Lehrling während einer praktischen Ausbildung in einer Lehrwerkstatt
ORF/Viviane Koth
OECD-Studie

Österreich bei Berufsbildung Spitzenreiter

In Österreich ist der Anteil an Jungen, die berufsbildende Ausbildungen machen, besonders hoch: Unter den 25- bis 34-Jährigen haben mehr als die Hälfte als höchsten Bildungsstand einen berufsbildenden Abschluss, zeigt die am Dienstag veröffentlichte Studie „Bildung auf einen Blick“. Das ist der höchste Wert der 38 Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Konkret haben rund 35 Prozent eine Lehre bzw. eine Berufsbildende mittlere Schule (BMS) abgeschlossen bzw. die ersten drei Jahre einer Berufsbildenden höheren Schule (BHS) wie etwa HTL und HAK besucht. 15 Prozent haben danach weiter eine solche BHS besucht bzw. mit Matura abgeschlossen, was von der OECD im vierten und fünften Jahr als kurzer tertiärer Bildungsgang eingestuft wird, oder ebenso eingestufte Meisterbildungsgänge absolviert und drei Prozent eine Ausbildung im postsekundären, nicht tertiären Bereich (Gesundheits- und Krankenpflegeschulen und manche Lehrgänge an Unis und Fachhochschulen).

Österreich liegt mit seinen 53 Prozent deutlich über anderen Ländern, im OECD-Schnitt haben 32 Prozent einen berufsbildenden Abschluss als höchsten Bildungsstand, im Schnitt der EU-25 sind es 35.

Grafik zur Berufsausbildung in Österreich
Grafik: APA/ORF; Quelle: OECD

OECD: Berufsbildung zur „ersten Wahl“ machen

In vielen Ländern würden berufsbildende Bildungsgänge trotz hoher Beteiligung als „letzter Ausweg“ gesehen, heißt es in dem OECD-Bericht. Dabei werde die Ergänzung akademischer um praktische Kompetenzen immer wichtiger, um den Übergang zum Erwerbsleben zu erleichtern. Ziel müsse es sein, „berufliche Ausbildung zur ersten Wahl zu machen“, heißt es in der OECD-Publikation.

Um zu einer gleichwertigen Alternative zur akademischen Ausbildung zu werden, müsse die Qualität und Wahrnehmung von beruflicher Ausbildung aber weiter verbessert werden. Außerdem seien enge Partnerschaften mit Arbeitgebern unabdingbar, so der Appell an die OECD- und Partnerstaaten.

Erwerbslosenraten bei BHS- geringer als bei AHS-Abschluss

In vielen Ländern seien etwa kombinierte schulische und betriebliche Bildungsgänge weiterhin selten. Österreich gehört neben Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden zu jenen Staaten, in denen im Rahmen der Ausbildung mindestens sieben Monate Praxis vorgeschrieben sind. Bei der Lehre ist ohnehin eine permanente Verschränkung von Berufsschule und Praxis Usus.

Positiv hervorgehoben wird in der Studie, dass die Erwerbslosenraten etwa unter BHS-Absolventinnen und -Absolventen geringer sind als jene ihrer Kollegen mit AHS-Abschluss (in Österreich: 4,7 Prozent gegenüber 6,2 Prozent), während sie mehr verdienen als diese (20 Prozent mehr als jemand ohne Sekundarabschluss gegenüber plus zwölf Prozent bei einer AHS-Matura). Das Einkommen von Bachelorabsolventen (plus 33 Prozent) ist freilich – über alle Fachgebiete hinweg betrachtet – immer noch höher.

Lehrer verdienen mehr als anderswo

Die OECD-Studie warf unter anderem auch einen Blick auf die Lehrergehälter – Österreich sticht dabei positiv hervor. Lehrerinnen und Lehrer verdienen in Österreich mehr als Kollegen und Kolleginnen in anderen vergleichbaren Ländern. So verdienen die Pädagogen aller Altersklassen über ihre gesamte Laufbahn hinweg teils deutlich mehr als anderswo. Gleichzeitig bekommen sie jedoch weniger als andere Vollzeitbeschäftigte mit einem Hochschulabschluss, diese Lücke ist in Österreich größer als in anderen Ländern.

