Ex-US-Präsident Donald Trump
Reuters/Lindsay Dedario
Kapitol-Sturm

Trump wegen Verschwörung angeklagt

Der frühere US-Präsident Donald Trump ist im Zusammenhang mit Versuchen der Wahlbeeinflussung und der Attacke auf das US-Kapitol am 6. Jänner 2021 angeklagt worden. Die 45 Seiten umfassende Anklageschrift von Sonderermittler Jack Smith umfasst vier Anklagepunkte, darunter Verschwörung zum Betrug gegen die Vereinigten Staaten sowie Verfahrensbehinderung.

„Die Absicht der Verschwörung war es, die legitimen Ergebnisse der Präsidentschaftswahl 2020 unter der Verwendung wissentlich falscher Vorwürfe des Wahlbetrugs zu kippen“, heißt es in der Anklageschrift. Demzufolge hat sich der Republikaner an diesem Donnerstag um 16.00 Uhr (Ortszeit, 22.00 Uhr MESZ) vor einem Bundesgericht in Washington einzufinden.

Hintergrund sind die Untersuchungen gegen Trump zu seinen Versuchen, den Ausgang der Präsidentenwahl 2020 zu beeinflussen, die am 6. Jänner 2021 in einer beispiellosen Attacke seiner Anhänger auf das Kapitol gipfelten. Trump hatte seine Unterstützer und Unterstützerinnen in einer Rede kurz zuvor einmal mehr mit der Behauptung aufgewiegelt, dass er durch schweren Wahlbetrug um seinen Sieg gebracht worden wäre. Beim Sturm auf das Kapitol starben fünf Menschen.

Sturm auf das Kapitol
AP/John Minchillo
Trump-Anhänger versuchten am 6. Jänner 2021, die Beurkundung der Wahlniederlage des damaligen Amtsinhabers zu verhindern

Trump hatte die Präsidentenwahl 2020 gegen den Demokraten Joe Biden verloren. Er gestand seine Niederlage aber nie ein, sondern verbreitet seitdem falsche Behauptungen, er wäre durch massiven Wahlbetrug um einen Sieg gebracht worden. Trump und sein Umfeld versuchten damals auf diversen Wegen, das Ergebnis nachträglich zu kippen – unter anderem mit Klagen und auch mit politischem Druck auf Entscheidungsträger im Bund und in verschiedenen Bundesstaaten.

Trump soll Sturm auf Kapitol bewusst genutzt haben

Trump habe gewusst, dass sein Vorwurf der Wahlfälschung unwahr gewesen sei, heißt es in der Anklageschrift. „Diese Behauptungen waren falsch, und der Angeklagte wusste, dass sie falsch waren.“ Er habe den Vorwurf trotzdem wiederholt, um eine intensive, landesweite, von Misstrauen und Wut geprägte Stimmung zu schaffen sowie das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Ablauf der Wahl zu untergraben.

Trump und seine sechs Mitverschwörer hätten falsche Wahlleute in sieben Bundesstaaten rekrutiert, in denen der Republikaner 2020 die Abstimmung verloren hatte. Ihre Stimmen sollten vom Kongress als echt zertifiziert werden. Zudem habe Trump den Sturm auf das Kapitol „ausgenutzt“, um seine Pläne voranzutreiben, hieß es weiter.

Pieh (ORF) zur zweiten Anklage gegen Trump

Der frühere US-Präsident Donald Trump wird im Zusammenhang mit Versuchen der Wahlbeeinflussung und der Attacke auf das US-Kapitol am 6. Jänner 2021 angeklagt. ORF-Korrespondentin Inka Pieh mit den Details.

Es ist bereits die zweite Anklage auf Bundesebene gegen den 77-Jährigen und die dritte Anklage gegen den Ex-Präsidenten wegen einer Straftat. Es ist allerdings das erste Justizverfahren, das sich auf seine Amtszeit bezieht. Über die Anklage gegen Trump entschieden die Geschworenen einer Grand Jury. Sie hatte unter anderem Aussagen vom ehemaligen Anwalt im Präsidialamt, Pat Cipollone, und Trumps Vizepräsidenten Mike Pence gehört.

Trump zu Pence: „Du bist zu ehrlich“

Trump hatte Pence, der die Kongresssitzung am 6. Jänner 2021 in seiner Rolle als Vizepräsident leitete, damals offen aufgerufen, das Prozedere zur Bestätigung von Bidens Wahlsieg zu blockieren. Als sich Pence weigerte, hetzte Trump Anhänger und Anhängerinnen gegen den Vize auf.

