Polnischer Leopard-Panzer
APA/AFP/Wojtek Radwanski
Getreidestreit

Polen droht Ukraine mit Waffenlieferstopp

Im Getreidestreit hat Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki mit einer Äußerung über Waffenlieferungen an Kiew für Spekulationen gesorgt. „Wir liefern keine Rüstungsgüter mehr an die Ukraine, sondern rüsten uns selbst mit den modernsten Waffen aus“, sagte Morawiecki. Ob dahinter mehr steckt als Wahlkampfgetöse, ist vorerst unklar.

Polen unterstütze den Sieg über den „russischen Barbaren“, könne aber nicht mit einer Destabilisierung des polnischen Marktes durch ukrainische Getreideimporte einverstanden sein, sagte Morawiecki. Den Transit ukrainischer Waren werde man aber aufrechterhalten.

Morawiecki sagte, dass Polen die Sicherheit der Ukraine nicht gefährden werde. „Unser Drehkreuz in Rzeszow erfüllt in Absprache mit den Amerikanern und der NATO weiterhin dieselbe Rolle wie bisher und wird das auch weiterhin tun“, sagte er. Die südostpolnische Stadt Rzeszow ist ein wichtiges Drehkreuz für westliche Waffenlieferungen in die Ukraine.

Der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki
IMAGO/Aleksander Kalka
Morawiecki droht auch mit einem Embargo auf weitere Agrarprodukte aus der Ukraine

Bisher enge Verbündete

Das NATO- und EU-Land Polen zählt zu den größten Unterstützern und Waffenlieferanten der Ukraine seit dem russischen Angriff auf das Land vor rund eineinhalb Jahren. Zudem hat Polen knapp eine Million Kriegsvertriebene aus der Ukraine aufgenommen. Zuletzt sorgte der Konflikt über die Getreideeinfuhren aus der Ukraine aber für Verstimmungen zwischen den beiden Nachbarländern und engen Verbündeten.

Agrargüter zählen zu den wichtigsten Einnahmequellen der Ukraine. Wegen des Krieges versucht die Ukraine, Produkte statt über das umkämpfte Schwarze Meer verstärkt über den Landweg zu exportieren. Polen und andere osteuropäische Länder befürchten dadurch einen Preisverfall bei Agrarprodukten.

Polen liefert keine Waffen mehr an Ukraine

Polen will keine Waffen mehr an die Ukraine liefern, sondern sich auf die Bewaffnung des eigenen Landes konzentrieren. „Wir transferieren keine Waffen mehr an die Ukraine, weil wir uns selbst mit den modernsten Waffen ausrüsten“, sagte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am Mittwoch im Sender Polsat News.

Ukraine legte Beschwerde bei WTO ein

Die EU-Kommission hatte am Freitag die umstrittenen Handelseinschränkungen für ukrainische Getreideprodukte beendet. Polen, Ungarn und die Slowakei untersagen aber weiterhin Getreideeinfuhren. Die Ukraine reichte deshalb vor der Welthandelsorganisation (WTO) Beschwerde gegen die drei Länder ein.

Am Mittwoch hatte Polen aus Protest gegen Äußerungen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor der UNO-Vollversammlung den ukrainischen Botschafter ins Außenministerium in Warschau zitiert. Der ukrainische Präsident hatte gesagt, das „politische Theater“ um Getreideimporte aus der Ukraine komme nur Russland zugute.

In Polen wird am 15. Oktober ein neues Parlament gewählt. Die Getreideimporte sind vor diesem Hintergrund ein sensibles Thema. Die Regierungspartei PiS hat in den landwirtschaftlich geprägten Regionen starken Rückhalt. Zudem ist die PiS durch eine Visaaffäre unter Druck geraten und benötigt dringend ein anderes Thema auf dem Tapet. Zudem wird die PiS von der aufstrebenden extremen Rechten in Polen wegen der ihrer Meinung nach unterwürfigen Haltung gegenüber der Ukraine im Wahlkampf scharf kritisiert.

Verschiedene Lesarten von Morawieckis Aussagen

Unklar ist, wie wörtlich Morawieckis Aussagen zu verstehen sind. Einige meinten, er habe eher keinen vollständigen Stopp der polnischen Waffenlieferungen an Kiew gemeint, sondern vielmehr, dass Polen nicht nur Waffen an das Nachbarland liefere, sondern parallel dazu auch die eigene Armee aufrüste. Mehrere polnische Nachrichtenportale, darunter der englischsprachige Dienst der staatlichen Nachrichtenagentur PAP, interpretierten Morawieckis Äußerung allerdings so, dass Polen seine Lieferungen einstellen werde.

Grafik zur Hilfe Polens für die Ukraine
Grafik: APA/ORF; Quelle: IfW Kiel

Polens Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak gab am Donnerstag eine ausweichende Antwort, als er auf die Äußerung Morawieckis angesprochen wurde. „Es ist der Regierungschef, der entsprechende Beschlüsse des Kabinetts unterschreibt, und die Weitergabe von Rüstungsgütern geschieht auch auf der Grundlage solcher Beschlüsse“, sagte Blaszczak dem öffentlich-rechtlichen Radio.

Beschränkung auf bereits abgeschlossene Verträge

Regierungssprecher Piotr Müller versicherte, dass Polen die Ukraine weiterhin in ihrem Bestreben unterstützen werde, den Verteidigungskampf gegen Russland zu gewinnen. „Wir werden sie unterstützen, weil wir glauben, dass das eine tödliche Gefahr ist. Jeder Kilometer ukrainischen Territoriums, den Russland gewinnt, erhöht die Gefahr für die EU und Polen“, sagte Müller.

„Im Zusammenhang mit Fragen zu Waffenlieferungen möchte ich Ihnen mitteilen, dass Polen nur zuvor vereinbarte Lieferungen von Munition und Rüstungsgütern ausführt, einschließlich derjenigen, die sich aus unterzeichneten Verträgen mit der Ukraine ergeben“, sagte Müller am Donnerstag. Dazu gehöre auch der größte Auslandsvertrag, den die polnische Rüstungsindustrie nach 1989 abgeschlossen habe – die Lieferung der Haubitze Krab. Müller kritisierte, von der ukrainischen Seite habe es zuletzt eine Serie von „absolut inakzeptablen Äußerungen und diplomatischen Gesten gegeben“.

Tschechien und Slowakei sehen Missverständnis

Tschechien und die Slowakei nähmen den Zwist zwischen Polen und der Ukraine lediglich als ein Missverständnis wahr, wie der tschechische Staatspräsident Petr Pavel und seine slowakische Amtskollegin Zuzana Caputova am Rande der UNO-Vollversammlung in New York sagten.

„Auch Spitzenpolitiker sind nur Menschen und unterliegen verschiedenen Druckausübungen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj steht unter einem permanenten Druck, und wenn wir in seiner Position wären, würden wir vielleicht den Verstand öfter als er verlieren“, sagte Pavel laut der Nachrichtenagentur CTK. „Irgendeine stärkere Aussage muss man nicht unbedingt buchstäblich nehmen.“

Die Slowakei kündigt indessen ein Ende ihres Importstopp für ukrainisches Getreide an. Das Land habe sich mit der Ukraine auf ein Lizenzsystem geeinigt, teilte das slowakische Agrarministerium mit. Sobald dieses stehe, werde der Bann aufgehoben. Im Gegenzug ziehe die Ukraine ihre Beschwerde gegen die Slowakei bei der WTO zurück.