bewaffneter Hamas-Kämpfer
APA/AFP
Ungeahnte Brutalität

Hamas nimmt Anleihen bei IS

Auch vier Tage nach den konzertierten Überfällen der radikalislamischen Hamas auf Israel sind die Helfer noch immer entsetzt. Die Islamisten gingen mit schonungsloser Brutalität auf Männer, Frauen und Kinder los. Nun droht die Hamas, Geiseln vor laufenden Kameras zu ermorden – eine Terrortaktik, mit der auch die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) weltweit Schockwellen auslöste.

Der Hamas-Sprecher Abu Ubaida drohte am Montag, man werde für jede Bombe, die ohne Vorwarnung auf ein privates Haus in Gaza fällt, eine israelische Geisel töten und diese Morde auch aufnehmen und ausstrahlen. Die Hamas hatte am Dienstag noch bis zu 150 Geiseln in ihrer Gewalt, nachdem sie am Samstag an mehreren Stellen zu Wasser, zu Lande und in der Luft in Israel eingefallen war.

Die Hamas hatte nach israelischen Angaben insgesamt mehr als 1.200 Menschen in Israel getötet und etwa 2.600 verletzt. In mehreren Städten zogen die Islamisten marodierend durch die Straßen und ermordeten zahlreiche Zivilistinnen und Zivilisten, darunter auch Kinder. Sie überfielen das Musikfestival „Supernova“ und richteten ein Blutbad an, indem sie wahllos vorwiegend junge Menschen erschossen. Etwa 270 Leichen wurde auf dem Gelände entdeckt.

Zu den Dutzenden Menschen, die die Hamas als Geiseln nahm, gehören wohl auch österreichische Doppelstaatsbürger. Eine Bestätigung gab es dafür nicht. Es ist möglich, dass die Hamas mit den Geiseln inhaftierte Mitglieder freipressen will oder sie als Faustpfand und menschliche Schutzschilde verwenden will. Die Angehörigen wissen zumeist nicht, ob die Verschleppten noch am Leben sind oder nicht.

Mit Panzerfäusten in die Menge geschossen

Moti Bukjin vom israelischen Freiwilligendienst ZAKA half bei der Bergung der Leichen auf dem Festivalgelände. Etwas Vergleichbares habe er in den 28 Jahren seiner Tätigkeit für die auf die Bergung von Leichen spezialisierte Organisation noch nicht gesehen, sagte er der Nachrichtenagentur AFP. „Sie sind einfach losgefahren, um Leute in ihren Autos zu erschießen.“ Grauenvolle Szenen müssen sich abgespielt haben, so Bukjin. „Sie haben die Menschen kaltblütig auf unvorstellbare Weise abgeschlachtet.“

Andere wurden verschleppt, in sozialen Netzwerken verbreitete Videos zeigten junge Israelis, die in Panik zu flüchten versuchten und um Hilfe schrien. Luftaufnahmen der AFP zeigten brennende Autos, „in jedem Auto lagen zwei oder drei Leichen oder nur eine Leiche“, so Bukjin. Die Terroristen hätten wahllos geschossen. Ein israelischer Soldat, der ebenfalls das Festival besuchte, sagte gar, er habe gesehen, wie die Angreifer mit Panzerfäusten auf die Menge schossen.

Leid und Trauer in Israel

Das Grauen der Terroristen der Hamas in Israel zeigt sich immer mehr. Mittlerweile zählt man schon mehr als 1.000 Tote.

„Kein Krieg, sondern ein Massaker“

Ähnliche Gräuelberichte kamen am Dienstag aus dem Kibbuz Kfar Asa, wo rund 70 Menschen getötet wurden. Die israelischen Streitkräfte (IDF) brachten am Dienstag internationale Medienvertreter dorthin. „Es ist kein Krieg, es ist kein Schlachtfeld, es ist ein Massaker“, so IDF-Generalmajor Itai Veruv. „Man sieht die Babys, ihre Mütter und Väter, in ihren Schlafzimmern und in ihren geschützten Räumen und wie die Terroristen sie getötet haben – es ist kein Krieg.“ So etwas habe er noch nie gesehen. Auch im Kibbuz Be’eri wurden rund 100 Leichen entdeckt.

