Narendra Modi und Azali Assoumani
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Gipfeltreffen

Afrikanische Union wird Mitglied der G-20

Die G-20, eine Gruppe wichtiger Industrie- und Schwellenländer, nimmt die Afrikanische Union (AU) als Mitglied auf. Das sagte Indiens Premierminister Narendra Modi am Samstag bei der Eröffnung des G-20-Gipfels in Neu-Delhi. Auch verkündete Modi, dass die Teilnehmer sich auf eine gemeinsame Gipfelerklärung geeinigt hätten. Indien hat derzeit den Vorsitz der Staatengruppe, die sich aktuell in einer Sinnkrise befindet.

„Im Einverständnis mit euch allen möchte ich den Vorsitzenden der Afrikanischen Union einladen, seinen Sitz als permanentes Mitglied der G-20 einzunehmen“, sagte Modi. Der Präsident der Komoren und derzeitige AU-Vorsitzende, Azali Assoumani, ging auf Modi zu und umarmte ihn.

Der indische Regierungschef versucht, sein Land als Anführer des globalen Südens zu profilieren. Die Aufnahme der AU ist für ihn deshalb ein wichtiger Erfolg des Gipfels. Zuvor wurde bereits ein Dokument medial ventiliert, in dem die Aufnahme der AU bereits fixiert wurde.

„Wir begrüßen die Afrikanische Union als ständiges Mitglied der G-20 und sind der festen Überzeugung, dass die Aufnahme der Afrikanischen Union wesentlich zur Bewältigung der globalen Herausforderungen unserer Zeit beitragen wird“, heißt es in dem Entwurf der Gipfelerklärung. Die Erweiterung der G-20 um die AU haben etwa Deutschland, Brasilien, Südafrika und Kanada unterstützt.

EU begrüßt Entscheidung

Bisher war die Europäische Union mit ihren 27 Mitgliedsstaaten die einzige Regionalorganisation, die Mitglied der G-20 ist. Der AU gehören alle international anerkannten afrikanischen Länder sowie das völkerrechtlich umstrittene Land Westsahara an. Insgesamt sind es 55 Staaten.

G20 Gipfel in New Delhi, Indien
Reuters/Amit Dave
Am Wochenende findet in Indien der G-20-Gipfel statt

Die AU vertritt die Interessen von rund 1,3 Milliarden Menschen und hat die jüngste und am schnellsten wachsende Bevölkerung der Welt. Schätzungen zufolge könnte Afrika bis 2050 rund 2,5 Milliarden Einwohner zählen. In der EU leben lediglich rund 450 Millionen Menschen.

EU-Ratspräsident Charles Michel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßten die Entscheidung. „Es ist eine Freude, die Afrikanische Union als neues G-20-Mitglied willkommen zu heißen“, sagte von der Leyen.

Einigung auf gemeinsame Erklärung

Neben der Aufnahme der Afrikanischen Union in die Gruppe geht es beim Gipfel am Wochenende vor allem um Themen mit hohem Konfliktpotenzial: um Klimaschutz und den Angriffskrieg gegen die Ukraine. Zentrale Figuren aber blieben fern: Kreml-Chef Wladimir Putin und Chinas Präsident Xi Jinping signalisieren mit ihrer Abwesenheit, dass die G-20 ein vernachlässigbares Forum ist. Die Teilnehmer konnten sich aber auf eine gemeinsame Erklärung einigen. Es bestehe Konsens über die Gipfelerklärung, sagte Modi am Samstag in Neu-Delhi: „Ich verkünde die Verabschiedung der Erklärung.“

Kompromiss im Streit um Russlands Ukraine-Krieg

Auch zum Umgang mit dem Ukraine-Krieg gibt es scheinbar einen Kompromiss. Nach Informationen der dpa gehen Unterhändler davon aus, dass am Ende ein von Indien vorgelegter Text angenommen werden kann. Er kommt sowohl Forderungen Russlands als auch des Westens entgegen.

Moskau habe erreicht, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht mehr wie noch im Vorjahr explizit verurteilt wird. Stattdessen wird nun nur noch auf entsprechende Resolutionen der Vereinten Nationen verwiesen. Der Westen handelte hingegen eine Formulierung heraus, nach der alle Staaten von Angriffen auf die territoriale Integrität und politische Unabhängigkeit anderer Staaten Abstand nehmen müssen.

Zudem werden zumindest indirekt wieder die Atomwaffendrohungen Russlands kritisiert. „Der Einsatz oder die Androhung des Einsatzes von Kernwaffen ist unzulässig“, heißt es in dem Text, der der dpa vorliegt. Er wurde von Indien gemeinsam mit Südafrika, Brasilien und Indonesien vorgeschlagen. Aus der russischen Delegation gab es zunächst keine Bestätigung für eine mögliche Einigung auf eine Gipfelerklärung. Es hieß nur, dass jedes Dokument ein Ergebnis von Kompromissen sei.

Nicht bindend, aber starke Signalwirkung

Die gemeinsamen Erklärungen der G-20 sind rechtlich zwar nicht bindend, sandten aber politisch immer eine starke Signalwirkung aus. Längst schon geht die Gruppe über ihren ursprünglichen Zweck, die Abstimmung in Finanz- und Wirtschaftsfragen, hinaus und behandelt globale Themen. Auch heuer wird der Ukraine-Krieg behandelt werden, doch im Gegensatz zum vorigen Gipfel in Bali wird mit noch weniger Konsenspotenzial gerechnet.

