Der Chef der russischen Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin
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Flugzeugcrash

Prigoschin laut Russland auf Passagierliste

Der russische Söldnerführer Jewgeni Prigoschin könnte zwei Monate nach seiner rätselhaften Meuterei beim Absturz eines Flugzeugs in Russland getötet worden sein. Prigoschins Name stehe auf der Passagierliste, teilte die Luftfahrtbehörde Rosawiazija am Mittwoch mit, wie russische Agenturen berichteten. Der Telegram-Kanal Grey Zone, den Prigoschin üblicherweise zur Verbreitung von Videos nutzte, vermeldete inzwischen dessen Tod.

Von offizieller Seite steht eine Bestätigung noch aus. Die Embraer-Maschine auf einem Flug von Moskau nach St. Petersburg sei in der Region Twer nördlich der Hauptstadt niedergegangen, meldete die staatliche Nachrichtenagentur TASS zuvor am Mittwochabend unter Berufung auf das Katastrophenschutzministerium.

An Bord des Jets sollen sich zehn Personen – davon sieben Passagiere und drei Besatzungsmitglieder – befunden haben. An der Absturzstelle eines Privatjets wurden acht Leichen geborgen, meldete die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti unter Berufung auf Rettungsdienste. Eine Bestätigung, dass Prigoschin an Bord der Maschine war, blieb aus.

Derzeit würden Suchaktionen durchgeführt, hieß es. Die russische Flugaufsicht habe erklärt, dass Prigoschin auf der Passagierliste stehe, meldete TASS weiter. Die Maschine vom Typ Embraer Legacy sollte von Moskau nach St. Peterburg fliegen, wo Prigoschins Firmen ihren Sitz haben.

Brennendes Flugzeugwrack
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Die Aufnahme soll den abgestürzten Privatjet zeigen – das Foto kann nicht verifiziert werden

Prigoschin-Kanal: „Keine genauen Informationen“

Der Telegram-Kanal Grey Zone, den Prigoschin üblicherweise zur Verbreitung von Videos nutzte, verbreitete die Version eines gezielten Abschusses – überprüfbar war die Behauptung nicht. Grey Zone schrieb, es seien zwei Flugzeuge der Privatarmee Wagner in der Luft gewesen. Das zweite habe auf dem Flug nach St. Petersburg kehrt gemacht und sei im Flughafen Ostafjewo südlich von Moskau gelandet.

Grey Zone zog die Behördenversion in Zweifel, wonach Prigoschin auf der Passagierliste der ersten Maschine gestanden habe und getötet worden sei. „Wo Jewgeni Prigoschin letztlich war, dazu gibt es im Moment keine genauen Informationen“, hieß es. Auf mehreren angeblich mit der Wagner-Gruppe in Verbindung stehenden Telegram-Kanälen wurden Videos verbreitet, deren Echtheit derzeit nicht verifiziert werden kann. Sie zeigten brennende Trümmer auf einem Feld oder ein vom Himmel fallendes Flugzeug.

Weißes Haus: Prigoschin-Tod wäre „keine Überraschung“

„Wir haben gesehen, was (über den Absturz, Anm.) berichtet wurde. Wenn es bestätigt wird, wäre es für niemanden eine Überraschung“, erklärte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates der USA, Adrienne Watson. US-Präsident Joe Biden wurde nach Angaben des Weißen Hauses nach dem Flugzeugabsturz in Russland über die Lage auf dem Laufenden gehalten.

Erst am Dienstag soll General Sergej Surowikin, der als Verbindungsmann von Wagner-Chef Prigoschin galt und auch vorab vom Aufstand gewusst haben soll, abgesetzt worden sein. Nach Ansicht westlicher Fachleute wurde Surowikin bereits in den vergangenen Monaten de facto kaltgestellt.

Revolte startete vor genau zwei Monaten

Prigoschin (62) hatte auf den Tag genau vor zwei Monaten – also am 23. Juni – mit seiner Privatarmee Wagner gegen die russische Führung gemeutert, wobei die Hintergründe dieser Ereignisse bis heute unklar sind. Präsident Wladimir Putin nannte ihn einen Verräter.

Schon einen Tag später beendete Prigoschin jedoch den Aufstand nach Vermittlung des belarussischen Staatschefs Alexander Lukaschenko. Dieser bot ihm anschließend Zuflucht in Belarus an. Prigoschins Söldner wurden ihrerseits vor die Wahl gestellt, ebenfalls nach Belarus zu gehen, sich der regulären russischen Armee anzuschließen oder nach Hause zurückzukehren.

Beller (ORF) zum Flugzeugcrash

Miriam Beller berichtet aus Moskau über die neuesten Erkenntnisse nach dem vermeintlichen Flugzeugabsturz.

Video sollte Prigoschin in Afrika zeigen

Prigoschins Schicksal war in den Wochen danach ungewiss. Am Montag tauchte er in einem von Wagner-nahen Gruppierungen in Onlinenetzwerken verbreiteten Video auf. Darin berichtete er, sich in Afrika zu befinden. Vor dem Hintergrund einer Wüstenlandschaft sagte Prigoschin, er arbeite daran, „Russland auf allen Kontinenten noch größer und Afrika noch freier zu machen“.

Die von ihm aufgebaute Söldnertruppe hatte für Russland erst inoffizielle Spezialaufträge in Syrien, später auch in mehreren Staaten Afrikas erfüllt. Im Angriffskrieg gegen die Ukraine warb Prigoschin Häftlinge aus russischen Gefängnissen an. Die Truppe erlitt schwere Verluste in den Kämpfen um die ostukrainische Stadt Bachmut. Prigoschin warf der regulären Militärführung Unfähigkeit und Korruption vor.

Prigoschin war selbst im Gefängnis gesessen und wurde später unter dem Beinamen „Putins Koch“ bekannt. Er soll auch der Geschäftsmann hinter den Trollfabriken in St. Petersburg gewesen sein, die über soziale Netzwerke Einfluss auf westliche Länder zu nehmen versuchten.