Arbeiter während Schweißarbeiten
ORF.at/Sonja Ryzienski
Minus 1,1 Prozent

Wirtschaftsrückgang stärker als erwartet

Österreichs Wirtschaft ist im zweiten Quartal 2023 stärker zurückgegangen als erwartet. Laut Berechnungen der Statistik Austria sank das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Vergleich zum Vorjahresquartal real um 1,1 Prozent. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) hatte im Juli noch ein Minus von 0,3 Prozent prognostiziert.

Laut Statistik Austria ist das nun deutlich höhere Minus vor allem auf eine rückläufige Wirtschaftsleistung von Handel und Industrie zurückzuführen. Im Vergleich zum ersten Quartal schrumpfte Österreichs Wirtschaft saison- und kalenderbereinigt um 0,7 Prozent.

Den Statistik-Austria-Angaben zufolge schwächte sich bereits ab der zweiten Jahreshälfte 2022 der nach dem Ende der CoV-Krise zunächst eingetretene „kräftige wirtschaftliche Aufschwung“ spürbar ab – nun wird erstmals ein Rückgang verzeichnet. „Österreichs Wirtschaft schwächelt und schrumpft im Frühling 2023 zum ersten Mal seit acht Quartalen“, so Statistik-Austria-Chef Tobias Thomas, der per Aussendung aber auch festhielt, dass Österreichs Wirtschaft dennoch 3,2 Prozent über dem Niveau vor der CoV-Krise liege.

Eine Grafik zeigt die Entwicklung des BIP in Österreich im Quartalsvergleich
Grafik: APA/ORF; Quelle: Statistik Austria

Deutliches Minus im Handel und Industrie

Deutlich über dem Vorkrisenniveau sind etwa die Bereiche Sonstige Dienstleistungen wie Friseure, Kultur und Glücksspiel, der Bereich Information und Kommunikation, die Land- und Forstwirtschaft, die Herstellung von Waren, Bergbau und Energiewesen sowie Finanz- und Versicherungsdienstleistungen.

Die Industrie trug mit einem Rückgang um zwei Prozent zur schwächeren Wirtschaftsleistung bei, der Handel wirkte sich mit minus 6,7 Prozent negativ aus. Der Bereich Öffentliche Verwaltung, Bildung und Gesundheit dämpfte mit einem Plus von 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal den Rückgang.

Heimische Wirtschaft schwächelt

Österreichs Wirtschaft ist im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um 1,1 Prozent zurückgegangen. Vor allem der Bau und die Industrie schwächeln. Das hinterlässt auch Spuren auf dem Arbeitsmarkt.

Im Juli – also zu Beginn des dritten Quartals – verzeichnete die Industrie laut Statistik Austria gegenüber dem Vorjahreszeitraum einen Rückgang um 11,4 Prozent. Der Bau hingegen legte um 6,1 Prozent zu. Dadurch ergebe sich für den Produzierenden Bereich ein Rückgang um 6,1 Prozent.

Insolvenzen wieder auf Vorkrisenniveau

Die Insolvenzen stiegen im ersten Halbjahr wieder auf Vorkrisenniveau, wobei nicht alle Branchen gleichermaßen davon betroffen waren: Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stiegen die Insolvenzen bei Finanzdienstleistungen und sonstige Dienstleistungen um 20,3 Prozent. Im Bereich Beherbergungen und Gastronomie stiegen die Insolvenzen um 20 Prozent und bei der Sachgütererzeugung um 19,2 Prozent. Beim Verkehr gab es hingegen 3,7 Prozent weniger Insolvenzen.

„Sinkende Tendenz“ bei Inflation

Bei der Inflation sei eine sinkende Tendenz zu erkennen. Im August lag die Inflation laut Schnellschätzung bei 7,5 Prozent. Dass die Inflationsrate in Österreich höher als im EU-Schnitt sei, liege an der Preisentwicklung bei der Haushaltsenergie und der Miete. Rechnet man diese zwei Positionen heraus, liegt Österreich im EU-Schnitt, so Ingolf Böttcher, Leiter der Direktion Volkswirtschaft bei der Statistik Austria. In einigen Bereichen wie etwa Telekommunikation und Treibstoffe schneidet Österreich besser ab als andere EU-Länder.