In Bali hatte es der Westen noch als Erfolg feiern können, dass Russland weitgehend isoliert blieb. Damals hatte sich Moskau offensichtlich auf Druck Chinas einverstanden erklärt, einen Satz in die Abschlusserklärung aufzunehmen: „Die meisten Mitglieder verurteilten den Krieg in der Ukraine aufs Schärfste.“ Russlands Position wurde damals mit den Worten abgebildet: „Es gab andere Auffassungen und unterschiedliche Bewertungen der Lage und der Sanktionen.“

Auf solche Formulierungen dürften sich China und Russland jetzt nicht mehr einlassen. Dass sie auch nicht mehr durch die beiden Präsidenten Xi und Putin an Ort und Stelle vertreten sind, lässt zudem tief blicken.

Russland in besserer Position

Moskau wird erneut durch Außenminister Sergej Lawrow vertreten, Putin wird sich dieses Mal auch nicht per Video zuschalten lassen. Auf dem letzten Gipfel wurde viel Kritik an Lawrow gerichtet, er reiste früher ab. Heuer wähnt sich Moskau in einer besseren Ausgangsposition, weil das russlandfreundliche Indien den Ukraine-Krieg nicht zum Hauptthema machen wollte. Auch galt es als unwahrscheinlich, dass Indiens Premier Modi den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj per Video zuschalten wird.

G-20-Gipfel ohne Xi und Putin

Am Wochenende treffen sich die Staats- und Regierungschefinnen und -chefs in Neu-Delhi zum jährlichen G-20-Gipfel. Kreml-Chef Wladimir Putin und Chinas Präsident Xi Jinping signalisieren mit ihrer Abwesenheit, dass die G-20 ein vernachlässigbares Forum ist.

„Geringere Priorität“ für Xi

Peking schickt seinerseits Regierungschef Li Qiang, ein Grund für Xis Fernbleiben wurde nicht genannt. Es könnte an den handels- und geopolitischen Spannungen mit den USA und Gastgeber Indien liegen, die zuletzt wieder angeheizt wurden. China veröffentlichte vor einer Woche eine neue Landkarte, die den indischen Bundesstaat Arunachal Pradesh und ein Plateau in der Himalaya-Region als chinesisches Territorium kennzeichnet. Sogar ein Stück Russlands ist darauf als chinesisch vermerkt.

Jedenfalls ist Xis demonstrative Abwesenheit ein Zeichen, dass die G-20 nicht sein bevorzugtes Diskussionsforum ist. Dass Xi dem Treffen in Neu-Delhi im Gegensatz zum BRICS-Gipfel im August fernbleibt, verdeutliche, dass er eine „Alternative schaffen will zur liberalen internationalen Ordnung, die seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges von den USA dominiert wird“, so Steve Tsang, Direktor des Soas China Institute an der Universität London, gegenüber der AFP. Xi könne die G-20 „nicht dominieren, also wird ihr eine geringere Priorität eingeräumt“.

Klimaschutz im Hintergrund

Abseits des Ukraine-Krieges sind auch die weiteren Themen auf der Agenda umstritten, allen voran beim Klimaschutz. Vor allem die EU hat sich in den vergangenen Jahren darum bemüht, die G-20 zu einer Vorreiterin zu machen, doch das Thema gerät auch heuer ins Hintertreffen.

Schon die bisherigen Ziele aufrechtzuerhalten wird schwierig werden. Modi rief seine Gipfelgäste dazu auf, die Entwicklungsländer bei der Bekämpfung der Klimakrise mit mehr Geld und durch den Austausch von Technologien zu unterstützen. „Ehrgeizige Klimaschutzmaßnahmen müssen mit Maßnahmen zur Klimafinanzierung und zum Technologietransfer einhergehen“, schrieb Modi in einem Gastbeitrag für mehrere indische und internationale Zeitungen.

Ein Durchbruch zeichnet sich aber nicht ab. Bei einem Treffen im Juli hatten sich die G-20-Energieministerinnen und -minister nicht auf einen Fahrplan für den Ausstieg aus fossilen Energien einigen können.

Modi vertritt Land „Bharat“

Nicht unerhebliches Detail am Rande: Bei seiner Auftaktrede saß Indiens Premier Modi hinter einem Schild mit der Aufschrift „Bharat“. Das dürfte Spekulationen über eine Namensänderung des Landes weiter anheizen. „Bharat“ ist ein altes Sanskrit-Wort für Indien, das beispielsweise in der Verfassung als Synonym verwendet und auch in der Bevölkerung häufig benutzt wird.

Manche radikale Hindus stören sich am amtlichen Landesnamen Indien. Sie argumentieren, dieser sei von den britischen Kolonialherren populär gemacht worden und deshalb ein Symbol der Sklaverei. „Bharat“ hingegen war laut alten Hindu-Schriften der Name eines sagenhaften Königs, der auf dem Gebiet des heutigen Indiens gelebt haben soll.

Modis Regierung versucht derzeit, sich von der kolonialen Vergangenheit zu distanzieren und auf Nationalstolz zu setzen. Indisch zu sein wird in dem mehrheitlich hinduistischen, aber multireligiösen Indien oft damit gleichgestellt, eben Hindu zu sein.