Finanzminister Magnus Brunner und Willibald Cernko
APA/Georg Hochmuth
Kreditnehmer unter Druck

Brunner stellt Maßnahmen in Aussicht

Als Reaktion auf die hohen Kredit- und niedrigen Sparzinsen haben Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) und Willi Cernko, Obmann der Sparte Bank und Versicherung in der Wirtschaftskammer, am Mittwoch Maßnahmen in Aussicht gestellt. Kreditnehmenden, die unter Druck geraten sind, soll entgegengekommen werden. Bei variablen Krediten sollen keine Mahnspesen und Verzugszinsen verrechnet werden. In Einzelfällen sollen auch Stundungen oder eine Verlängerung der Laufzeiten möglich sein.

In Österreich war zuletzt gut die Hälfte der Immobilienkredite variabel verzinst – ein hoher Wert im internationalen Vergleich. Für viele Konsumentinnen und Konsumenten werden diese Kredite immer mehr zum Problem, da die Banken durch die jüngsten Leitzinserhöhungen der Europäische Zentralbank (EZB) auch ihre Zinssätze heben und damit die Rückzahlungsraten steigen.

„Wer sich für variabel verzinsten Wohnkredit entschieden hat, war in den letzten Monaten mit steigenden Kosten konfrontiert“, so Brunner. Es sei für ihn „klar, dass Handlungsbedarf besteht“. Gemeinsam mit Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und dem Bankensektor habe er konstruktive Gespräche geführt. Man sei sich nun einig, dass man reagieren müsse, nicht nur im Bereich der Finanzierung, sondern auch in Bezug auf Sparerinnen und Sparer.

Cernko verweist auf „Einzelfälle“

Er habe Verständnis für die Problematik und verspreche für die ganze Branche, „dass wir uns hier wirklich kundenorientiert verhalten werden“, sagte auch der Vorstandschef der Erste Group und Obmann der Sparte Bank und Versicherung in der Wirtschaftskammer, Cernko. Man stelle Maßnahmen bereit, um „allfällige Probleme unmittelbar zu adressieren“, und habe das Vorgehen quer durch die gesamte Bankenbranche akkordiert. Etwa in Salzburg wolle man „jeden einzelnen Fall prüfen“, sagte Salzburgs Spartenobmann Heinz Konrad – mehr dazu in salzburg.ORF.at.

Indem man in Aussicht stelle, ein Jahr lang keine Mahnzinsen und Verzugsspesen zu verrechnen, reagiere man jedoch auf Einzelfälle, betonte Cernko. „Wir reagieren auf eine Befürchtung.“ Er selbst glaube nicht, dass eine Vielzahl österreichischer Haushalte „unter der Zinslast zusammenbricht“, das würden die Daten nicht hergeben. „Es gibt dramatische Einzelfälle, aber da gibt es Lösungen.“ Man sei sich jedoch vollkommen bewusst, dass neben steigenden Zinsen auch die Teuerung in den Bereichen Lebensmitteln und Energie die Haushalte belaste.

„Eigenheiminitiative“ angekündigt

Neben dem zeitlich begrenzten Verzicht auf Mahnspesen und auf die Verrechnung von Verzugsszinsen für „alle jene, die Gefahr laufen, hier Schwierigkeiten zu bekommen“, sowie potenziellen Stundungen sprach sich Cernko auch für „mehr Transparenz und Wettbewerb“ aus. Zudem hätten die Diskussionen der letzten Wochen gezeigt, dass Bargeld den Menschen in Österreich wichtig sei. Man wolle daher Gemeinden, die einen Bankomaten durch Payment Services Austria (PSA) betreiben wollen, ein spezielles Angebot zum Selbstkostenpreis unterbreiten.

KIM-Verordnung

Die seit August 2022 geltende Verordnung gibt eine maximale Kreditlaufzeit von 35 Jahren vor, 20 Prozent der Gesamtkosten müssen mit Eigenmitteln finanziert sein, und die monatliche Kreditrate darf maximal 40 Prozent des verfügbaren Nettohaushaltseinkommens ausmachen.