Bei Volksschullehrkräften liegt das Jahresgehalt nach zehn Berufsjahren (kaufkraftbereinigt, Daten aus 2022) bei rund 52.600 US-Dollar. Im OECD-Schnitt sind es knapp 46.800, im EU-25-Schnitt gar nur 42.700. Ähnlich hoch ist der Unterschied bei Lehrpersonal der Sekundarstufe I (v. a. Mittelschule und AHS-Unterstufe) mit 55.100 US-Dollar (OECD: 48.600, EU-25: 44.400) und den AHS-Oberstufen mit 59.900 US-Dollar (OECD: 50.800, EU-25: 46.000).

Geringeres Gehalt als andere Akademiker

Im Vergleich zu anderen Akademikern erzielen Lehrerinnen und Lehrer hierzulande hingegen geringere Einkommen. So verdient Volksschullehrpersonal 78 Prozent von Akademikerinnen und Akademikern in anderen Branchen, bei Lehrern der Sekundarstufe I sind es 86 Prozent und bei der AHS-Oberstufe rund 92 Prozent. Im OECD-Schnitt ist der Abstand mit 87 bis 95 Prozent etwas geringer.

Im internationalen Vergleich gibt es hierzulande – trotz des aktuellen Lehrermangels – verhältnismäßig viel Lehrpersonal im System: In Österreich kommen rein rechnerisch in der Volksschule zwölf und im Sekundarbereich (mit seinem Fachlehrersystem) neun Schüler auf einen Lehrer. Im OECD- sowie im EU-25-Schnitt sind es hingegen jeweils 15 (Volksschule) bzw. 13 (Sekundarbereich).

Dementsprechend liegen auch die Gehaltskosten des Lehrpersonals pro Schüler in Österreich über jenen in anderen Ländern: Für die Volksschule hat die OECD für 2022 Kosten von 5.400 und in der Sekundarstufe I von 8.300 US-Dollar errechnet. Im OECD-Schnitt sind es 3.600 bzw. 4.400, im EU-25-Schnitt 3.700 bzw. 4.700 US-Dollar.

Polaschek über OECD-Ergebnisse erfreut

„Die Ergebnisse der diesjährigen OECD-Studie zeigen einmal mehr, dass Österreich weltweit Platz eins in der Berufsbildung ist, und stellen auch dem österreichischen Hochschulsystem ein ausgezeichnetes Zeugnis aus“, teilte ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek in einer Aussendung mit. „Es freut mich besonders, dass in der Studie das hohe Bildungsniveau in Österreich unterstrichen wird. Dieses hohe Niveau ist das Ergebnis eines breiten und differenzierten Bildungssystems, das Talente fördert und vielfältige Bildungsmöglichkeiten bietet.“

Polaschek sprach sich zudem dafür aus, derartige Studien „immer differenziert zu betrachten“. Diese würden dennoch helfen „in der Gesamtheit der vielen verschiedenen nationalen und internationalen Studien noch zielgerichteter Maßnahmen zu setzten, um unser Bildungssystem immer weiterzuentwickeln“.

WKO: „Meilenstein“

Österreich besitze mit seinem hohen Anteil an Personen mit Berufsbildung einen wichtigen Wettbewerbsvorteil im Kampf gegen Fachkräftemangel, betonte auch die Wirtschaftskammer (WKO). Als „echten Meilenstein“ in diesem Zusammenhang lobte Vizegeneralsekretärin Mariana Kühnel die neue Höhere Berufliche Bildung, die Lehrlingen und BMHS-Absolventen neue Weiterbildungsformate bieten soll. Immerhin fordere auch die OECD, mehr tertiäre Bildungsgänge einzurichten, die auf den Kompetenzen der Berufsbildungsabsolventen aufbauen.

Mit dem Gesetzesentwurf zur Höheren Beruflichen Bildung, der vergangene Woche in Begutachtung gegangen ist, will die Regierung die Grundlage für Angebote schaffen, mit denen sich etwa Dachdecker zu Photovoltaik- oder Solarthermie-Spezialisten und Rauchfangkehrer zu Energieeffizienzberatern qualifizieren können.

„Auf die berufliche Bildung können wir stolz sein“, sagte auch Christian Friesl, Bereichsleiter Bildung und Gesellschaft der Industriellenvereinigung (IV). Besorgt zeigte sich Friesl über den Anteil an Jungen, die weder in Ausbildung noch in Beschäftigung sind – er plädierte für „umfassende Reformen im Pflichtschulbereich“.