Wohnhäuser in Graz
ORF/Viviane Koth
„Schlechter Scherz“

Harsche Kritik an Mietpreisdeckel

Ab 2024 will die Regierung für drei Jahre die staatlich regelbaren Mieterhöhungen auf fünf Prozent pro Jahr deckeln – bei einer prognostizierten Inflation von rund vier Prozent. Obwohl eine Mietpreisbremse von SPÖ, FPÖ und vielen Organisationen lange gefordert worden war, hagelt es nun heftige Kritik. Der ÖGB spricht von einem „schlechten Scherz“, die Mietervereinigung von „Augenauswischerei“. Der Ökonom Christoph Badelt sieht den „Versuch eines Kompromisses“.

Die Opposition findet wenig Lob. SPÖ-Chef Andreas Babler sieht in den am Mittwoch vorgestellten Maßnahmen ein „Schmähpaket“. Die SPÖ fordert ein Einfrieren aller Mieten bis 2025 und danach eine Deckelung auf zwei Prozent. Die FPÖ will Mieten bis 2026 einfrieren und bewertet die Einigung der Regierung als „Scheinmaßnahme“. NEOS zeigt sich grundsätzlich skeptisch gegenüber einem Mietpreisdeckel.

Vielen Organisationen kommt der Deckel zu spät, und er sei zu hoch. Die Regierung habe zwei Jahre zugeschaut, wie viele Mieter und Mieterinnen in die Armut geschlittert seien, kritisierte Elke Hanel-Torsch, Vorsitzende der Mietervereinigung Wien. Wenn man wirklich etwas tun wolle, wären zwei Prozent eine gute Grenze gewesen.

Maßnahmenpaket gegen Teuerung präsentiert

Österreichs Bundesregierung hat sich doch zu einem Mietpreisdeckel durchgerungen. Die zuletzt inflationsbedingt stark gestiegenen Mieten dürfen von 2024 bis 2026 maximal um fünf Prozent steigen. Die Reaktionen auf die am Mittwoch präsentierten Maßnahmen fallen gemischt aus.

Doch ÖVP und Grüne wollen offenbar SPÖ und FPÖ mit ins Boot holen. Denn der Antrag, der am Mittwoch eingebracht wurde, enthält zig Verfassungsbestimmungen. Um den angekündigten Mietpreisdeckel zu beschließen, braucht es am Ende die Stimmen der Sozialdemokraten oder der Freiheitlichen. Warum die Regierungsparteien das Gesetz mit einer Zweidrittelmehrheit beschließen wollen, wurde nicht kommuniziert.

AK will rückwirkende Bremse

Ähnlich wie Hanel-Torsch argumentieren die Volkshilfe, der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) und die Arbeiterkammer (AK). Die AK fordert zudem, dass die Bremse rückwirkend für 2022 und 2023 gelten solle, und die Ausweitung auf freie Mieten. Als „überfällige Maßnahme“ bezeichnete Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger die Einigung auf den Mietpreisdeckel. Das bisherige Zögern der Regierung habe durch die Erhöhung im April aber Mehrkosten in Höhe von rund 162 Mio. Euro verursacht.

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian erwartet sich keinen großen Effekt. Es handle sich um ein „schlagzeilentaugliches Mietpreisdeckelchen“. Der ÖGB fordert zudem einen „Mietenstopp“, eine automatische Indexierung sei ungerecht. „Besser spät als nie“, formulierte Michael Landau, Präsident der Caritas Österreich, seine Reaktion auf den Mietpreisdeckel: „Fraglich ist nur, ob die Maßnahme weitgehend genug ist und auch all jene Menschen umfasst, die diese Unterstützung dringend benötigen.“

Eine Analyse des AK-nahen Momentum Instituts rechnet vor, dass sich mit den Plänen der Regierung ein durchschnittlicher Haushalt im Altbau bis Ende 2026 36 Euro pro Monat an Mietzins erspare. Ein Viertel der Mieter, jene in Neubauten, werde gar nicht entlastet. Und für den Altbau komme der Deckel zu spät. Richtwertmieten werden normalerweise alle zwei Jahre angepasst – die nächste Erhöhung wäre 2025 vorgesehen.

Offene Fragen auf Landesebene

Die von der Regierung vorgestellten Pläne wirken sich unterschiedlich in den einzelnen Bundesländern aus. In Salzburg erwartet man sich wenig positive Auswirkungen – mehr dazu in salzburg.ORF.at. Mieter und Mieterinnen der rund 40.000 geförderten Mietwohnungen in Salzburg sind bereits durch Landesgesetze vor großen Preissprüngen geschützt.