Der Mob rief an jenem Tag unter anderem „Hängt Pence“. In der Anklageschrift wird auch aus persönlichen Unterhaltungen zwischen Trump und Pence zitiert – unter anderem unter Berufung auf damalige Notizen von Pence. In einem der Gespräche sagte Trump zu seinem Vize: „Du bist zu ehrlich.“

Sonderermittler Smith sagte, er strebe ein schnelles Verfahren an. Die Kapitol-Attacke sei „ein beispielloser Angriff auf den Sitz der amerikanischen Demokratie“ gewesen. Die Attacke sei durch Lügen des Beschuldigten angeheizt worden. Er betonte, Ermittlungen gegen andere Personen in dem Fall gingen weiter.

Anwaltsteam könnte mehr Zeit fordern

Einer von Trumps Verteidigern brachte unterdessen einen virtuellen Auftritt Trumps vor Gericht ins Spiel. Anwalt John Lauro sagte dem Fernsehsender CNN auf die Frage nach dem für Donnerstag in Washington angesetzten Gerichtstermin in dem Fall, sein Mandant werde entweder virtuell oder direkt teilnehmen. Das hänge letztlich vom Gericht ab.

Lauro deutete an, dass die Verteidigung für das weitere Prozedere bis zu einem möglichen Prozessauftakt ausreichend Zeit fordern werde. Die Ermittler hätten zweieinhalb Jahre an dem Fall gearbeitet, argumentierte er. Es könne daher nicht erwartet werden, dass Trumps Verteidigung nur Wochen für ihre Vorbereitung bekomme.

Als erster Ex-US-Präsident wegen Straftat angeklagt

Im Frühling war Trump bereits im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar in New York angeklagt worden. Damit war der Republikaner der erste Ex-Präsident in der US-Geschichte, gegen den wegen einer Straftat Anklage erhoben wurde. Er plädierte auf nicht schuldig.

Im Juni folgte die erste Anklage auf Bundesebene in Miami, weil Trump Regierungsdokumente mit höchster Geheimhaltungsstufe nach seiner Amtszeit in seinem Anwesen Mar-a-Lago aufbewahrt und nach Aufforderung nicht zurückgegeben hatte. Auch hier plädierte Trump auf nicht schuldig.

Außerdem könnte dem Republikaner womöglich eine weitere Anklage bevorstehen: Im Bundesstaat Georgia ermittelte die Staatsanwaltschaft zweieinhalb Jahre lang wegen potenzieller Wahlbeeinflussung durch Trump und dessen Umfeld. Eine Entscheidung über eine etwaige Anklageerhebung steht dort noch aus.

Trump will wieder antreten

Trump will bei der Präsidentenwahl im kommenden Jahr erneut für die Republikaner antreten. Er streitet alle Vorwürfe ab und wertet jedes juristische Vorgehen gegen ihn als Versuch seiner Gegner, ihn von einem Wiedereinzug ins Weiße Haus abzuhalten. Weder die Bundesanklage zu den Geheimdokumenten noch die neue zur Wahl 2020 hindern laut Experten Trump daran, weiter Wahlkampf zu betreiben oder im Fall eines Sieges ins Weiße Haus zurückzukehren. Umfragen zufolge liegt er derzeit im Vorwahlkampf der Republikaner deutlich vorne.

Das Wahlkampfteam des Republikaners wies die Vorwürfe zurück und erklärte, Trump habe immer das Gesetz befolgt. Die gesetzlose Art, wie der Ex-Präsident und seine Anhänger verfolgt würden, „erinnert an das Nazi-Deutschland der 1930er Jahre, die ehemalige Sowjetunion und andere autoritäre, diktatorische Regime“, hieß es weiter.

In den politisch tief gespaltenen USA rief die Anklage Trumps entsprechend unterschiedliche Kommentare hervor – seine Verbündeten verteidigten ihn gewohnt kompromisslos. Pence, der sich ebenfalls für die republikanische Kandidatur bewirbt, teilte dagegen scharf gegen seinen ehemaligen Chef aus: „Die heutige Anklage ist eine wichtige Erinnerung: Wer sich über die Verfassung stellt, sollte niemals Präsident der Vereinigten Staaten sein.“ Trumps größter innerparteilicher Konkurrent, Floridas Gouverneur Ron DeSantis, kommentierte die Vorwürfe nicht direkt.

Trump hatte in seinem sozialen Netzwerk Truth Social die Veröffentlichung der Anklageschrift durch den Sonderermittler angekündigt. „Ich habe gehört, dass der gestörte Jack Smith eine weitere gefälschte Anklageschrift gegen Ihren Lieblingspräsidenten herausgeben wird, um die Präsidentschaftswahl 2024 zu behindern“, schrieb er.