Fotostrecke mit 8 Bildern

Zerstörung im Kibbutz Kfar Aza, Israel
Reuters/Ronen Zvulun
Die israelischen Streitkräfte (IDF) zeigten Vertreterinnen und Vertretern internationaler Medien die Orte des Grauens vom Samstag: Der Kibbuz Kfar Asa im Süden Israels wurde als „Schlachtfeld“ bezeichnet.
Zerstörung im Kibbutz Kfar Aza, Israel
APA/AFP/Thomas Coex
Die Hamas-Terroristen töteten hier zahlreiche Menschen, viele wurden auch verschleppt
Verwüstetes Haus im Kibbutz Kfar Aza, Israel
APA/AFP/Jack Guez
Einige der Häuser wurden bei dem Angriff fast vollständig zerstört
Zerstörung im Kibbutz Kfar Aza, Israel
Reuters/Ronen Zvulun
Israelische Truppen gingen von Haus zu Haus, um Leichen von Zivilistinnen und Zivilisten zu bergen
Verwüstung auf dem Festivalgelände nahe des Kibbutz Reim, Israel
APA/AFP/Jack Guez
Auch das Festivalgelände nahe Re’im sieht aus wie ein Kriegsschauplatz. Hunderte junge Leute hatten hier gefeiert, als die Terroristen eindrangen und das Feuer eröffneten.
Verwüstung auf dem Festivalgelände nahe des Kibbutz Reim, Israel
APA/AFP/Jack Guez
Viele Besucherinnen und Besucher wollten fliehen und wurden erschossen. Danach zündeten die Terroristen die Autos an.
Ausgebrannte Fahrzeuge auf dem Festivalgelände nahe des Kibbutz Reim, Israel
AP/Ohad Zwigenberg
In den Autos wurden Dutzende Leichen gefunden
Zerstörung Fahrzeuge auf dem Weg zum Kibbutz Kfar Aza, Israel
Reuters/Ronen Zvulun
Manche waren dem Massaker bereits entflohen, als sie abermals auf Terroristen trafen

Der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, äußerte zudem sein Entsetzen über Berichte, wonach militante Palästinenser israelische Geiseln im Gazastreifen misshandeln. Einige Menschen seien wie Trophäen zur Schau gestellt worden, sagte eine Sprecherin am Dienstag in Genf. Es gebe auch Berichte, dass Gefangene getötet und ihre Leichen geschändet worden seien. Türk kritisierte auch die Blockade des Gazastreifens scharf. Eine Belagerung, die das Leben von Zivilisten in Gefahr bringe, sei nach dem Völkerrecht verboten.

„Auf IS-Niveau“

Israels Premier Benjamin Netanjahu verglich die Morde der Hamas am Montag mit jenen des IS. „Die von der Hamas begangenen Gräueltaten hat es seit den Gräueltaten des IS nicht mehr gegeben. Gefesselte Kinder wurden zusammen mit ihren Familien hingerichtet. Junge Männer und Frauen wurden in den Rücken geschossen und hingerichtet. Andere Gräueltaten werde ich hier nicht beschreiben“, sagte Netanjahu. „Wir haben immer gewusst, wer die Hamas ist. Jetzt weiß es die ganze Welt."

Ähnliche Vergleiche sind auch aus den USA zu hören. General Charles Q. Brown, der zeitweise der Koalition gegen den IS als Kommandant vorsaß, sprach von „Brutalität auf IS-Niveau“.

Cupal (ORF) zum Ausmaß des Hamas-Überfalls

ORF-Korrespondent Tim Cupal spricht über die Gräueltaten der Hamas und die andauernden Raketenbeschüsse seitens Israels. Zudem berichtet er über die drei vermissten Männer, die eine österreichische Staatsbürgerschaft haben.

Die Wurzeln des IS reichen bis in die späten 1990er Jahre zurück, er ging zum Teil aus al-Kaida hervor. Heute ist er vor allem in Afrika aktiv und wächst weiter. Seit dem Jahr 2014 veröffentlichte der IS wiederholt Videos, auf denen Geiseln geköpft wurden. Damit erzielte er weltweite Aufmerksamkeit und blankes Entsetzen. Noch immer ist der IS die wohl einflussreichste Terrororganisation, obwohl er in Syrien und dem Irak besiegt wurde.

Für Netanjahu wird die Hamas ebenso scheitern wie das IS-„Kalifat“. "Die Hamas ist der IS. Und wir werden sie besiegen, so wie die aufgeklärte Welt den IS besiegt hat. Dieser abscheuliche Feind wollte Krieg, und er wird Krieg bekommen“, sagte er. Israels Armee tötete laut eigenen Angaben bei den Gegenschlägen rund 1.500 Hamas-Terroristen. Bei den Luftangriffen auf den Gazastreifen kamen laut palästinensischen Angaben zudem seit Samstag mehr als 800 Palästinenser ums Leben.