Kurz-Prozess am Wiener Landesgericht
ORF/Roland Winkler
Kurz vor Gericht

Harte Bandagen gegen Schmid

Der Prozess gegen Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist am Freitag mit der Befragung des früheren ÖVP-Chefs fortgesetzt worden. Kurz antwortete ausführlich auf die Fragen des Richters, auf Fragen der Anklage sagte er nichts. Einen scharfen Kurs fuhr er gegen Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid. Dieser habe sich seinen Job schon „selbst gecheckt“ und mehr gewollt.

Am zweiten Prozesstag war der mediale Andrang wieder enorm, stand dieses Mal doch die Befragung des früheren Regierungschefs an. Diese nutzte Kurz auch, um seine Sicht der Dinge darzustellen. Der Sukkus lautet: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) habe die Chats und Aussagen des Ex-Kanzlers im „Ibiza“-U-Ausschuss missinterpretiert. Kurz bekannte sich nicht schuldig, beantwortete alle Fragen des Richters, schwieg allerdings zu den Fragen der WKStA.

Im Kern geht es bei den Vorwürfen um die Frage, wie intensiv der Ex-ÖVP-Chef in die Reform der ÖBAG und in die Postenbesetzungen in der Staatsholding involviert war. Bei seiner Befragung im „Ibiza“-U-Ausschuss soll Kurz seine Rolle bei der Auswahl des Aufsichtsrats sowie bei der Bestellung von Schmid im Jahr 2019 zum ÖBAG-Chef heruntergespielt haben, meint die Anklage mit Blick auf Chats und die Einvernahme von Schmid. Laut Kurz waren seine Aussagen „inhaltlich“ richtig, aber „vielleicht nicht perfekt“.

Kurz: „Bei wem kommt es zu einer Hausdurchsuchung?“

Vor Gericht betonte Kurz seine Unschuld. Zum Teil begründete er seine Aussagen im parlamentarischen Gremium mit der dortigen Stimmung. Er habe sich auch „wenig auf die Befragung vorbereitet“, sagte er mit Blick auf die Coronavirus-Pandemie. Der frühere Bundeskanzler war im Juni 2020 in den U-Ausschuss geladen worden. Er war schon in einem U-Ausschuss gewesen, aber noch nie sei die Stimmung so konfrontativ gewesen, sagte er. Mit „Ibiza“ habe es begonnen, es sei immer die Frage im Raum gestanden: „Bei wem kommt es zu einer Hausdurchsuchung?“

Kurz-Prozess am Wiener Landesgericht
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Kurz antwortete ausführlich auf die Fragen des Richters, bei den Fragen der WKStA schwieg er

Vor dem Termin im „Ibiza“-U-Ausschuss habe er „keinen Kopf“ dafür gehabt. Im Auto habe man ihn noch zu den Themen des U-Ausschusses briefen wollen, aber der frühere Kanzler habe seine Mitarbeiter dann abgewürgt. Er habe zwar mit unterstellenden Fragen gerechnet, aber ihm seien, so behauptete er in der richterlichen Befragung, die Worte im Mund verdreht worden. Er habe sich bemüht, wahrheitsmäßig auszusagen. „Ich habe mich schlicht und ergreifend nicht an jedes Detail erinnern können“, sagte er auch.

Zudem habe er vieles allgemein ausgedrückt, um nichts Falsches zu sagen. Auch die Angst vor einem möglichen Strafverfahren habe eine Rolle gespielt. „Ich wusste, dass die Opposition in diesem Untersuchungsausschuss nicht nur das Ziel hat, mich anzupatzen, sondern sie wollten mich zerstören.“ Auch deshalb führte Richter Michael Radasztics aus, dass es „schwierig“ sei, einen Aussagenotstand zu prüfen. Denn einerseits beharre Kurz auf der Richtigkeit seiner Aussagen, zum anderen fühlte er sich aber auch unter Druck gesetzt.

Kurz zu Schmid: Konnte Hals nicht vollkriegen

Besonders in den Fokus rückte freilich Schmid. Der Ex-ÖBAG-Chef will den Kronzeugenstatus erlangen und sagte bei der WKStA ausführlich gegen Kurz aus. Der Ex-Kanzler widersprach im Prozess aber recht deutlich. „Wenn der Thomas Schmid damals mit mir über die Bestellung gesprochen hat, dann kann ich Ihnen versichern, es war für ihn wichtiger als für mich“, sagte Kurz. Schmid habe den Hals nicht vollkriegen können, was der Ex-Kanzler mit der Chatnachricht „Kriegst eh alles, was du willst“ zum Ausdruck bringen habe wollen.

