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ORF.at/Patrick Bauer
VfGH zu ORF-Gremien

Raab überrascht, Grüne sehen Auftrag

Am Dienstag hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) Teile des ORF-Gesetzes mit einer Frist bis März 2025 aufgehoben. Der Bestellmodus des Stiftungs- und Publikumsrats ist nach Ansicht des Höchstgerichts teils verfassungswidrig. Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) zeigte sich überrascht, die Grünen wollen das Gesetz rasch reparieren.

Man nehme „das heute veröffentlichte Erkenntnis des VfGH sehr ernst“ und verstehe es „als Auftrag an die aktuelle Bundesregierung“, um nach „eingehender Prüfung“ der VfGH-Ausführungen tätig zu werden, sagte die grüne Mediensprecherin Eva Blimlinger.

Der VfGH räumte der Politik eine Frist bis zum 31. März 2025 zur Reparatur des ORF-Gesetzes ein. Diese Frist bedeute nach Ansicht von Blimlinger, dass die amtierende Regierung das Vorhaben „umsetzen muss, damit es zeitgerecht dem Parlament zugeleitet werden kann“.

Raab: Experten „prüfen“ Erkenntnis

Seitens der Grünen fordere man „seit Jahren eine Gremienreform, in der Vergangenheit gab es jedoch in keiner Regierung eine Mehrheit für dieses Vorhaben. Wir sehen die Entscheidung des Gerichtshofs deshalb positiv“, so Blimlinger. Angesichts der Neuaufstellung der ORF-Finanzierung durch eine Haushaltabgabe ab kommendem Jahr müssten die „öffentliche Akzeptanz und das Vertrauen an die Unabhängigkeit des ORF“ gestärkt werden.

„Das Erkenntnis des VfGH wurde uns übermittelt und wird derzeit von den Fachexpertinnen und Fachexperten des Verfassungsdienstes geprüft. Überraschend ist jedenfalls, dass die Gremienstruktur seit Jahrzehnten im Wesentlichen unverändert ist und dies jetzt mit einem Mal verfassungswidrig ist“, hieß es in einer Stellungnahme von Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) gegenüber der APA.

NEOS lacht über Bekundungen der Regierung

Das Bekunden der Grünen, dass die Regierung die Unabhängigkeit des ORF stärken will, brachte NEOS bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz laut Eigenaussage zum Lachen. So hätten die Regierungsparteien bei der Reform des ORF-Gesetztes alle Möglichkeiten zur notwendigen „Entpolitisierung“ gehabt, sagte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger.

Nun müsse erneut der VfGH mit einem „nicht überraschenden“ Erkenntnis der Regierung die Rute ins Fenster stellen, damit diese tätig wird. Es ist laut Meinl-Reisinger „völlig ausgeschlossen, dass ÖVP und Grüne jetzt hinter geschlossenen Türen herummauscheln“. Es brauche in den kommenden Wochen Verhandlungen mit allen Parteien: „Die Zeit, an kleinen Schräubchen zu drehen, ist wirklich vorbei.“

Man stehe dafür bereit, den ORF „vom parteipolitischen Gängelband zu befreien“ und für eine „verlässliche Information und Absicherung von Medien zu sorgen“. Die Versuche, die öffentliche Meinung „durch Inserate zu kaufen“, müssten ein Ende haben, so Meinl-Reisinger. Man fordere nicht umsonst seit zehn Jahren ein Ende des „Selbstbedienungsladens“ im ORF. Diese Kritik sieht NEOS-Mediensprecherin Henrike Brandstötter durch den VfGH bestätigt.

Doskozil spricht von „demokratiepolitischem Erfolg“

Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ), der den Prüfantrag initiiert hatte, sprach in einer ersten Reaktion von einem „demokratiepolitischen Erfolg“ und einer „historischen Chance für die Medienlandschaft in Österreich“. Die Entscheidung des Höchstgerichts sei ein „klarer Auftrag zu einer Entpolitisierung des ORF“ – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Das Gesetz müsse nun transparent und unter Einbindung aller wesentlichen Akteure des gesellschaftlichen Lebens reformiert werden, forderte Doskozil. Eingebracht hatte die burgenländische Landesregierung die Beschwerde nach dem Bekanntwerden der „Sideletter“ der früheren und gegenwärtigen Koalitionspartner ÖVP und FPÖ bzw. ÖVP und Grüne zu ORF-Personalbesetzungen.

FPÖ-Chef Herbert Kickl und -Mediensprecher Christian Hafenecker erneuerten unterdessen ihre hasche Kritik am ORF: „Dass die Österreicher aber ab 1. Jänner 2024 für einen jetzt auch noch in Teilen verfassungswidrigen, durchpolitisierten ORF mit einer ‚Zwangssteuer‘ bezahlen müssen, ist ein einziger Skandal.“ Anstatt einer Reparatur des ORF-Gesetzes brauche es „gleich eine Totalreform des ORF in Richtung eines verschlankten ‚Grundfunks‘“.

Lockl: „Aufgabe des Gesetzgebers“

Der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) sieht im Erkenntnis „eine eindeutige Bestätigung“ seines Fünfpunkteprogramms zum ORF. „Eine Gremienreform sowie die Entpolitisierung und Verkleinerung des Stiftungsrates“ seien eine der Kernforderungen, sagte VÖZ-Präsident Markus Mair. „Dass eine umfassende ORF-Reform mehr als überfällig ist, wird nun auch durch den VfGH bestätigt“, betonte er.

Mit dem Erkenntnis herrsche „nun Klarheit, welche gesetzlichen Bestimmungen verfassungskonform sind und welche nicht“, reagierte ORF-Stiftungsratvorsitzender Lother Lockl. Positiv sei das eindeutige Bekenntnis des VfGH zur Unabhängigkeit und Pluralität des ORF: „Diese Unabhängigkeit ist das Fundament des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.“

Für die Tätigkeit in den kommenden Monaten sei wichtig, „dass die Stabilität und Handlungsfähigkeit des Unternehmens sichergestellt ist“, so Lockl. Die Arbeit im Stiftungsrat funktioniere, alle Beschlüsse des Stiftungsrates würden uneingeschränkt aufrecht bleiben. „Es ist nun Aufgabe des Gesetzgebers, für neue gesetzliche Bestimmungen zu sorgen“, so Lockl.