Im Kontext der Neuevaluierung der KIM-Verordnung sei zudem eine Arbeitsgruppe für eine „Eigenheiminitiative“ der österreichischen Banken geplant. Aus eigenen Mitteln soll demnach einmalig ein Topf in der Höhe eines zwei- bis dreistelligen Millionenbetrags lukriert werden, durch den insbesondere junge Familien für die eigengenutzte Immobilie mit „zeitlich befristeten Zinszuschüssen“ gefördert werden sollen. Im Herbst werde es ein entsprechendes Paket geben.

Brunner: Mehr Transparenz bei Sparzinsen

Auch Finanzminister Brunner verwies darauf, dass es wichtig sei, die Transparenz in Bezug auf die Sparzinsen zu erhöhen. Dazu werde eine Plattform bei der Nationalbank (OeNB) installiert, die die Konditionen der Geldhäuser bündle und veröffentliche. „Damit können sich die Sparerinnen und Sparer jederzeit und einfach auch einen Überblick über die Angebote der unterschiedlichen Banken machen.“

Man habe sich zudem dazu entschlossen, „ein zusätzliches, sicheres Angebot für Sparer zu schaffen“ und den Bundesschatz wiederzubeleben. Dabei handle es sich um eine „sehr sichere Sparform und gute Alternative zum Sparbuch“, die auch für mehr Wettbewerb sorge. Österreich hatte das Onlinesparprodukt, damals zugänglich über Bundesschatz.at, angesichts der Niedrigzinsen im Jahr 2019 eingestellt.

Forderungen nach einem Zinsdeckel erteilte Brunner eine Absage, einen solchen umzusetzen sei rechtlich nicht möglich. „Wenn wir über Zinsdeckel sprechen, ist das kartellrechtlich nicht möglich und würde zu massiven Verwerfungen an Finanzmärkten führen“, sagte er mit Verweis auf Italien. Auch eine Sondersteuer werde es nicht geben, man habe gesehen, dass das „nicht unbedingt eine gute Idee“ sei.

Zinsüberschüsse sorgten für Diskussionen

Über die steigenden Zinsüberschüsse der Banken sowie das größer werdende Gefälle zwischen den Kreditzinsen und den Sparzinsen war hierzulande zuletzt eine intensive Diskussion entbrannt. Die FPÖ forderte eine Übergewinnsteuer nach italienischem Vorbild, die SPÖ pochte auf Eingriffe in den Markt und sprach sich für Mindestzinsen auf Spareinlagen aus. Die Debatte rief sodann das Sozialministerium auf den Plan, das den Verein für Konsumenteninformation (VKI) mit einer Verbandsklage gegen den Bankensektor beauftragte.

Erste Ergebnisse nach Bankengipfel

Finanzminister Brunner (ÖVP) hat am Mittwoch mit Vertretern der Banken über Maßnahmen gegen die steigenden Kreditzinsen beraten. In einem ersten Schritt sollen Mahnspesen und Verzugszinsen wegfallen, für alle Personen, die derzeit ihre Raten nicht bezahlen können.

FPÖ und SPÖ sehen „Verhöhnung“

Es sei „geradezu eine Verhöhnung der Betroffenen“, wenn Brunner statt eines Zinsdeckels eine Plattform präsentiere, auf der die Konditionen für Spareinlagen einzusehen seien, sagte SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer am Mittwoch. „Was hilft das jenen, die jetzt ihre Kreditraten nicht mehr bedienen können, was sollen die dort anlegen?“ Mit dem „großzügigen“ Verzicht auf Mahnspesen und Verzugszinsen würden sich die Banken nicht aus ihrer Verantwortung stehlen können.

