Luftaufnahme eines Schiffsverladehafens im chiesischen Yantai (Provinz Shandong)
IMAGO/VCG
Zielmarkt Europa

China verschifft ungewollte Benziner

Während in China E-Autos aus heimischer Produktion boomen, steigt auf der ganzen Welt das Interesse an preiswerten, meist benzinbetriebenen Fahrzeugen aus der Volksrepublik. Das kommt chinesischen Autoherstellern nur gelegen, die sonst auf dem „immensen Angebot“ an Benzinern sitzen bleiben würde. Die Nachfrage steigt allerdings so schnell, dass China kaum mit dem Transport nachkommt – und sich nun im Eiltempo dem Bau riesiger Schiffe widmet, wie die „New York Times“ („NYT“) berichtet.

Chinas Autoindustrie hat ihre Exporte innerhalb von drei Jahren vervierfacht und Japan in diesem Jahr als Weltmarktführer abgelöst. In diesem Jahr stiegen die Autoexporte allein bis Juli um 86 Prozent. Bisher spielten die chinesischen Hersteller innerhalb der EU zwar nur eine untergeordnete Rolle – dass sich das in Zukunft ändern wird, bezeichneten Fachleute gegenüber ORF.at jüngst vor allem in Hinblick auf die Nachfrage nach E-Autos aber nur als Frage der Zeit.

Die chinesischen Fahrzeuge seien mit europäischen Standards mittlerweile durchaus vergleichbar und in Bereichen wie Software, Assistenzsystemen und dem Zukunftsfeld „Autonomes Fahren“ oftmals auch voraus. Zudem seien Stahl und Elektronik in China vergleichsweise billig, was einen Vorteil bei der Preisgestaltung darstelle, schreibt auch die „NYT“.

Das steigende Interesse nach chinesischen Fahrzeugen aus dem Ausland kommt Chinas Autoindustrie durchaus gelegen. Denn die heimische Nachfrage gilt hauptsächlich Elektrofahrzeugen lokaler Hersteller wie BYD, weshalb Autohersteller auf einem „immensen Angebot“ an benzinbetriebenen Modellen sitzen bleiben. Laut „NYT“ gibt es derzeit ungenutzte Kapazitäten für den Bau von etwa 15 Millionen benzinbetriebenen Fahrzeugen pro Jahr.

Schiffe halten mit Nachfrage nicht mit

Die Autohersteller hätten darauf reagiert, indem sie in diesem Jahr mehr als vier Millionen Autos zu günstigen Preisen auf ausländische Märkte geschickt hätten. Weitere Expansionspläne würden derzeit aber am Transport scheitern. Denn um die Fahrzeuge ins Ausland zu karren, sind riesige Schiffe notwendig, die mit der großen Nachfrage derzeit nicht Schritt halten können. „Sie bauen Autos viel schneller als Schiffe“, zitiert die „NYT“ Michael Dunne, ehemaliger Präsident von General Motors Indonesia.

In Jiangsu stehen Autos am Hafen bevor sie auf das Transportschiff verladen werden
Reuters
Die riesigen Transportschiffe sollen über 5.000 Autos auf einmal transportieren können

Das soll sich nun ändern. Vor Chinas Autoexportboom seien nur vier Aufträge für Autotransportschiffe pro Jahr bestellt worden, so Daniel Nash, Leiter des Bereichs Fahrzeugtransporter bei VesselsValue, gegenüber der „NYT“. Nun hätten chinesische Autohersteller wie BYD und Chery sowie die europäischen und singapurischen Reedereien, die Autos für sie transportieren, fast alle der derzeit weltweit anstehenden Aufträge für 170 Autotransportschiffe erteilt.

Der Anreiz, den Bau der Schiffe selbst in die Hand zu nehmen, liege auf der Hand. Pro Tag seien die Kosten, die ein Autohersteller für die Anmietung eines Autotransportschiffs aufwenden muss, von 16.000 Dollar (14.900 Euro) innerhalb von zwei Jahren auf 105.000 Dollar gestiegen, so Nash. Knapp 100 Millionen Dollar pro Schiff investiere BYD mittlerweile für den Bau der sechs größten Autotransporter, die „jemals gebaut wurden“ und in den nächsten drei Jahren fertiggestellt werden sollen.

Ein chinesischer Schiffsbau-Anlegeplatz der Jinling Shipyard in Weihai
IMAGO/Xinhua/Guo Xulei
Mit Hochdruck werden derzeit Autotransportschiffe in China hergestellt

Mehr Schiffe für „Big Push“ nach Europa

Seit Beginn des Ukraine-Krieges hätten chinesische Autohersteller insbesondere in Russland eine Vormachtstellung erlangt, so die „NYT“. Und nicht nur in Großbritannien, sondern auch in Australien ist die Shanghai Automotive Industry Corporation mit preiswerten Autos der einst britischen Marke MG heuer wieder zu einer der meistverkauften Automarken des Landes aufgestiegen. Belgien und Spanien gelten als weitere strategisch relevante Ziele – denn hier liegen die wichtigsten Autoentladehäfen, die als „Gateway“ für den EU-Markt gelten.

Die großen Investitionen in die Schiffe seien somit auch ein entscheidender Schritt für den „Big Push“ nach Europa. Bei der Internationalen Automesse (IAA) in München zeigten sich die chinesischen Hersteller heuer selbstbewusst und präsent wie nie, zum ersten Mal fand Chinas großer E-Autokongress WNEVC außerhalb der Volksrepublik statt. Dabei zogen nicht nur E-Autos die Blicke auf sich.

Model des chinesischen Autobauers BYD auf der internationalen Automesse (IAA) in München
AP/The Yomiuri Shimbun/Azusa Nakanishi
Ein Modell des chinesischen Autobauers BYD auf der IAA in München

Hürden auf US-amerikanischem Markt

„Chinesische Hersteller drängen massiv auf den europäischen Markt, und das mit durchaus wettbewerbsfähigen Produkten“, berichtete Alexander Wachtmeister, Branchenexperte der Unternehmensberatung Boston Consulting, im Vorfeld der IAA. Laut dem europäischen Herstellerverband Acea wurden 2022 bereits 552.000 Autos aus China in die EU exportiert, sechs Prozent aller Neuzulassungen.

Unter den Herkunftsländern außerhalb der EU lag China damit erstmals auf Platz eins vor Großbritannien, Südkorea und Japan. Die Dimensionen des chinesischen Automarkts seien gewaltig, schreibt das Onlineportal Heise.de. In der EU würden jährlich zwischen neun und zehn Millionen Neuwagen zugelassen werden, auf dem chinesischen Markt, der weiter wachse, seien es etwa 23 Millionen.

Nur in den USA scheinen die chinesischen Autohersteller bisher nicht vordringen zu wollen – beziehungsweise können. 2018 bzw. 2019 verhängte der damalige US-Präsident Donald Trump im Zuge seiner protektionistischen Handelspolitik Zölle auf Einfuhren aus China, die nach wie vor in Kraft sind und der oder die US-Handelsbeauftragte nach eigenem Ermessen auch weiter verschärfen kann.