Wolodymyr Selenskyj
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Selenskyj zu Verbündeten

Gegenoffensive „nimmt bald Tempo auf“

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist angesichts der bisher sehr geringen Erfolge der Offensive gegen die russischen Besatzer bemüht, gegenüber den Verbündeten Zuversicht zu signalisieren. Er versicherte laut „Financial Times“ am Wochenende, dass die Gegenoffensive kurz davor sei, „an Tempo zu gewinnen“. Die heftigen Gefechte dauern unterdessen an. Kiew griff offenbar per Drohne erneut ein Munitionslager auf der Krim an.

Er verwies erneut darauf, dass die Gegenoffensive erst später als geplant gestartet habe werden können, weil es an Munition, Waffen und auf die Systeme entsprechend trainierten Einheiten gefehlt habe. Das habe Russland mehr Zeit gegeben, die Verteidigungslinien zu stärken.

Doch ein Umschwung an der Front stehe bevor, zeigte sich der via Videoleitung zugeschaltete Selenskyj beim Aspen-Sicherheitsforum zuversichtlich. „Wir nähern uns einem Punkt, an dem die relevanten Aktionen an Tempo gewinnen können, weil wir bereits an einigen Stellen die Minenfelder durchbrochen haben und diese jetzt entminen.“ Selenskyj wiederholte zugleich seine Forderung nach mehr Langstreckenraketen und modernen Kampfjets.

Die Entwicklung der Gegenoffensive sei „die Frage, die jeden hier gerade voll und ganz beschäftigt“, betonte Kanadas Vizepremierministerin Chrystia Freeland laut „Financial Times“. Der nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, betonte, erst wenn die Ukraine alle ihre Kräfte für die Gegenoffensive mobilisiere, werde man den Fortgang beurteilen können. Zugleich widersprach Sullivan der Ukraine bezüglich der Wichtigkeit von F-16-Kampfjets für den Verlauf des Krieges. Wegen der starken Luftabwehr auf beiden Seiten würden Kampfjets keine zentrale Rolle spielen, so Sullivan.

Explosion in Munitionslager auf Krim

Die Kämpfe im Osten und Süden der Ukraine dauern unterdessen unvermindert an. Von diesen Schauplätzen gibt es allerdings kaum auch nur halbwegs gesicherte aktuelle Informationen. Auf der von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim geriet nach russischen Behördenangaben ein Munitionslager durch einen ukrainischen Drohnenangriff in Brand. Nach ersten Erkenntnissen gebe es keine Toten oder Verletzten, teilte der von Moskau eingesetzte Statthalter Sergej Axjonow am Samstag mit. Aus Sicherheitsgründen sei die Evakuierung der anliegenden Ortschaften und die Einstellung des Bahnverkehrs angeordnet worden.

Der Vorfall ereignete sich demnach im Bezirk Krasnogwardejsk nördlich von Simferopol im zentralen Teil der Krim. In sozialen Netzwerken kursieren Videos, die einen Großbrand dokumentieren. Auf einigen Videos sind auch Detonationen zu hören. Zunächst war auch von einem Angriff auf ein Treibstofflager die Rede.

Zuvor war bekannt geworden, dass die Brücke zur Krim vorübergehend gesperrt worden war – trotz auf der Brücke befindlicher Fahrzeuge. Die Sperre dürfte in Verbindung mit den Angriffen gestanden sein.

Angriffe auf Donbas-Gebiet

Im Donbas-Gebiet sind bei einem russischen Luftangriff mindestens acht Menschen getötet worden. Es wird befürchtet, dass die Zahl der Opfer weiter steigen wird. Russland wirft der Ukraine dagegen vor, Streumunition auf grenznahes russisches Territorium gefeuert zu haben.

Selenskyj: Krim-Brücke legitimes Ziel

Selenskyj hatte zuvor die Brücke, die die Halbinsel Krim mit Russland verbindet, als legitimes militärisches Ziel bezeichnet. „Das ist die Route, die genutzt wird, um den Krieg mit Munition zu versorgen, und das geschieht täglich. Dadurch wird die Krim-Halbinsel militarisiert“, so Selenskyj auf der Sicherheitskonferenz.

Am Montag hatten Explosionen auf der Krim-Brücke zwei Zivilisten getötet und einen Teil der Brücke beschädigt, die erst vor Kurzem wieder vollständig nutzbar war, nachdem sie bei einem ähnlichen Anschlag im Oktober schwer beschädigt worden war. Die Ukraine begrüßte zwar den Angriff, übernahm aber nicht direkt die Verantwortung.

Mehrere Tote bei russischen Angriffen

Laut ukrainischen Behörden wurden bei nächtlichen russischen Angriffen in insgesamt elf Regionen mindestens acht Menschen getötet und weitere verletzt.

Bei einem Angriff mit Fliegerbomben auf die Ortschaft Nju-Jork im Donbas-Gebiet seien gestern Abend mindestens vier Menschen getötet worden. Zwei Zivilisten wurden demnach durch Raketenbeschuss in der Stadt Kostiantyniwka in der Region Donezk getötet. Außerdem seien dabei 20 Häuser zerstört worden, mehrere Autos und eine Gasleitung. Zwei weitere Menschen wurden nahe der nördlichen Stadt Tschernihiw, etwa 100 Kilometer von der russischen Grenze entfernt, getötet. Eine Rakete traf dabei ein Kulturzentrum.

Drei Zivilisten wurden laut ukrainischen Angaben beim Beschuss von Nikopol, einer Stadt nahe dem AKW Saporischschja, verletzt. Kiew wirft Moskau immer wieder vor, das Gelände des AKW zum Beschuss von nahe gelegenen Gebieten, die sich in der Hand der ukrainischen Armee befinden, zu nutzen.

Russische Vorwürfe zu Streumunition-Einsatz

Der Gouverneur der russischen Grenzregion Belgorod warf der Ukraine unterdessen den Einsatz von Streumunition auf russischem Staatsgebiet vor. Beide Seiten verwenden seit Kriegsbeginn Streumunition – neu wäre der Einsatz auf russischem Gebiet. Die ukrainische Armee habe am Freitag „21 Artilleriegeschoße und drei Ladungen Streumunition auf den grenznahen Ort Schurawlewka geschossen“, sagte Regionalgouverneur Wjatscheslaw Gladkow am Samstag in Telegram. Die Munition sei von einem Mehrfachraketenwerfer abgeschossen worden.