Indiens Premierminister Narendra Modi
AP/Evelyn Hockstein
G-20-Gipfel in Indien

Einigung auf Abschlusserklärung verkündet

Die Staats- und Regierungschefs der Gruppe wichtiger Industrie- und Schwellenländer (G-20) haben sich nach den Worten von Indiens Premierminister Narendra Modi auf eine Abschlusserklärung geeinigt. „Dank der harten Arbeit aller Teams haben wir einen Konsens über die G-20-Gipfelerklärung erzielt“, sagte Modi. Dabei wurde auf eine ausdrückliche Verurteilung des russischen Krieges gegen die Ukraine verzichtet.

Der Text verurteilt allgemein den „Einsatz von Gewalt“ zur Erzielung von „Geländegewinnen“ in der Ukraine. Die russische Aggression gegen die Ukraine wird in dem Text allerdings nicht beim Namen genannt. „Es gab unterschiedliche Ansichten und Einschätzungen der Situation“, heißt es im Text.

Statt einer Verurteilung des Angriffs wie im Vorjahr werden alle Staaten unter Verweis auf die Charta der Vereinten Nationen aufgefordert, von Angriffen auf die territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit eines Staates abzusehen. Und man begrüße „alle relevanten und konstruktiven Initiativen, die einen umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine unterstützen“, wie es weiter heißt.

„Einsatz oder Androhung von Kernwaffen unzulässig“

Zudem wird der Einsatz oder die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen als unzulässig bezeichnet. „Der Einsatz oder die Androhung des Einsatzes von Kernwaffen ist unzulässig“, heißt es in dem Text. Er wurde von Indien gemeinsam mit Südafrika, Brasilien und Indonesien vorgeschlagen. Aus der russischen Delegation hieß es, dass jedes Dokument ein Ergebnis von Kompromissen sei.

G-20-Gipfel: Einigung auf Abschlusserklärung

Die Staats- und Regierungschefs der Gruppe wichtiger Industrie- und Schwellenländer (G-20) haben sich nach den Worten von Indiens Premierminister Narendra Modi auf eine Abschlusserklärung geeinigt. „Dank der harten Arbeit aller Teams haben wir einen Konsens über die G-20-Gipfelerklärung erzielt“, sagte Modi. Dabei wurde auf eine ausdrückliche Verurteilung des russischen Krieges gegen die Ukraine verzichtet.

Die Einigung kam überraschend, da die G-20 wegen des Krieges tief gespalten ist. Die westlichen Länder drängten zuvor auf eine scharfe Verurteilung Russlands in der Erklärung der Staats- und Regierungschefs, während andere Länder wie etwa auch China forderten, sich auf allgemeinere wirtschaftliche Fragen zu konzentrieren.

Ukraine kritisiert Abschlusserklärung

In der Erklärung wird auch die Umsetzung des Abkommens zum sicheren Export von Getreide und anderen Agrarprodukten aus der Ukraine und Russland über das Schwarze Meer gefordert, aus dem Russland im Juli ausgestiegen ist. Angriffe auf die entsprechende Infrastruktur sollten eingestellt werden.

Vonseiten der Ukraine wurde die Abschlusserklärung umgehend mit kritischen Worten bedacht. Diese sei „nichts, worauf man stolz sein könne“, teilt der Sprecher des ukrainischen Außenministeriums, Oleg Nikolenko, auf Facebook mit. Es sei klar, dass eine Teilnahme der ukrainischen Seite an dem G-20-Treffen es den Teilnehmern ermöglicht hätte, die Situation besser zu verstehen. Im vergangenen Jahr war noch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj per Video zum Gipfel zugeschaltet worden.

Russland wiederum lobte das Abschlussdokument als „ausgewogen“. Moskau begrüße das Ergebnis von Neu-Delhi, sagte die russische Verhandlungsführerin Swetlana Lukasch am Samstag vor Journalisten in der indischen Hauptstadt. Russland hatte zuvor betont, dass es ein Abschlussdokument nur mittragen werde, wenn auch seine Position darin enthalten sei.

