Gabriel Felbermayr, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO)
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Mietpreisdeckel

Experten sehen richtigen Schritt

Der von der Regierung angekündigte Mietpreisdeckel hat bei der Opposition für Kritik gesorgt. Zu spät seien die Maßnahmen getroffen worden, und zu wenig würden die Mieter und Mieterinnen entlastet. Gabriel Felbermayr, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), und Fiskalratspräsident Christoph Badelt reagierten hingegen positiv auf den Mietpreisdeckel.

Den Mieterinnen und Mietern werde durch den Deckel „die Unsicherheit genommen“, sagte Felbermayr im Gespräch mit der APA. Vor allem für Bewohner und Bewohnerinnen von gemeinnützigen Wohnungen sei „das schon eine deutliche Entlastung“. Dass nicht alle Mieter und Mieterinnen vom Deckel profitieren, halte er für eine gewisse Ungerechtigkeit, so der Experte.

Bedenken müsse man aber, dass sich bei der Regulierung von freien Neubaumieten rechtliche Schwierigkeiten ergeben könnten. Der Ökonom verwies dabei auf Deutschland, wo ein weitreichender Mietdeckel bereits für ungültig erklärt worden sei. Um das Problem hoher Mieten längerfristig anzugehen, wie das auch die Regierung am Mittwoch in den Raum stellte, schlägt Felbermayr vor, die Kopplung der Mietzinsen an den Verbraucherpreisindex (VPI) zu überdenken.

WIFO-Leiter zum Mietpreisdeckel

Die Regierung hat einen Mietpreisdeckel angekündigt, der den Anstieg der Mieten für die kommenden drei Jahre auf maximal fünf Prozent pro Jahr beschränken soll. Gabriel Felbermayr, Leiter des Instituts für Wirtschaftsforschung, spricht über Nutzen und Auswirkungen des Mietpreisdeckels.

Mietpreisbremse „wird inflationsdämpfend sein“

Naheliegend wäre für ihn eine Orientierung an der Entwicklung der Gesamtnettomieten bzw. an Indikatoren, die Einfluss auf den Sektor nehmen. „Wenn das Gas teurer wird, wieso sollen die Mieten steigen?“, fragte er. Da gebe es keinen kausalen Zusammenhang. „Aber wenn die Baupreise steigen oder das Land teurer wird, dann gibt es schon einen kausalen Zusammenhang.“

Der WIFO-Chef rechnet damit, dass durch die verkündeten Maßnahmen die Inflation zurückgehen wird. „Die Mietpreisbremse wird natürlich inflationsdämpfend sein. Aber das sind keine Prozentpunkte, sondern wir reden über Zehntel von Prozentpunkten. Wenn der Gebührenstopp voll ausgerollt wird (…), dann reden wir von fast einem ganzen Prozentpunkt Inflation. Das wäre schon spürbar.“

Badelt: Entlastung, aber Obergrenze zu hoch

Zuvor hatte auch Fiskalratspräsident Badelt die Mieterinnen und Mieter entlastet gesehen. „Jetzt ist es einmal eine Bremse, eine echte Bremse, damit es im nächsten Jahr nicht zu extremen Mieterhöhungen kommt“, sagte er im Ö1-Mittagsjournal. Durch eine Begrenzung der Preise ergebe sich aber auch die Gefahr, dass Investitionen ausbleiben. Die Inflation dürfte im kommenden Jahr durch das Paket sinken, glaubt der Ökonom.

Ökonom Christoph Badelt
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Fiskalratspräsident Badelt sieht den Mietpreisdeckel positiv

Die Kritik, wonach die Obergrenze von fünf Prozent aufgrund der erwartbar sinkenden Inflation im nächsten Jahr nicht den gewünschten Effekt für die Mieter und Mieterinnen erzielen werde, kann der Ökonom nur bedingt nachvollziehen. „Das ist dann nicht eine Augenauswischerei, wenn aufgrund der spezifischen Regelungen in manchen Bereichen des Wohnbaus es eben zu höheren Mieterhöhungen gekommen wäre. Wie das dem Vernehmen nach bei den Genossenschaften der Fall ist.“

Badelt räumte allerdings ein, dass die Obergrenze im Vergleich zu anderen Ländern hoch sei. „Ich denke mir, das ist der Versuch eines Kompromisses, vor allem bei hohen Inflationsraten, wie wir sie in der Vergangenheit hatten, die Mieten nicht explodieren zu lassen. Und auf der anderen Seite die unerwünschten Folgen von sehr strikten Mietbegrenzungen hintanzuhalten.“ Er verwies dabei etwa auf illegale Ablösen oder Ausweichmechanismen, die dann in Erscheinung treten würden, wenn die realen Mieten aufgrund gesetzlicher Vorschriften sehr weit von den Marktwerten entfernt seien.

„Nebenwirkungen“ zu erwarten

Auch der Wohn- und Bauexperte des WIFO, Michael Klien, erwartet, dass „mittelfristig Nebenwirkungen von Regulierungen“ schlagend werden. „Es kann zu Verzerrungen kommen“, sagte er im Ö1-Interview. Wohnungen könnten von Miete in Eigentum überführt werden, es könne schwarze Ablösen und Umgehungskonstrukte geben, um dem Mietpreisdeckel auszuweichen.

