Sozialminister Johannes Rauch (Die Grünen) in der ORF-„Pressestunde“
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Rauch macht Druck bei CoV-Impfungen

Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) will sich in den kommenden Monaten gezielt auf die Reform des Gesundheitssystems konzentrieren. Ein Hebel seien dabei die Verhandlungen zum Finanzausgleich, sagte er in der ORF-„Pressestunde“, Ziel sei etwa ein einheitlicher Leistungskatalog. Zu den teils schwer erhältlich CoV-Impfungen meinte Rauch, die aktuelle Situation sei „unbefriedigend“, er wolle dem maximal eine Woche zusehen.

Angesprochen auf das Thema Coronavirus meinte der Minister, dass man einen guten Überblick über das Infektionsgeschehen etwa über das Abwassermonitoring habe. Naturgemäß sei bei schlechtem Wetter ein Anstieg der Atemwegserkrankungen zu befürchten, daher plädiere er für entsprechende Impfungen und Auffrischungen, auch gegen Grippe. Er bedauere „ausdrücklich“, dass Menschen ihre Kinder wegen „gezielter Diskreditierung“ nicht mehr impfen lassen, und plädiere dafür, auf den „Boden der Wissenschaft“ zurückzukehren.

Es könne nicht sein, dass es Impfungen gebe, die vor schweren Erkrankungen bewahren, und Verschwörungstheorien diese unterminieren. „Glauben sie nicht der FPÖ, sprechen sie mit ihrem Arzt oder Ärztin und lassen sie sich beraten“, so der Minister weiter. Er spreche auch die Empfehlung aus, Masken in sensiblen Settings zu tragen, etwa in dicht gedrängten Menschenmengen. Wenn es notwendig sei, würden wieder breitere Maßnahmen gesetzt, so Rauch auf die Frage, ob der aktuell herrschende Gegenwind die Politik hier zaghafter werden lassen hat.

Gefragt nach der CoV-Impfung bzw. den Auffrischungen, die derzeit für Interessierte nicht gerade einfach zu organisieren ist, meinte Rauch, die Situation sei „unbefriedigend“. Die Ärzteschaft habe sehr darauf gedrängt, dass in den Ordinationen geimpft wird, die jeweiligen Bundesländer wollten das organisieren. Wenn nicht funktioniere, was eingefordert werde, dann müsse man etwas ändern, so Rauch. Er wolle dem noch eine Woche zusehen, dann müsse es Änderungen geben. „Weil ich schaue nicht zu, wenn Impfstoffe da sind, Leute sich impfen wollen und zu keinem Impftermin kommen.“

Rauch plädiert für mehr Einheitlichkeit

Im internationalen Vergleich sei Österreich im medizinischen Bereich und bei den Wartezeiten jedenfalls „noch gut aufgestellt“, so Rauch angesprochen auf teils lange Wartezeiten für Operationen, aber es gebe Verbesserungspotenzial. Als ein Problem skizzierte er, dass etwa die Länder für die Spitäler zuständig sein, die Sozialversicherungen aber für den niedergelassenen Bereich. Nötig sei eine Finanzierung aus einer Hand mit einer gemeinschaftlichen Organisation.

Dass die Spitäler überlastet sind, sei auch darauf zurückzuführen, dass es im niedergelassenen Bereich nicht genug Kapazitäten gebe. Die Lösung seien mehr niedergelassene Ärzte, so Rauch, aber auch die stärkere Nutzung von digitalen Lösungen wie Apps bzw. Hotlines. Klar sei weiters, dass einfach das nötige Pflegepersonal fehle und Stationen deswegen schließen müssten. Der Mangel an Arbeitskräften sei der größte Flaschenhals neben der Finanzierung. Eine Ambulanzgebühr helfe nicht, sie belaste nur Geringverdiener.

Pflegemangel trifft ganz Europa

Drei Punkte skizzierte Rauch für eine Reform: bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen, damit die Menschen im Job bleiben können und wollen, mehr Investitionen in die Ausbildung und das Anwerben von qualifizierten Kräften aus dem Ausland. Dabei sprach er gezielt die FPÖ an, die mit ihrem Slogan einer „Festung Österreich“ nicht hilfreich sei. Es müssten auch Menschen zuwandern für die Pflege.

Es bringe zudem nichts, wenn sich die Bundesländer die Arbeitskräfte gegenseitig abspenstig machen, so Rauch weiter, es müsse überall annähernd gleiche Arbeitsbedingungen geben. Zudem stehe ganz Europa vor demselben Problem: Der Kontinent überaltere. Österreich als Land sei zu klein, um das Problem zu lösen, ganz zu schweigen von den einzelnen Bundesländern, sagte Rauch und warb für mehr Kooperation.

Rauch über Finanzausgleichsverhandlungen

Sozial- und Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) appelliert an die staatspolitische Verantwortung der Länder. Die Fronten in den Finanzausgleichsverhandlungen seien verhärtet, so Rauch.

Er appellierte an die Bundesländer, bei den Verhandlungen zum Finanzausgleich ihre „staatspolitische Verantwortung“ zu tragen. Das aktuelle Angebot von zwei Milliarden für Gesundheitsbereich und Pflege sei „enorm viel Geld“, der Finanzausgleich das einzige Zeitfenster für die Gesundheitsreform, warnte er. Sonst drohe in fünf Jahren ein „Riesendilemma“. Er sei zuversichtlich, dass es bis Mitte Oktober eine Einigung gibt, die Arbeiten seien weit fortgeschritten.