In Österreich zählen Haushaltsenergie, Gastro und Nahrungsmittel zu den Inflationstreibern – auch wenn die Energie im Juli erstmals leicht inflationsdämpfend wirkte. Im Juli kostete die Beherbergung um 16,5 Prozent mehr als Anfang 2022. Für Wein müssen Konsumenten um 17,3 Prozent mehr bezahlen. Bankgebühren stiegen um 15,9 Prozent, und die Haushaltsenergie verteuerte sich um 15,2 Prozent. Ab diesem Monat sollte die Inflation aufgrund des Basiseffekts – des Preisanstieges bei Haushaltsenergie im September 2022 – spürbar sinken.

Beim Außenhandel weist Österreich für Jänner bis Mai ein Plus auf: Die Importe legten um 0,1 Prozent zu, die Exporte um 6,2 Prozent. Im Mai ist der Außenhandel jedoch in beiden Handelsrichtungen zurückgegangen. Gegenüber dem Vorpandemieniveau sind die Importe jedoch um 27 Prozent und die Exporte um 26,6 Prozent gestiegen.

Eigens verweist die Statistik Austria in ihrer Aussendung auf den Verlauf der bisherigen Sommersaison. Zwischen Mai bis Juli 2023 gibt es im Vergleich zum Vorjahr mit 39,5 Millionen Nächtigungen ein Plus von 6,2 Prozent. Die Nächtigungen in der ersten Sommerhälfte erreichten den Angaben zufolge somit den höchsten Wert seit 1980.

WIFO: Konjunkturerwartungen im August pessimistischer

Nochmals verschlechtert hat sich indes die Einschätzung der wirtschaftlichen Situation durch heimische Unternehmen. Darauf verweist der aktuelle WIFO-Konjunkturklimaindex. Dieser sank im August im Vergleich zum Vormonat von minus 5,2 Punkten auf minus 8,9 Punkte, wie das WIFO am Donnerstag mitteilte.

Auch die Konjunkturerwartungen verschlechterten sich weiter und signalisieren pessimistische Ausblicke, heißt es im monatlichen WIFO-Konjunkturtest. Der Index für die Konjunkturerwartungen ging im August um 1,7 Punkte zurück. Somit verschlechterte er sich auf minus 10,0 Punkte.

Vor allem im Einzelhandel ist der Erwartungsindex laut WIFO in einem tief pessimistischen Bereich. Der Erwartungsindex liegt bei minus 23,7 Punkten und verbesserte sich leicht zum Vormonat (0,5 Punkte). Auch in der Sachgütererzeugung sei die Dynamik bei der Produktionstätigkeit weiterhin rückläufig. Auch in der Dienstleistungsbranche und in der Baubranche haben sich die jeweiligen Erwartungsindizes verschlechtert.

Gewerkschaft: Sorgen auch um „Konjunkturmotor Bau“

Die Gewerkschaft sieht indes, auch die Statistik-Austria-Zahlen, laut denen der Bau im Juli zunehmen konnte, kritisch, wie einer Aussendung der Gewerkschaft Bau Holz (GBH) zu entnehmen ist. Die Arbeitslosigkeit sei mit 7,2 Prozent im August für die Baughauptsaison erschreckend hoch. „Der Konjunkturmotor Bau gerät immer stärker ins Stottern, die Bundesregierung ist dringend aufgerufen, dafür zu sorgen, dass dieser für so viele Branchen wichtige Konjunkturmotor nicht komplett ‚absäuft‘“, sagte GBH-Vorsitzender Josef Muchitsch.

Opposition sieht „Zeichen für falsche Politik“

Für die Oppositionsparteien ist der Rückgang der Wirtschaftsleistung indes ein Zeichen für eine falsche Politik. „Die unterlassene Hilfeleistung der Regierung hat brutale Folgen“, so SPÖ-Parteichef Andreas Babler in einer Aussendung, „täglich erreichen uns neue Hiobsbotschaften“. Weiters merkte er an: „Österreich braucht eine Regierung, die sich wieder um unsere Leute kümmert, die aktiv eingreift, die Preise senkt und die Konjunktur stabilisiert“.

Ähnlich argumentierte FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl: „Wie oft auch immer diese Regierung behauptet, dass Österreichs Wirtschaft gut dasteht – die nackten Zahlen sehen anders aus und belegen das Versagen dieser schwarz-grünen Bundesregierung eindeutig“.