Kurz-Prozess am Wiener Landesgericht
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Richter Radasztics wollte von Kurz einmal wissen, warum er Schmid quasi gewähren ließ

„Es gibt keine andere Nachricht, die zu so vielen Vorverurteilungen geführt hat, wie diese“, sagte Kurz dem Richter. Schmid sei sich damals sicher gewesen, dass er Alleinvorstand der Staatsholding ÖBAG wird. „Es gibt Personen, die Positionen anstreben. Das habe ich oft erlebt. Aber anstatt dass sich diese Personen denken: Ich habe es geschafft – das ist bei Männern der Fall, bei Frauen habe ich das nie erlebt –, denken sie: Wie kann ich noch mächtiger und größer werden?“, sagte der Ex-Kanzler über Schmid, der seiner Meinung nach mehr wollte.

Kurz dementiert vor Gericht Vorwürfe

Ex-Bundeskanzler Kurz hat am Wiener Straflandesgericht den Vorwurf der Falschaussage vor dem „Ibiza“-Untersuchungsausschuss zurückgewiesen: Vor drei Jahren habe eine sehr angespannte Stimmung geherrscht und man habe bei jeder Antwort Angst haben müssen, dass man gleich geklagt werde.

Zu Aufsichtsratsbestellungen meinte der Ex-Kanzler, er könne vielleicht vergessen, wen er vorgeschlagen hat, aber nicht, ob er die Entscheidung getroffen hätte, denn: „Ich habe kein Hirn wie ein Nudelsieb.“ Dass er auch jemand anderen vorgeschlagen hat, komme in 108 Seiten Strafantrag zudem nicht vor, beklagte Kurz. „Ich habe mein Jusstudium zwar nicht abgeschlossen, aber eines habe ich mir mitgenommen: Vor dem Gesetz sind alle gleich. Ich will nicht jammern, das ist auch gar nicht mein Naturell“, so Kurz.

„Wolf wäre mit Schmid Schlitten gefahren“

Wenn es so gewesen sei, dass er die ÖBAG „zu sich ziehen wollte“, dann hätte er die ÖBIB (die Vorgängerin der ÖBAG) gar nicht reformiert, so Kurz. Zuständig für die Reform sei eben Schmid gewesen. Der Ex-Kanzler betonte mehrmals, dass der Ex-Finanzgeneralsekretär eigene Interessen gehabt hätte, so habe er die Ausschreibung „manipuliert“, um den ÖBAG-Vorstandsjob zu erhalten. Zudem hätte sich Schmid gegen Vorschläge für den Aufsichtsrat ausgesprochen, da diese ja den Vorstand wählen. „Schmid wollte keinen starken Aufsichtsrat“, so Kurz.

Kurz-Prozess am Wiener Landesgericht
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Neben Kurz ist auch dessen Ex-Kabinettschef Bernhard Bonelli wegen Verdachts auf Falschaussage angeklagt

Der Richter fragte dann etwas „volksnah“, wie er meinte: „Und das lassen Sie sich aufs Aug drücken?“ Kurz antwortete, dass er vieles als Kanzler gar nicht gewusst habe, dafür gebe es auch andere Minister, die bestimmte Aufgaben hätten. „Der Thomas Schmid hat nicht gegen mich gearbeitet. Er hat einen guten Job gemacht. Aber ja, er hat auch seine eigenen Interessen verfolgt", sagte der Ex-Kanzler. Dass Schmid gegen Siegfried Wolf als Aufsichtsratschef war, könne Kurz verstehen: „Wolf wäre mit Schmid Schlitten gefahren“.

Wenig überraschend wollte Kurz auf Fragen der WKStA nicht eingehen. Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic stellte dennoch Fragen, um diese auch protokolliert zu haben. „Es ist sehr bedauerlich, dass Ihnen Aufklärung nicht am Herzen liegt“, bedauerte Adamovic und verwies auf die angespannte Stimmung zwischen WKStA und Kurz. Am Ende des Verhandlungstages folgte ein Antrag der Verteidigung, Schmid als ersten Zeugen zu laden. Auch der WKStA kam das entgegen. Die Verhandlung wurde auf Montag vertagt.