Nicht bindend, aber starke Signalwirkung

Die gemeinsamen Erklärungen der G-20 sind rechtlich zwar nicht bindend, sandten aber politisch immer eine starke Signalwirkung aus. Längst schon geht die Gruppe über ihren ursprünglichen Zweck, die Abstimmung in Finanz- und Wirtschaftsfragen, hinaus und behandelt globale Themen.

So erklären die G-20-Staaten in ihrem heurigen Abschlusstext auch ihre Unterstützung für „Bemühungen zur Verdreifachung der weltweiten Kapazität für erneuerbare Energien“. „Wir verpflichten uns, dringend unser Handeln in der Bewältigung ökologischer Krisen und Herausforderungen zu beschleunigen, einschließlich des Klimawandels“, hieß es weiter. Ein Ende der Nutzung fossiler Energien wird in der Erklärung aber nicht gefordert.

Putin und Xi nicht anwesend

In Bali – beim letzten Gipfel der G-20 im Vorjahr – hatte es der Westen noch als Erfolg feiern können, dass Russland weitgehend isoliert blieb. Damals hatte sich Moskau offensichtlich auf Druck Chinas einverstanden erklärt, einen Satz in die Abschlusserklärung aufzunehmen: „Die meisten Mitglieder verurteilten den Krieg in der Ukraine aufs Schärfste.“

Russlands Position wurde damals mit den Worten abgebildet: „Es gab andere Auffassungen und unterschiedliche Bewertungen der Lage und der Sanktionen.“ Auf solche Formulierungen haben sich China und Russland jetzt wohl nicht mehr eingelassen. Überhaupt blieben deren zentrale Figuren dem Geschehen fern: Kreml-Chef Wladimir Putin und Chinas Präsident Xi Jinping signalisieren mit ihrer Abwesenheit, dass die G-20 ein vernachlässigbares Forum ist.

Moskau wird erneut durch Außenminister Sergej Lawrow vertreten, Putin wird sich dieses Mal auch nicht per Video zuschalten lassen. Auf dem letzten Gipfel wurde viel Kritik an Lawrow gerichtet, er reiste früher ab. Heuer wähnt sich Moskau in einer besseren Ausgangsposition, weil das russlandfreundliche Indien den russischen Angriff auf die Ukraine nicht zum Hauptthema machen wollte.

„Geringere Priorität“

Peking schickt seinerseits Regierungschef Li Qiang, ein Grund für Xis Fernbleiben wurde nicht genannt. Es könnte an den handels- und geopolitischen Spannungen mit den USA und Gastgeber Indien liegen, die zuletzt wieder angeheizt wurden. China veröffentlichte vor einer Woche eine neue Landkarte, die den indischen Bundesstaat Arunachal Pradesh und ein Plateau in der Himalaya-Region als chinesisches Territorium kennzeichnet. Sogar ein Stück Russlands ist darauf als chinesisch vermerkt.

China rief die G-20-Staaten zur Zusammenarbeit bei Wirtschaft und Klimaschutz auf. Die Mitglieder wichtiger Industrie- und Schwellenländer „sollten sich an ihr ursprüngliches Bestreben von Einheit und Kooperation halten“, sagte Ministerpräsident Li am Samstag bei der ersten Gipfelsitzung, wie die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua berichtete. Außerdem sollten sie für den Schutz der „grünen Heimat der Erde“ zusammenarbeiten.

Afrikanische Union wird Mitglied der G-20

Doch streckt die G-20 ihre Fühler nach Afrika aus: So verkündete Modi, dass die Afrikanische Union (AU) von der G-20 als Mitglied aufgenommen werde. „Im Einverständnis mit euch allen möchte ich den Vorsitzenden der Afrikanischen Union einladen, seinen Sitz als permanentes Mitglied der G-20 einzunehmen“, sagte Modi. Der Präsident der Komoren und derzeitige AU-Vorsitzende, Azali Assoumani, ging auf Modi zu und umarmte ihn.

Der indische Regierungschef versucht, sein Land als Anführer des Globalen Südens zu profilieren. Die Aufnahme der AU ist für ihn deshalb ein wichtiger Erfolg des Gipfels. Zuvor wurde bereits ein Dokument medial ventiliert, in dem die Aufnahme der AU bereits fixiert wurde.

