechtspopulisten habe Sanchez zum Anlass genommen, die eigentlich für Dezember vorgesehene Parlamentswahl überhaupt erst auf den 23. Juli vorzuverlegen, sagte Javier Martin Merchan, Politologe an der Madrider Ponfiticia-Comillas-Universität, im Gespräch mit der APA.

Niederlage der Sozialisten Grund für Neuwahl

Nachdem die Sozialisten Ende Mai bei den Kommunal- und Regionalwahlen eine herbe Niederlage hatten hinnehmen müssen, habe Sanchez mit diesem frühen Termin für die Neuwahl „parteiinterne Führungskämpfe bereits im Ansatz ersticken und seine Macht behaupten“ wollen, so Martin Merchan.

Der spanische Premierminister und PSOE-Spitzenkandidat Pedro Sanchez
APA/AFP/Ander Gillenea
Sanchez setzte mit der vorgezogenen Wahl alles auf eine Karte

Außerdem habe er darauf spekuliert, „dass die Konservativen vor dem jetzigen Wahlkampf auf regionaler und kommunaler Basis unpopuläre Bündnisse mit den Rechtspopulisten eingehen müssten“, sagte Martin Merchan.

Favorit fehlte bei TV-Duell

Bei der letzten TV-Debatte der Spitzenkandidatin und der Spitzenkandidaten der größeren Parteien vor der Wahl wurde der tiefe Graben zwischen links und rechts erneut sehr deutlich sichtbar. Favorit Nunez Feijoo hatte seine Teilnahme verweigert.

Sein möglicher künftiger Koalitionspartner Santiago Abascal von Vox stand deshalb am Mittwochabend dem sozialistischen Regierungschef Sanchez und seiner Stellvertreterin Yolanda Diaz vom Wahlbündnis Sumar, früher von Unidas Podemos, allein gegenüber. Sanchez griff dabei Nunez Feijoo und Abascal frontal an. „Feijoo ist hier nicht erschienen, weil es ihm peinlich ist, zusammen mit ihnen, Herr Abascal, aufzutreten“, sagte der Sozialist.

„Trump-Tricks in Madrid“

Abascal machte nach Einschätzung spanischer Kommentatoren einen eher mäßigen Eindruck. Er wiederholte seine Wahlkampfslogans, die Spanier seien unter der linken Regierung verarmt und müssten vor illegal Einwandernden und Kriminalität geschützt werden. Der Staat sei zudem beim Schutz von Minderheiten und der Umwelt viel zu weit gegangen. Sanchez warf ihm vor, wie Ex-US-Präsident Donald Trump den Klimawandel zu leugnen.

Wahlplakate verschiedener Parteien in Ronda (Spanien)
Reuters/Jon Nazca
„Für dich“, „Vorwärts“, „Es ist Zeit“: Richtungsentscheidung in Spanien

Stichwort Trump: Der deutsche „Spiegel“ ortete jüngst im Wahlkampf „Trump-Tricks in Madrid“. Schon vor der Wahl säten „Spaniens Konservative Zweifel am Ergebnis. Ihr Wahlkampf wird immer populistischer, eine Koalition mit der rechtsradikalen Partei Vox wahrscheinlicher. Die Folgen sind schon jetzt zu spüren“, kommentierte das deutsche Nachrichtenmagazin und nannte als Beispiele Angriffe auf Medien und das Verbreiten von Halbwahrheiten.

„Steht für europaweiten Trend“

„Feijoo kuschelt mit den Rechtsradikalen, könnte mit ihnen am Ende koalieren – und steht damit für einen europaweiten Trend“, schrieb der „Spiegel“. Aktuell gewännen „rechte Parteien fast überall in Europa hinzu – und in vielen Ländern arbeiten Christdemokraten inzwischen offen mit Rechtspopulisten zusammen“. Nunez Feijoo habe sich lange gegen ein Bündnis mit Vox gesträubt, aber um regieren zu können, würde er es eingehen.

Sanchez’ Chancen, eine Mehrheit gemeinsam mit Sumar und Kleinparteien zu bilden, seien relativ gering, schrieb die „Financial Times“ zuletzt. Er erhoffte sich auch Stimmen von Briefwählern, quasi „vom Strand aus“, nachdem die Wahl mitten in die Ferien fällt, und warnte eindringlich vor einem Rechtsdruck.

Eine Rekordzahl von 2,6 Millionen Spanierinnen und Spaniern – laut der Zeitung grob sieben Prozent der Wahlberechtigten – wollten ihre Stimme per Brief abgeben. Die britische Zeitung nannte die Wahl ein „Glücksspiel“ bzw. eine „Lotterie“ („gamble“) von Sanchez.

Der „Wind des Populismus“

Ganz ähnlich andere internationale Kommentare, etwa aus dem Nachbarland Frankreich. Die linksliberale Tageszeitung „Liberation“ schrieb, Sanchez brauche sich „für seine Bilanz nicht zu schämen, sowohl in wirtschaftlicher und sozialer als auch in gesellschaftlicher Hinsicht“, dennoch drohe ihm eine Niederlage.

Eine „Remontada“, ein Comeback, sei „nicht auszuschließen, aber die Wette, die der spanische Regierungschef nach der Niederlage seines Lagers bei den vergangenen Lokalwahlen damit eingegangen ist, die Wahl vorzuziehen, erinnert stark an ein Alles oder nichts“. Auch Spanien entgehe nicht dem „Wind des Populismus“, der über viele Länder Europas wehe.