Dass die Banken die Bankomaten der Gemeinden zum Selbstkostenpreis übernehmen, brauche es auch „in allen Gemeinden, die keinen Bankomaten mehr haben“, so der Vorsitzende der SPÖ Niederösterreich, Sven Hergovich.

Einfamilienhaus im Bau
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Immobilienkredite werden aufgrund der steigenden Kosten für Kaufinteressenten zunehmend zur Hürde

Die FPÖ vermisste „faire Sofortmaßnahmen im Sinne der ohnehin teuerungsgeplagten Kunden“ und nannte das Maßnahmenpaket „eine Verhöhnung der Kunden“. Die Regierung sei gescheitert. Für Sparerinnen und Sparer gebe es „genau nichts, und die Kreditnehmer sind bei Verzugszinsen und Mahnspesen Bittsteller der Banken“, so FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl und FPÖ-Finanzsprecher Hubert Fuchs.

Kritik von ÖGB, AK und Verbraucherschutz

Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) zeigte sich enttäuscht. Es sei zu begrüßen, dass man sich bewege, aber „die Problematik der hohen Zinsen für Überziehungskredite wurde nicht einmal angegangen“, kritisiert Helene Schuberth, Chefökonomin des ÖGB. Viele Länder hätten etwa Zinsobergrenzen für Kredite. Zinszuschüsse für eine Eigenheiminitiative würden zwar gut klingen, „aber die Ausgestaltung ist völlig unklar. Man kann nur hoffen, dass hier rasch ein Konzept ausgearbeitet wird“, so Schuberth.

Das arbeiterkammernahe Momentum Institut verwies wiederum auf das französische Modell und fordert Ähnliches für Österreich: Demnach erhalten Sparer in Frankreich derzeit auf Spareinlagen je nach Einkommen drei oder sechs Prozent Zinsen, wobei diese staatlich festgelegt werden. Für Bettina Schrittwieser von der Arbeiterkammer Steiermark sind die vorgestellten Maßnahmen ein positiver Schritt – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Aber auch bei den Verbraucherschutzorganisationen sind die Zinsen ein Thema: Die Rechtsschutzplattform Cobin Claims sieht Beratungsfehler, die Kreditnehmer teuer kommen. Aber auch bei den rund 45.000 derzeit noch offenen Franken-Krediten mit Endfälligkeit und Tilgungsträgern sieht Cobin-Claims-Obmann Oliver Jaindl Probleme: Hier sollte die Politik für ein Moratorium sorgen, um Notfälle und Zwangsversteigerungen zu verhindern.

Der Verbraucherschutzverein (VSV) kritisierte ebenfalls die Fremdwährungskredite und fordert eine Verlängerung der Verjährungsfrist für falsche Beratung von drei auf 30 Jahre sowie einen Unterstützungsfonds für Klagen und einen Härtefallfonds sowie die Umsetzung der EU-Richtlinie für Sammelklagen, um Betroffenen einfacher helfen zu können.

Lob von WKO und IV

„Die Banken haben gemeinsam mit der Bundesregierung ein Paket ausgearbeitet, das Kreditnehmer:innen dann unter die Arme greift, wenn und wo es wirklich notwendig ist“, zeigte sich hingegen der Wirtschaftskammer-Generalsekretär Karlheinz Kopf mit den Ankündigungen zufrieden. „Damit muss auch das populistische Spiel einzelner Politiker auf dem Rücken einer gesamten Branche ein Ende haben.“

Positiv reagierte auch die Industriellenvereinigung (IV). „Die Vorschläge im Bereich der Wohnraumfinanzierung sind ein wichtiger Schritt zur Unterstützung bei der Finanzierung der eigenen vier Wände – ohne zusätzliche staatliche Eingriffe. Mit den Vorschlägen zur Transparenz der Verzinsung von Spareinlagen wird sichergestellt, dass jede Bürgerin und jeder Bürger ihr Geld mit der jeweils besten Verzinsung anlegen können“, sagte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer.