Zwei Krankenpflegerinnen bekleiden einen Patienten
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Großer Frust

Kampf ums Pflegepersonal

In den kommenden Jahren wird der Bedarf an Pflege- und Betreuungspersonal in Österreich deutlich steigen. Neben dem Anwerben neuer Arbeitskräfte gilt es, Beschäftigte im System zu halten. Ansätze dazu soll ein neues Befragungstool liefern, das Aufschluss über die Zufriedenheit der Mitarbeitenden geben soll.

Für die Entwicklung des „Attraktivitätsindex“ zeichnet das Karl Landsteiner Institut für Human Factors & Human Resources im Gesundheitswesen gemeinsam mit dem Netzwerk Pflegemanagement und Partnern verantwortlich. Im Fokus stünden nicht die Belastung und Beanspruchung des Personals, sondern Fragen wie „Was macht es attraktiv? Warum bleibe ich in dem System? Warum will ich in dem System arbeiten?“, sagt Institutsleiterin Annelies Fitzgerald gegenüber ORF.at.

Die Vorbereitungen für den Index laufen laut Fitzgerald seit eineinhalb Jahren. Derzeit befinde man sich in der Pilotphase, in einer Langzeitpflegeeinrichtung und einem Spital werden die Fragen auf ihre Verständlichkeit und etwaige Fehler geprüft. In Kürze soll eine Onlinebefragung starten, die über Kooperationspartner wie Trägerorganisationen, Berufsvertretungen wie dem Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverband (ÖGKV) sowie dem Pflegenetz verbreitet werden.

Die positiven Seiten der Pflege

Beschäftigte sprechen in der Sendung „Stöckl live“ über die positiven und schönen Seiten des Pflegeberufs.

Sechs „Grundmotivatoren“

Die Zufriedenheit im Beruf hängt stark von sechs Faktoren ab, wie Studien zeigen. Diese „Grundmotivatoren“ sind Sicherheit, Abwechslung, Zugehörigkeit, Bedeutung im Sinne von Wertschätzung, Wachstum und das Gefühl, einen Beitrag leisten zu können. In „Vortests“ habe man gesehen, dass die Faktoren, die Pflegekräfte im System halten, „sich ziemlich gut mit diesen Motivatoren decken“, sagt Fitzgerald.

ORF-Themenschwerpunkt

Der ORF widmet dem Gesundheits- und Pflegesystem die gesamte Woche lang einen Schwerpunkt in TV, Radio und online – mehr dazu in tv.ORF.at.

Einen Ersatz für strukturelle Maßnahmen stellen die Faktoren nicht dar. Allerdings: „Die sechs Faktoren sollen dazu dienen, auf politischer Ebene Hebel für Verbesserungen zu finden“, so Fitzgerald. Mit Hilfe der Daten lasse sich eine „Veränderung der Rahmenbedingungen untermauern“, etwa im Bereich der Personalressourcen und beim Einsatz von anderen Berufsgruppen zur Unterstützung des Pflegepersonals.

Zusammenarbeit auf Augenhöhe

Die Personalsituation ist die Großbaustelle im Pflege- und Betreuungsbereich. Bereits in den vergangenen Jahren hätten die Einrichtungen ihre Ressourcen zunehmend „effizienter“ eingesetzt, so sehr, „dass wir mit der Personalausstattung ans untere Limit gerutscht sind“, sagt Inge Köberl-Hiebler, Pflegekoordinatorin in der Generaldirektion der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA), die an der Entwicklung des „Attraktivitätsindex“ beteiligt ist.

Während der Hochphase der CoV-Pandemie habe sich die Lage „so weit verschärft, dass das System durch Ausfälle und Erkrankung unter das unterste Limit gekommen ist, der Aufwand der Betreuung aber höher war.“ Es sei „klar herausgekommen, dass die 40-Stunden-Woche mit den zusätzlichen Plusstunden zu einem vielfachen Ausbrennen geführt hat. Deswegen sind in dieser Zeit besonders viele Beschäftigte ausgestiegen“, sagt Köberl-Hiebler.

Die oben genannten motivierenden Faktoren spielten aber auch hier eine Rolle. „Wenn das Teamwork gepasst hat, waren die Gefahr des Ausbrennens und die Zahl der Ausstiege geringer“, sagt Köberl-Hiebler. „Wir führen das auf die theoretischen Motivationsfaktoren zurück“, sagt sie, „die auch in schwierigen Situationen gelten. Man muss sie aber auch anwenden.“ Großes Thema sei herbei das „interprofessionelle Zusammenarbeiten“ auf Augenhöhe. Darunter versteht man die Zusammenarbeit von Personen mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen und Qualifizierungswegen – etwa von ärztlichem und Pflegepersonal.

Engpass in der Altenpflege

Die Engpässe beim Pflegepersonal sind seit geraumer Zeit ein großes Problem. Die Caritas warnt, dass bis 2030 75.000 Pflegekräfte fehlen werden.

Freude an Job ungebrochen

Die Basis des „Attraktivitätsindex“ bildet das vom Karl Landsteiner Institut erhobene „Führungsbarometer Pflege“. Knapp 1.600 Führungskräfte im Pflegebereich wurden dafür 2016 und 2021 befragt. Die Freude an der Arbeit, die eigene Führungskompetenz, das Teamklima und die Unterstützung durch Vorgesetzte wurden dabei in beiden Jahren als positiv genannt.

Als negativ bewertet wurden der Ressourcenmangel und die Personalsituation. Die Mehrzahl der Befragten gab an, die Situation habe sich von 2016 auf 2021 weiter zum Schlechten entwickelt. Besonders pessimistisch zeigten sich die jungen Pflegekräfte in Leitungspositionen. Sowohl in der Gesamtbeurteilung der Lage als auch in Teilbereichen wie der Personalsituation, der Entlohnung und dem Image des Pflegeberufs ortete die Generation der bis 30-Jährigen Verschlechterungen.

Angesichts der düsteren Bewertung der Situation durch den Pflegenachwuchs fordern Fitzgerald und Köberl-Hiebler rasche Maßnahmen zur Verbesserung. Ein Detail aus der Befragung stimmt sie positiv: Die Freude an der Arbeit ist bei den Jüngeren trotz aller Probleme ungebrochen.