„Wir begrüßen die Afrikanische Union als ständiges Mitglied der G-20 und sind der festen Überzeugung, dass die Aufnahme der Afrikanischen Union wesentlich zur Bewältigung der globalen Herausforderungen unserer Zeit beitragen wird“, heißt es in dem Entwurf der Gipfelerklärung. Die Erweiterung der G-20 um die AU haben etwa Deutschland, Brasilien, Südafrika und Kanada unterstützt.

EU begrüßt Entscheidung

Bisher war die Europäische Union mit ihren 27 Mitgliedsstaaten die einzige Regionalorganisation, die Mitglied der G-20 ist. Der AU gehören alle international anerkannten afrikanischen Länder sowie das völkerrechtlich umstrittene Land Westsahara an. Insgesamt sind es 55 Staaten.

G20 Gipfel in New Delhi, Indien
Reuters/Amit Dave
Indien hält den G-20-Gipfel ab – Inszenierung wird jedenfalls großgeschrieben

Die AU vertritt die Interessen von rund 1,3 Milliarden Menschen und hat die jüngste und am schnellsten wachsende Bevölkerung der Welt. Schätzungen zufolge könnte Afrika bis 2050 rund 2,5 Milliarden Einwohner zählen. In der EU leben lediglich rund 450 Millionen Menschen.

EU-Ratspräsident Charles Michel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßten die Entscheidung. „Es ist eine Freude, die Afrikanische Union als neues G-20-Mitglied willkommen zu heißen“, sagte von der Leyen.

Großes Bahn- und Schiffsprojekt angekündigt

Die EU nutzte den G-20-Gipfel gemeinsam mit den USA und weiteren Partnern auch, um ein riesiges Schienen- und Schifffahrtsprojekt anzukündigen. Es soll Europa, den Nahen Osten und Indien besser miteinander verbinden. „Das ist nichts anderes als historisch“, sagte von der Leyen am Samstag. Sie sprach von der bisher direktesten Verbindung zwischen Indien, dem Persischen Golf und Europa – mit einer Eisenbahnverbindung, die den Handel zwischen Indien und Europa um 40 Prozent beschleunige.

US-Präsident Joe Biden sprach von einem „historischen Wirtschaftskorridor“. Laut der Ankündigung haben sich die USA, Indien, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und die Europäische Union auf eine entsprechende Absichtserklärung verständigt. Das Nachrichtenportal Axios hatte zuvor berichtet, dass es sich um eine der „wichtigsten Initiativen“ Washingtons handle, die darauf abziele, Chinas Einfluss im Nahen Osten einzudämmen.

Das Vorhaben gilt denn auch als Antwort auf Chinas Initiative für eine „Neue Seidenstraße“. Mit dieser unterstützt Peking Infrastrukturprojekte weltweit und will neue Handelswege nach Europa, Afrika, Lateinamerika und in Asien erschließen. Dabei schoss China bereits zahlreiche Abkommen mit fast allen arabischen Staaten.

Modi vertritt Land „Bharat“

Ein nicht unerhebliches Detail am Rande des Gipfels lieferte auch der Gastgeber Indien: Bei seiner Auftaktrede saß Indiens Premier Modi hinter einem Schild mit der Aufschrift „Bharat“. Das dürfte Spekulationen über eine Namensänderung des Landes weiter anheizen. „Bharat“ ist ein altes Sanskrit-Wort für Indien, das beispielsweise in der Verfassung als Synonym verwendet und auch in der Bevölkerung häufig benutzt wird.

Manche radikale Hindus stören sich am amtlichen Landesnamen Indien. Sie argumentieren, dieser sei von den britischen Kolonialherren populär gemacht worden und deshalb ein Symbol der Sklaverei. „Bharat“ hingegen war laut alten Hindu-Schriften der Name eines sagenhaften Königs, der auf dem Gebiet des heutigen Indiens gelebt haben soll.

Modis Regierung versucht derzeit, sich von der kolonialen Vergangenheit zu distanzieren und auf Nationalstolz zu setzen. Indisch zu sein wird in dem mehrheitlich hinduistischen, aber multireligiösen Indien oft damit gleichgestellt, eben Hindu zu sein.