Sebastian Kurz
ORF.at/Roland Winkler
Reaktionen auf Kurz-Anklage

„Nur die Spitze des Eisbergs“

Nachdem die Anklage gegen den ehemaligen Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz wegen Falschaussage im „Ibiza“-U-Ausschuss am Freitag bekanntgeworden ist, haben sich alle Parlamentsparteien inklusive der ÖVP erfreut darüber gezeigt, dass es nun eine Klärung der Vorwürfe geben werde. Während Kurz und die Mitangeklagten die Bestätigung ihrer Unschuld erwarten, sehen SPÖ und FPÖ in den Anklagepunkten nur die „Spitze des Eisbergs“ eines noch immer bestehenden „Systems Kurz“.

Von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wegen falscher Zeugenaussage zur Anklage gebracht wurden neben Kurz auch sein langjähriger Vertrauter Bernhard Bonelli, Kabinettschef im Bundeskanzleramt unter Kurz (sowie anschließend unter dessen Nachfolger Alexander Schallenberg, ÖVP). Zudem angeklagt sind die vormalige ÖVP-Vizeparteichefin Bettina Glatz-Kremsner, bis März 2022 Generaldirektorin der Casinos Austria und Vorstandsvorsitzende der Österreichischen Lotterien.

Bereits am Vormittag hatte Kurz auf Twitter (X) geschrieben: „Die Vorwürfe sind falsch, und wir freuen uns darauf, wenn nun endlich die Wahrheit ans Licht kommt und sich die Anschuldigungen auch vor Gericht als haltlos herausstellen.“ Es sei „für uns wenig überraschend, dass die WKStA trotz 30 entlastender Zeugenaussagen dennoch entschieden hat, einen Strafantrag zu stellen“. Als „bemerkenswert und rechtsstaatlich nicht unbedenklich“ bezeichnete es Kurz, „dass die Medien einmal mehr vor den Betroffenen über den Verfahrensstand informiert sind“.

„Die Entscheidung der WKStA, den nunmehr vorliegenden Strafantrag zu erheben, ist zur Kenntnis zu nehmen“, hieß es seitens des Rechtsvertreters Glatz-Kremsners, die vom Wiener Strafverteidiger Lukas Kollmann vertreten wird. „Meine Mandantin ist jedoch sehr zuversichtlich, dass sie ihren Standpunkt gegenüber dem Gericht umfassend darlegen wird können, und sie geht von einem positiven Verfahrensausgang aus“, meinte Kollmann in einer Stellungnahme.

Nehammer: „Endlich die Möglichkeit der Aufklärung“

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sieht bei einer Anklage gegen Kurz vor allem die Gelegenheit für eine Aufklärung des Falles: „Wenn es so weit ist, besteht jetzt endlich die Möglichkeit der Aufklärung für alle betroffenen Personen und die Gelegenheit, tatsächlich diese Aufklärung anzustreben“, sagte er in einer Pressekonferenz mit seinem deutschen Amtskollegen Olaf Scholz am Freitag in Salzburg.

Erste Reaktionen auf Anklage gegen Kurz

Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wird in der Causa Falschaussage im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss angeklagt. Am Freitag kam es bereits zu ersten Reaktionen auf die Anklage seitens der österreichischen Innenpolitik.

„Es ist wichtig, dass es endlich zur Klärung der Vorwürfe kommt“, meinte auch ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker. Dass das Verfahren so lange in der Schwebe gewesen sei, zeige, „dass die Vorwürfe offenbar auf sehr schwachen Beinen stehen“. Stocker kritisierte auch, dass die Medien vor den Betroffenen von weiteren Verfahrensschritten informiert gewesen seien, was beweise, dass es in diesem Bereich dringend Reformbedarf gebe. „Es braucht kürzere Verfahren und einen angemessenen Anspruch auf Schadenersatz bei Freisprüchen“, so Stocker.

Grüne warnen Koalitionspartner vor Angriffen auf die Justiz

„An Tagen wie heute zeigt sich einmal mehr: Die Justiz arbeitet ohne Ansehen der Person und ermittelt unabhängig“, reagierte der Koalitionspartner der ÖVP, die Grünen, in einer schriftlichen Stellungnahme. „Wir haben vollstes Vertrauen in die Justiz, die wird in Ruhe und mit der gebotenen Seriosität arbeiten.“ Aufklärung und Transparenz seien jetzt die entscheidenden Punkte. „Angriffe und Unterstellungen gegen die Justiz und den Rechtsstaat sind jetzt – wie auch sonst – nicht sinnvoll und unpassend“, hieß es weiter in der Aussendung.

Reaktionen auf Anklage gegen Kurz

Nachdem die Anklage gegen den ehemaligen Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz am Freitag bekanntgeworden ist, haben sich alle Parlamentsparteien inklusive der ÖVP erfreut darüber gezeigt, dass es nun eine Klärung der Vorwürfe geben werde. Während Kurz und die Mitangeklagten die Bestätigung ihrer Unschuld erwarten, sehen SPÖ und FPÖ in den Anklagepunkten nur die „Spitze des Eisbergs“ eines noch immer bestehenden „Systems Kurz“.

Babler will „moralisch und politisch nicht einmal anstreifen“

„Jetzt geht um es eine gerichtliche Frage, moralisch ist dieses System Kurz gescheitert“, meinte SPÖ-Chef Andreas Babler am Rande einer Pressekonferenz. Kritik übte er an Nehammer, denn „eine Distanzierung findet überhaupt nicht statt“. „Moralisch und politisch mag ich nicht einmal anstreifen an so einem Politikstil“, sagte Babler. Das „System Kurz“ sei in der ÖVP noch immer intakt, kommentierte der einstige SPÖ-Fraktionsführer im U-Ausschuss, Kai Jan Krainer, die Anklageerhebung. Noch immer seien „zahlreiche Drahtzieher“ in engsten Parteikreisen beschäftigt.

Der Freiheitliche Christian Hafenecker sieht in der Anklage „nur die Spitze des Eisbergs“. Von einer Vorverurteilung des Ex-Kanzlers hält der FPÖ-Generalsekretär dennoch nichts: „Es gilt auch hier die Unschuldsvermutung.“ Die FPÖ setze ihr Vertrauen ganz in die Justiz.

Douglas Hoyos (NEOS) meinte wiederum: „Jetzt gilt es, die Justiz in Ruhe arbeiten zu lassen – ohne Versuche, die Justiz und dieses Verfahren durch türkise Querschüsse behindern zu wollen.“ In der Kanzlerschaft von Kurz sei zu viel Vertrauen in die Politik und die Institutionen in Österreich verloren gegangen, jetzt liege es an allen, dieses Vertrauen wiederherzustellen. „Dieses Verfahren kann dazu erst der Anfang sein. Denn mit Sebastian Kurz ist das Glaubwürdigkeits- und Vertrauensproblem, insbesondere der ÖVP, nicht verschwunden“, so Hoyos.