Sitz des Sprechers im Repräsentantenhaus
Reuters/Jonathan Ernst
Chefposten im US-Kongress

Erste Republikaner werfen Hut in den Ring

Nachdem das US-Repräsentantenhaus erstmals in der Geschichte seinen Vorsitzenden abgesetzt hat, stellt sich nun die Frage nach einem Nachfolger bzw. einer Nachfolgerin für den abgewählten Kevin McCarthy. Der Vorsitzwechsel gilt als heikel, ist die republikanische Fraktion – die in der Kongresskammer die Mehrheit hat – doch zerstritten. Zwei Hardliner warfen am Mittwoch bereits ihren Hut in den Ring.

„Und jetzt?“, ertönte es im US-Repräsentantenhaus kurz nach McCarthys Abwahl. Das Votum stürzte das Repräsentantenhaus ins Chaos, wie es weitergeht, ist seither kaum absehbar. Der Republikaner Patrick McHenry übernimmt zwar als Interimsvorsitzender formale Aufgaben, füllt die Rolle aber nicht politisch aus. Der bzw. die Vorsitzende des Repräsentantenhauses kommt in der staatlichen Rangfolge an dritter Stelle nach dem Präsidenten und dessen Vize.

Der Abgeordnete Jim Jordan aus dem Bundesstaat Ohio ging als Erster offiziell ins Rennen um den Chefposten im Kongress. „Wir müssen die Fraktion vereinen, ich denke, das kann ich schaffen“, sagte er gegenüber Reporterinnen und Reportern. Jordan ist Vorsitzender des Justizausschusses des Repräsentantenhauses, der sich mit Impeachment-Ermittlungen gegen US-Präsident Joe Biden beschäftigt. Er ist zudem Trump-Verbündeter und Teil des rechtsradikalen Flügels Freedom Caucus.

Der Republikaner Jim Jordan
AP/Jacquelyn Martin
Jim Jordan gilt als Trump-Verbündeter und gehört dem rechtsradikalen Flügel an

„Tiefe Wunden heilen“

Auch die bisherige republikanische Nummer zwei in der Kammer, Steve Scalise, kündigte an, er wolle ins Rennen einsteigen. Der 57-Jährige schrieb einen Brief an seine Parteikolleginnen und -kollegen, in dem er seine Ambitionen verkündete. „Jetzt müssen wir mehr denn je die tiefen Wunden heilen, die in unserer Fraktion bestehen, und uns auf unsere Ziele konzentrieren, damit wir uns wieder für die Millionen von Menschen einsetzen können, die auf uns zählen“, schrieb er. Scalise wurde vom ultrarechten Matt Gaetz, der den Sturz von McCarthy einleitete, vorgeschlagen.

Für McCarthys Nachfolge kommen bei den Republikanern aber eine Reihe an weiteren Personen infrage: In der „New York Times“ werden abgesehen von Jordan, Scalise und McHenry – er ist Vorsitzender des Ausschusses für Finanzdienstleistungen und McCarthy-Verbündeter – etwa die Republikaner Tom Cole, Tom Emmer und Kevin Hern genannt.

Der Republikaner Steve Scalise
AP/J. Scott Applewhite
Steve Scalise ist die Nummer zwei der Republikaner im Repräsentantenhaus

Emmer ist der „Einpeitscher“ der Republikaner im Repräsentantenhaus und leitete den Wahlkampf der Republikaner in der Kongresskammer bei den Zwischenwahlen 2022. Die Abgeordneten Cole und Hern vertreten beide den Bundesstaat Oklahoma im Repräsentantenhaus. Ex-Präsident Donald Trump, der von einigen ins Spiel gebracht worden war, schien bei einer Pressekonferenz abzuwinken.

Auf seiner Plattform Truth Social veröffentlichte er allerdings eine kuriose Fotomontage. Darauf ist er mit dem Holzhammer des Vorsitzenden in der Hand zu sehen. Auf dem Kopf trägt er eine Baseballkappe, auf der sein Wahlkampfmotto: „Make America Great Again“ steht. Laut der US-Verfassung muss der Vorsitzende des Repräsentantenhauses kein Mitglied des Kongresses sein. Ein Abgeordneter müsste Trump aber als Kandidat aufstellen. Dass Trump mitten im Wahlkampf um die Präsidentschaftskandidatur für die Wahl 2024 ernsthaft Vorsitzender der Parlamentskammer werden will, ist allerdings sehr unwahrscheinlich.

Grabenkämpfe bei Republikanern

Nach der Abwahl von Kevin McCarthy herrscht Chaos bei den US-Republikanern. Republikanische Urgesteine wie Newt Gingrich fordern die Herausforderer McCarthys zum Rücktritt auf. Die Partei leidet unter dem langen Schatten des früheren Präsidenten Donald Trump.

Zerreißprobe für Republikaner?

Der „Guardian“ berichtete indes, dass sich sowohl Jordan als auch Scalise bei Republikanern nach Unterstützung umsehen würden. Beide gelten in der Partei als Hardliner. Ob ausreichend moderate Republikaner diese unterstützen könnten, ist fraglich. Scalises etwaigen Ambitionen könne der Zeitung zufolge nicht nur dessen ultrarechte, politische Ansichten (er wurde in der Vergangenheit etwa mit dem früheren Ku-Klux-Clan-Chef David Duke gesehen), sondern auch sein Gesundheitszustand schaden. Scalise ist unter anderem an Krebs erkrankt.

Die zerstrittenen republikanischen Abgeordneten sagten, sie bräuchten mindestens eine Woche, um einen neuen Vorsitzenden zu wählen. Für die Fraktion dürfte das zur Zerreißprobe werden. „Rechte Republikaner machten deutlich, dass sie keinen Speaker ohne Zusicherungen, dass ihre Prioritäten – darunter die Verabschiedung tiefgreifender Ausgabenkürzungen und strenger Einwanderungsbeschränkungen – berücksichtigt werden, unterstützen“, schreibt die „NYT“.

Angesichts der Tatsache, dass die Demokraten die zweite Kongresskammer, also den Senat, und das Weiße Haus kontrollieren, sei das beinahe „unmöglich“, so die US-Zeitung. Bei den Demokraten im Repräsentantenhaus ist klar, dass sie wieder ihren Vorsitzenden Hakeem Jeffries ins Rennen schicken. Dieser erhielt übrigens in elf der 15 Wahlgänge im Jänner mehr Stimmen als McCarthy. Zur Erinnerung: McCarthy hatte die Spitze des Repräsentantenhauses zu Jahresbeginn übernommen, nachdem die Republikaner bei den Kongresszwischenwahlen vom November 2022 eine knappe Mehrheit erlangt hatten.

Stillstand im US-Repräsentantenhaus

Bis zur Einsetzung eines neuen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses ist es unwahrscheinlich, dass weitere Maßnahmen zur Finanzierung der Regierungsbehörden ergriffen werden. Allerdings droht schon wieder der nächste „Shutdown“, also ein Stillstand der Regierungstätigkeit. Denn der jüngst unter Mithilfe von McCarthy erzielte Haushaltskompromiss zwischen den Republikanern und den Demokraten von US-Präsident Joe Biden gilt nur bis 17. November. Hintergrund der Absetzung McCarthys war, dass die ultrarechten Republikaner sehr tiefgreifende Ausgabenkürzungen hatten durchsetzen wollen. Dieser Streit droht also erneut aufzuflammen.

Wann die Wahl stattfinden wird, hängt jedenfalls davon ab, ob sich Republikaner und Demokraten auf ihr jeweiliges Vorgehen einigen werden. 217 Stimmen sind zur Wahl zum House Speaker nötig.

Präsident Biden rief indes zu einem friedlicheren Miteinander in der Politik auf. „Wir müssen die vergiftete Atmosphäre in Washington ändern“, sagte der Demokrat. Ex-Präsident Trump zeigte sich enttäuscht über den Machtkampf seiner Partei. „Warum kämpfen die Republikaner eigentlich immer gegeneinander und nicht gegen die linksradikalen Demokraten, die unser Land zerstören?“, schrieb der Rechtspopulist, der bei der Präsidentschaftswahl 2024 erneut antreten will, auf seiner Onlineplattform Truth Social.