Wahlärzte sollen eingebremst werden

Kritisch sieht Rauch auch die starke Zunahme bei der Zahl der Wahlärzte. Diese Entwicklung müsse eingebremst werden, plädierte er auch für einen einheitlichen Leistungskatalog und eine Attraktivierung des Kassensystems als Teil der Gesundheitsreform und des Finanzausgleichs. In Zukunft soll es Ärzten in den Spitälern etwa einfacher gemacht werden, zusätzlich auch in eine Praxis zu gehen – vorausgesetzt es handelt sich um eine Kassenpraxis.

Gefragt nach den erneuten Engpässen bei Medikamenten sagte Rauch, es sei nicht vertretbar, dass es keine Medikamente gebe, er habe hier mit der Industrie und den Apotheken bereits Gespräche geführt. Apotheken sollen etwa manche Dinge einfacher selber herstellen können, zudem soll einfach zu finden sein, wo es noch bestimmte Medikamente gibt. Es gebe jedenfalls eine Versorgungspflicht der Industrie, so Rauch, der darauf verwies, dass das ebenfalls ein EU-weites Problem sei: Schließlich sei viel Produktion aus der EU abgesiedelt worden.

Konzentration auf „Shrinkflation“

Als Sozialminister verteidigte Rauch auch die bisherigen Zuschüsse der Regierung gegen die Teuerung und verwies darauf, dass die Kaufkraft gehalten werden konnte. Er gab aber zu, dass bei den in die Hand genommenen 40 Mrd. Euro nicht alles treffsicher war, und verwies auf fehlende Daten bzw. die aus Datenschutzgründen nicht mögliche Verknüpfung von Daten, um diese Treffsicherheit herzustellen. Die Bundesregierung wolle jedenfalls nicht tatenlos zusehen, wie die Preise ungehindert steigen, egal auf welchem Weg.

Es habe sich aber bereits etwas bewegt, die Ankündigung, dass die Bundeswettbewerbsbehörde mehr Personal bekommt, habe schon zu anderen Verhandlungen zwischen Handel und Produzenten geführt. Derzeit konzentriere sich das Ministerium auf die „Shrinkflation“, also wenn für denselben Preis in Packungen weniger drinnen ist, ohne dass das leicht erkennbar ersichtlich sei. Das sei „nicht o. k. und nicht fair“, so Rauch. Er bezweifle auch, dass eine Senkung der Mehrwertsteuer helfe, weil er bezweifle, dass diese an die Kunden und Kundinnen weitergegeben würde – hier gebe es gemischte Erfahrungen aus anderen Ländern.

9,7 Prozent für Pensionen: „Ende der Fahnenstange“

Dass bei der Pensionserhöhung noch etwas auf die 9,7 Prozent draufkommt, schloss Rauch dezidiert aus. Die Erhöhung würde den Bund bereits 5,5 Mrd. Euro kosten, das sei das „Ende der Fahnenstange“. Eine Anhebung des Pensionsalters bzw. Pensionsreform sieht er nicht als dringend an, zunächst müsse man das reale Antrittsalter an die tatsächlichen Altersgrenzen heranführen.

Bezüglich der jüngsten Forderung, dass Asylwerber und Asylwerberinnen zu Freiwilligenarbeit herangezogen werden, meinte Rauch, „Zwangsarbeit“ halte er nicht für sinnvoll. Man müsse aber schauen, dass die Menschen schnell in Arbeit kommen, ohne dass sie etwa das Recht auf Grundversorgung verlieren. Rauch zeigte sich zuversichtlich, dass die Regierung bis zum geplanten Ende der Legislaturperiode in dieser Konstellation weiterarbeitet: Die Agenda sei groß, er sehe keinen Sinn in einer Neuwahl.

Kritik von Pensionisten, NEOS, FPÖ

Mit seinen Aussagen erntete Rauch umgehend Kritik der Pensionistenvertretung. Mitte September habe der Sozialminister weitere Gespräche zugesichert, kritisierte der Präsident des SPÖ-nahen Pensionistenverbandes Peter Kostelka, aus dessen Sicht es „noch sehr viel Gesprächsbedarf“ gibt.

NEOS wiederum fordert vom Gesundheitsminister, seinen Worten in Bezug auf die Reformen im Gesundheitsbereich auch Taten folgen zu lassen. „Gute Absichten reichen nicht“, so Gesundheitssprecherin Fiona Fiedler in einer Aussendung. Die SPÖ warf Rauch vor, die Medikamentenversorgung in Österreich im kommenden Jahr zu gefährden. Rauch und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) müssten rasch Gespräche mit dem Verband der heimischen Arzneimittelvollgroßhändler (PHAGO) führen, die aufgrund steigender Preise einige wichtigen Medikamente zu den aktuellen Abnahmekonditionen nicht mehr produzieren könnten, so SPÖ-Abgeordneter Rudolf Silvan in einer Aussendung.

Die FPÖ warf Rauch vor, „kein Reformer, sondern lediglich der Konkursverwalter einer gescheiterten Regierungspolitik“ zu sein. Die Regierung habe „zig Milliarden Euro Steuergeld in Zusammenhang mit ihrem Corona-Zwangsregime verpulvert und gleichzeitig die Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung an die Wand gefahren“, so der freiheitliche Generalsekretär Michael Schnedlitz.