Zentrale von Novo Nordisk
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Diätmittel Wegovy

Goldesel von Novo Nordisk – und Dänemark

Das bisher in den USA, Dänemark, Norwegen und Deutschland sowie demnächst auch in Großbritannien zum Verkauf stehende Diätmittel Wegovy hat den dänischen Pharmakonzern Novo Nordisk zuletzt verstärkt ins Rampenlicht gerückt. Dafür sorgen nicht nur Rekordumsätze, die Novo Nordisk an die Spitze von Europas wertvollsten börsennotierten Unternehmen brachten – sondern auch ungewohnte Worte vonseiten der dänischen Regierung.

„Diesmal macht es echt mehr Spaß als in den letzten Jahren“, zitierte etwa die „Frankfurter Rundschau“ („FR“) den dänischen Finanzminister Nicolai Wammen bei der Vorstellung des neuen Staatshaushaltes. Dazu dann auch Wirtschaftsminister Jakob Ellemann-Jensen mit den Worten: „Gott verhüte, dass Novo Nordisk jemals ausflaggt oder dichtmacht.“

Hintergrund ist die zentrale Rolle, die Novo Nordisk mittlerweile für Dänemarks Wirtschaft einnimmt, welche derzeit neben einer schnell sinkenden Inflation und satten Steuereinnahmen auch mit einem Plus von 1,7 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt glänzt. „Rechnet man das Produkt weg, wäre die dänische Wirtschaft um 0,3 Prozent geschrumpft“, schreibt die „FR“ dazu mit direktem Verweis auf den Novo-Nordisk-Goldesel Wegovy.

Innenaufnahme der Zentrale von Novo Nordisk
IMAGO/Belga/Eric Lalmand
Vor 100 Jahren gegründet, sorgt Novo Nordisk derzeit quasi im Alleingang für ein Plus bei Dänemarks BIP

Situation „einzigartig“

Zwar seien Unternehmen von Weltrang im weniger als sechs Millionen Einwohnerinnen und Einwohner zählenden Dänemark keine Seltenheit, so die „New York Times“ („NYT“) mit Verweis auf den Spielwarenkonzern Lego und den Containerschifffahrtsreeder Maersk: „Doch die Auswirkungen von Novo Nordisk auf die Wirtschaftsstatistiken sind nach Ansicht von Wirtschaftswissenschaftlern einzigartig.“

„Nach 100 Jahren eines relativ ruhigen Daseins als Hersteller von Diabetesmedikamenten“ sei das 1923 gegründete dänische Unternehmen nun plötzlich so groß, dass es die gesamte dänische Wirtschaft umgestaltet. Dass ein einziges Unternehmen eine derart große Rolle spielt, habe es in Dänemark bisher nicht gegeben, sagte Jens Naervig Pedersen von der Danske Bank gegenüber der „NYT“.

Produktionsstätte von Novo Nordisk
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Der Erfolgslauf wird Berichten zufolge von anhaltenden Lieferengpässen begleitet

Bestellungen weit über Liefermenge

Hinter dem Erfolgslauf stehen der Wirkstoff Semaglutid bzw. die Medikamente Wegovy und Ozempic, welche nach den Worten der „NYT“ „als revolutionär auf dem Gebiet der Fettleibigkeit bezeichnet werden“. Die Nachfrage scheint bisher ungebrochen, worauf auch anhaltende Berichte über Lieferengpässe verweisen.

Deutlich wurde das etwa im Juli rund um die Wegovy-Markteinführung in Deutschland. Der Bedarf übersteige die verfügbaren Mengen deutlich, erklärte damals der Arzneimittelgroßhändler Noweda, der rund ein Viertel des deutschen Marktes beliefert, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Für manche Dosierungen überstiegen die Bestellungen die Liefermengen des Herstellers um ein Vielfaches, teilte dazu mit Sanacorp ein weiterer deutscher Großhändler mit.

In den USA, wo das Medikament als Erstes auf den Markt kam, beschränkt Novo Nordisk mittlerweile die Auslieferung von Startdosierungen für Neukunden, denn auch dort kann die Produktion nicht schnell genug hochgefahren werden, wie US-Medien Ende August mitteilten. Die US-Arzneimittelbehörde Food and Drug Administration hat Ozempic 2017 als Diabetesmedikament zugelassen. Wegovy wurde 2021 von der Behörde genehmigt. Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) gab 2018 grünes Licht für Ozempic – Wegovy ist seit 2022 zugelassen.

„Kontrollierte und begrenzte Markteinführung“ in GB

Das Mittel werde im Rahmen einer „kontrollierten und begrenzten Markteinführung“ erhältlich sein, teilte Novo Nordisk am Montag zum anstehenden Marktstart in Großbritannien mit. „Wir beobachten die Nachfrage nach Wegovy und arbeiten mit den Behörden und Anbietern zusammen, um sicherzustellen, dass Menschen mit Adipositas Zugang zur Behandlung haben und diese auch fortführen können.“

Wegovy-Injektionen von Novo Nordisk
Reuters/Jim Vondruska
Nach den USA, Dänemark, Norwegen und Deutschland wird Wegovy nun auch in Großbritannien verkauft

In Großbritannien wird das Medikament sowohl im Rahmen des Abnehmprogramms des Nationalen Gesundheitsdienstes (NHS) als auch privat erhältlich sein. Novo Nordisk und die britische Gesundheitsbehörde NICE wollten sich nicht zu den Kosten äußern.

Nach Angaben der britischen Onlineapothekenkette Simple Online Pharmacy müssen Privatpatienten oder jene, die das Mittel aus eigener Tasche zahlen, mit 199 bis 299 Pfund (rund 230 bis 350 Euro) für einen Monatsbedarf rechnen. In den USA hat Wegovy einen Listenpreis von 1.350 Dollar (rund 1.200 Euro) für die höchste Dosis für vier Wochen, in Deutschland beträgt der Preis dafür knapp 300 Euro.

Europas wertvollstes Börsenunternehmen

Zuletzt sorgte Novo Nordisk schließlich auch mit Blick auf die Marktkapitalisierung für weitere Schlagzeilen. Nachdem das dänische Unternehmen bereits am Freitag kurzzeitig als wertvollstes europäisches börsennotiertes Unternehmen notierte, zog Novo Nordisk am Dienstag mit einer Bewertung von umgerechnet rund 395 Mrd. Euro erneut am Luxusgüterkonzern LVMH (rund 381 Mrd. Euro) vorbei.

Das Unternehmen überholte in diesem Jahr schon etliche weitere gewichtige Unternehmen – und hat bereits vor Monaten auch den Schweizer Roche-Konzern als Europas wertvollstes Pharmaunternehmen entthront. Nun sei Novo Nordisk „offiziell das wertvollste Unternehmen in Europa“, so der Wirtschaftsnewsletterdienst Morning Brew samt der via Twitter (X) geteilten Feststellung, wonach Medikamente zur Gewichtsreduktion nun wohl der neue Luxus seien.