Er steht dem Mietpreisdeckel aber gespalten gegenüber. Einerseits sei es gut, dass etwas gegen die Mietpreisdynamik gemacht werde, andererseits komme diese Entscheidung zu spät, weil die deutlichen Mietpreisanpassungen bereits stattgefunden hätten. Unmittelbar werde es aber die Mieten dämpfen.

Kritik von AK und ÖGB

Vielen Organisationen kommt der Deckel zu spät, und er sei zu hoch angesetzt. Die Regierung habe zwei Jahre zugeschaut, wie viele Mieter und Mieterinnen in die Armut geschlittert seien, kritisierte Elke Hanel-Torsch, Vorsitzende der Mietervereinigung Wien. Wenn man wirklich etwas tun wolle, wären zwei Prozent eine gute Grenze gewesen.

Maßnahmenpaket gegen Teuerung präsentiert

Österreichs Bundesregierung hat sich doch zu einem Mietpreisdeckel durchgerungen. Die zuletzt inflationsbedingt stark gestiegenen Mieten dürfen von 2024 bis 2026 maximal um fünf Prozent steigen. Die Reaktionen auf die am Mittwoch präsentierten Maßnahmen fallen gemischt aus.

Ähnlich wie Hanel-Torsch argumentieren die Volkshilfe, der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) und die Arbeiterkammer (AK). Die AK fordert zudem, dass die Bremse rückwirkend für 2022 und 2023 gelten solle, und eine Ausweitung auf freie Mieten. Als „überfällige Maßnahme“ bezeichnete Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger die Einigung auf den Mietpreisdeckel. Das bisherige Zögern der Regierung habe durch die Erhöhung im April aber Mehrkosten in Höhe von rund 162 Mio. Euro verursacht.

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian erwartet sich keinen großen Effekt. Es handle sich um ein „schlagzeilentaugliches Mietpreisdeckelchen“. Der ÖGB fordert zudem einen „Mietenstopp“, eine automatische Indexierung sei ungerecht. „Besser spät als nie“, formulierte Michael Landau, Präsident der Caritas Österreich, seine Reaktion auf den Mietpreisdeckel: „Fraglich ist nur, ob die Maßnahme weitgehend genug ist und auch all jene Menschen umfasst, die diese Unterstützung dringend benötigen.“

Eine Analyse des AK-nahen Momentum Instituts rechnet vor, dass sich mit den Plänen der Regierung ein durchschnittlicher Haushalt im Altbau bis Ende 2026 36 Euro pro Monat an Mietzins erspare. Ein Viertel der Mieter, jene in Neubauten, werde gar nicht entlastet. Und für den Altbau komme der Deckel zu spät. Richtwertmieten werden normalerweise alle zwei Jahre angepasst – die nächste Erhöhung wäre 2025 vorgesehen.

Offene Fragen auf Landesebene

Die von der Regierung vorgestellten Pläne wirken sich unterschiedlich in den einzelnen Bundesländern aus. In Salzburg erwartet man sich wenig positive Auswirkungen – mehr dazu in salzburg.ORF.at. Mieter und Mieterinnen der rund 40.000 geförderten Mietwohnungen in Salzburg sind bereits durch Landesgesetze vor großen Preissprüngen geschützt.

Für Barbara Walzl-Sirk vom steirischen Mieterschutzverband ist auch die Umsetzung der Mietpreisbremse im geförderten Wohnbau fraglich. Denn beim geförderten Wohnbau unterliege die Mietzinsregelung der Regelung durch das Land. Walzl-Sirk: „Wie weit hier der Bund dann Vorgaben geben möchte, dass auch hier eine Mietpreisbremse stattfinden soll, ist spannend“ – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Auch aus Oberösterreich kommt Kritik. In den kommenden drei Jahren sollen die Mieten in manchen Bereichen nur um fünf Prozent steigen dürfen. Viele werde das nicht betreffen, heißt es von der Mietervereinigung in Oberösterreich – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Immobilienwirtschaft unzufrieden

Unzufrieden sind nicht nur Hilfsorganisationen und die Mietervertretung, sondern auch die Vermieter. Es werde weniger Geld für Erhaltung und Sanierung geben, prognostiziert Anton Holzapfel vom Österreichischen Verband für Immobilienwirtschaft im Ö1-Mittagsjournal: „Vermieter werden Investitionen zurückhalten, und es werden weniger Aufträge in die Bauwirtschaft gehen, und der Weg zur Dekarbonisierung wird in weite Ferne rücken, weil die Mittel nicht mehr da sind.“

Der wirtschaftsliberale Thinktank Agenda Austria sieht in der Deckelung der Mietpreise regulierter Wohnungen langfristig eine Verschlechterung der Situation auf dem Markt für Mietwohnungen. Durch die Maßnahme werde weniger vermietet, und Mietwohnungen würden verstärkt in Eigentumswohnungen umgewandelt.