Wrackteile an der Absturzstelle
AP/Alexander Zemlianichenko
Prigoschin-Tod

Kreml weist Verwicklung zurück

Zwei Tage nach dem mutmaßlichen Tod des russischen Söldnerführers Jewgeni Prigoschin bei einem Flugzeugabsturz herrscht weiter Unklarheit über die Umstände. Der Kreml bestritt am Freitag, den Befehl für Prigoschins mutmaßlichen Tod gegeben zu haben. „Das ist eine absolute Lüge“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Unterdessen wurde die erste Leiche aus dem Flugzeugwrack identifiziert.

Der Fall des Flugzeugabsturzes müsse „auf der Basis von Fakten“ behandelt werden, so Peskow. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte gestern Abend nur indirekt den Tod seines einstigen Günstlings, der als Chef der Privatarmee Wagner zwei Monate zuvor gegen ihn gemeutert hatte, bestätigt. Allerdings gehen auch die US-Regierung und der britische Geheimdienst offenbar von einem Tod Prigoschins aus.

Es gebe noch keine definitiven Beweise dafür, dass Prigoschin an Bord des Flugzeugs war, das Mittwochabend abgestürzt ist. Es sei jedoch „sehr wahrscheinlich“, dass er tot ist, erklärte das britische Verteidigungsministerium am Freitag. „Das Ableben von Prigoschin hätte mit ziemlicher Sicherheit eine zutiefst destabilisierende Wirkung auf die Wagner-Gruppe“, so das Ministerium in einem Update des Militärnachrichtendienstes, das auf Twitter (X) veröffentlicht wurde.

LKW mit Wrackteilen an der Absturzstelle
AP/Alexander Zemlianichenko
Am Freitag wurden die Bergungsarbeiten fortgesetzt

Identifizierung Prigoschins steht noch aus

Eine offizielle Identifizierung der Leiche Prigoschins durch die russischen Behörden stand bis Freitag noch aus. Am Freitag wurde jedoch die erste Leiche aus dem Wrack identifiziert. Es lägen „dokumentarische Beweise“ vor, dass Pilot Alexej Lewschin unter den Toten ist, sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person. Ein genetischer Abgleich mit seinen Verwandten stehe aber noch aus.

Putin sprach indes schon in der Vergangenheitsform von dem „talentierten Geschäftsmann“ und Söldnerführer Prigoschin. „Er war ein Mensch mit einem schwierigen Schicksal und er hat ernsthafte Fehler gemacht“, sagte er. Während der Meuterei der Wagner-Kämpfer gegen die russische Führung im Juni hatte Putin seinem langjährigen militärischen Handlanger Prigoschin Verrat vorgeworfen, ihm und seinen Gefolgsleuten dann aber die Ausreise nach Belarus ermöglicht.

Gefragt, ob Putin an einem Begräbnis Prigoschins teilnehmen würde, sagte Peskow nun, das sei unmöglich zu sagen. Putin habe einen „sehr vollen Terminkalender“, fügte er hinzu. Zur Zukunft der von Prigoschin geführten Wagner-Söldner sagte Peskow, die Existenz der Gruppe habe keine rechtliche Grundlage. Allerdings habe Wagner einen großen Beitrag geleistet für den Krieg in der Ukraine, den Russland lediglich militärische Operation nennt. Die Kämpfer der Söldner-Gruppe hätten „Heldentum“ an den Tag gelegt. Prigoschin hatte seine Kämpfer vielfach aus russischen Gefängnissen rekrutiert.

Blumen vor Prigoschins Firmensitz

Bei dem Flugzeugabsturz kamen zehn Menschen ums Leben. An Prigoschins Firmensitz in St. Petersburg und in anderen russischen Städten legten Trauernde Blumen nieder. Prigoschin und seine Wagner-Truppe hatten zwar wegen ihrer verdeckten Auslandseinsätze und wegen ihrer Brutalität auch im Inland keinen guten Ruf. Doch seine Kritik an Fehlern der russischen Militärführung machte ihn für viele Russinnen und Russen auch zu einem Helden. In sozialen Netzwerken wurde der Vorwurf erhoben, das vermeintliche Flugzeugunglück sei in Wahrheit ein Attentat auf Prigoschin gewesen – eine Einschätzung, die auch viele westliche Politiker und Militärexperten vertreten.

Gedenkfeier für Jewgeni Prigoschin in Moskau
Reuters
In zahlreichen Städten, wie hier in Moskau, wurden Blumen für Prigoschin niedergelegt

Flugschreiber geborgen

Flugschreiber und Trümmer der Maschine wurden unterdessen laut der russischen Nachrichtenagentur RIA für Untersuchungen abtransportiert. Das zentrale Ermittlungskomitee in Moskau informierte über die Bergung der Flugschreiber, deren Auswertung Rückschlüsse auf die Absturzursache geben könnten. Die Trümmerteile würden in eine Fahrzeugreparaturwerkstatt der Armee gebracht, berichtete die kremlnahe Zeitung „Iswestija“.

Prigoschin-Absturz: Kreml bestreitet Beteiligung

Nach dem mutmaßlichen Tod des russischen Söldnerführers Jewgeni Prigoschin weist der Kreml jegliche Beteiligung daran vehement zurück. Über die genauen Umstände herrscht weiterhin Unklarheit, ebenso wie über die Zukunft der Wagner-Privatarmee.

Die „New York Times“ und andere US-Medien berichteten unter Berufung auf US-Geheimdienstkreise, dass vermutlich eine Explosion an Bord des Flugzeugs den Absturz ausgelöst habe. Eine endgültige Schlussfolgerung sei noch nicht gezogen, eine Explosion aber derzeit die wahrscheinlichste Begründung, schrieb die „New York Times“. Ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums sagte, es gebe keine Hinweise, dass der Jet von einer Boden-Luft-Rakete getroffen worden sei. Das hatten Prigoschin nahestehende Websites und Kanäle in sozialen Netzwerken gemutmaßt.

Brennendes Wrack an der Absturzstelle
AP
Auf einem Video war ein brennendes Flugzeugwrack zu sehen, Beobachter gehen von einer Explosion aus

Russland kritisiert Bidens Äußerungen

Die russische Regierung kritisierte indes US-Präsident Joe Biden wegen dessen Bemerkungen zum mutmaßlichen Tod Prigoschins. Der stellvertretende Außenminister Sergej Rjabkow nannte Bidens Äußerungen laut staatlicher Nachrichtenagentur TASS inakzeptabel. Biden hatte nach dem Absturz von Prigoschins Flugzeug gesagt, er sei darüber nicht verwundert. Der US-Präsident fügte hinzu, in Russland passiere nicht viel, ohne dass Putin dahinterstecke.

Der Kommandant des Russischen Freiwilligenkorps (RVC), Denis Kapustin, forderte unterdessen die Kämpfer der Söldnergruppe Wagner auf, den Tod Prigoschins und ihres Kommandanten Dmitri Utkin zu rächen. „Ihr steht jetzt vor einer schweren Entscheidung. Ihr könnt euch in ein Wachhaus des russischen Verteidigungsministeriums stellen und als Wachhunde für die Vollstrecker eurer Befehlshaber dienen oder Rache nehmen“, sagte Kapustin in einer am späten Donnerstagabend veröffentlichten Videoansprache. Um Rache zu nehmen, würden sie aber auf die Seite der Ukraine wechseln müssen. Der RVC ist eine Gruppe russischer Kämpfer, die auf ukrainischer Seite kämpfen.