Für Barbara Walzl-Sirk vom steirischen Mieterschutzverband ist auch die Umsetzung der Mietpreisbremse im geförderten Wohnbau fraglich. Denn beim geförderten Wohnbau unterliege die Mietzinsregelung der Regelung durch das Land. Walzl-Sirk: „Wie weit hier der Bund dann Vorgaben geben möchte, dass auch hier eine Mietpreisbremse stattfinden soll, ist spannend“ – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Auch aus Oberösterreich kommt Kritik. In den kommenden drei Jahren sollen die Mieten in manchen Bereichen nur um fünf Prozent steigen dürfen. Viele werde das nicht betreffen, heißt es von der Mietervereinigung in Oberösterreich – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Immobilienwirtschaft unzufrieden

Unzufrieden sind nicht nur Hilfsorganisationen und die Mietervertretung, sondern auch die Seite der Vermieter. Es werde weniger Geld für Erhaltung und Sanierung geben, prognostiziert Anton Holzapfel vom Österreichischen Verband für Immobilienwirtschaft im Ö1-Mittagsjournal: „Vermieter werden Investitionen zurückhalten, und es werden weniger Aufträge in die Bauwirtschaft gehen, und der Weg zur Dekarbonisierung wird in weite Ferne rücken, weil die Mittel nicht mehr da sind.“

Der wirtschaftsliberale Thinktank Agenda Austria sieht in der Deckelung der Mietpreise regulierter Wohnungen langfristig eine Verschlechterung der Situation auf dem Markt für Mietwohnungen. Durch die Maßnahme werde weniger vermietet, und Mietwohnungen würden verstärkt in Eigentumswohnungen umgewandelt.

„Nebenwirkungen“ zu erwarten

Auch der Wohn- und Bauexperte am Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO), Michael Klien, erwartet, dass „mittelfristig Nebenwirkungen von Regulierungen“ schlagend werden. „Es kann zu Verzerrungen kommen“, sagte er im Ö1-Interview. Wohnungen könnten von Miete in Eigentum überführt werden, es könne schwarze Ablösen und Umgehungskonstrukte geben, um dem Mietpreisdeckel auszuweichen.

Er steht dem Mietpreisdeckel aber gespalten gegenüber. Einerseits sei es gut, dass etwas gegen die Mietpreisdynamik gemacht werde, andererseits komme diese Entscheidung zu spät, weil die deutlichen Mietpreisanpassungen bereits stattgefunden hätten. Unmittelbar werde es aber die Mieten dämpfen.

Badelt: „Versuch eines Kompromisses“

Auch der Präsident des Fiskalrats, Christoph Badelt, sieht eine mögliche „Gefahr“, wenn die Mietdynamik begrenzt werde, etwa wenn dann das Geld für Investitionen fehle. Als positiv bewertet Badelt aber die Pläne der Regierung, mittelfristig die Mieterhöhungen nicht an der aktuellen Inflationsrate, sondern gemessen an einem Dreijahresschnitt zu erhöhen. Das steigere die Planbarkeit, so der Ökonom.

Angesichts der Fünfprozentgrenze und einer Inflationsprognose von vier Prozent könne man dann nicht von „Augenauswischerei“ sprechen, wenn es tatsächlich stimme, dass im kommenden Jahr im gemeinnützigen Wohnbereich die Mieten um 15 Prozent steigen würden. Er geht davon aus, dass dieser Wert überprüft worden sei.

Die Grenze von fünf Prozent – in Spanien und Portugal gibt es etwa einen Mietpreisdeckel von zwei Prozent – sei zwar hoch, aber der „Versuch eines Kompromisses“, so Badelt. Damit wolle man die Mieten nicht explodieren lassen und zugleich unerwünschte Folgen von strikten Mietpreisgrenzen hintanhalten.

Felbermayr: „Schon eine deutliche Entlastung“

Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), Gabriel Felbermayr, reagierte ebenfalls mit Zustimmung: Den Mieterinnen und Mietern werde durch den Deckel „die Unsicherheit genommen“, sagte er im Gespräch mit der APA. Vor allem für Bewohnerinnen und Bewohner von gemeinnützigen Wohnungen sei „das schon eine deutliche Entlastung“. Gleichermaßen solle die Regierung über Maßnahmen für Menschen nachdenken, die nun auf der Strecke bleiben.

Dass nun nicht alle Mieter vom Deckel profitieren, halte er für eine gewisse Ungerechtigkeit, so Felbermayr. Um das Problem hoher Mieten längerfristig anzugehen, wie das auch die Regierung am Mittwoch in den Raum stellte, schlug Felbermayr vor, die Kopplung der Mietzinsen an den Verbraucherpreisindex zu überdenken.

Der WIFO-Chef rechnete auch damit, dass durch die verkündeten Maßnahmen die Inflation zurückgehen wird. „Die Mietpreisbremse wird natürlich inflationsdämpfend sein. Aber das sind keine Prozentpunkte, sondern wir reden über Zehntel von Prozentpunkten.“