Palästinenserpräsident Mahmud Abbas
Reuters/Alexandre Meneghini
Schwieriger Spagat

Gaza-Krieg und die Rolle von Abbas

Als Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde erscheint Mahmud Abbas im Sog des Gaza-Krieges derzeit als zentraler Ansprechpartner der internationalen Gemeinschaft. Darauf verweisen Gespräche und Treffen mit Staats- und Regierungschefs etwa aus den USA, der Türkei, der arabischen Welt und Russland. Welche Rolle der seit rund 18 Jahren an der Spitze der Autonomiebehörde stehende Abbas bei einer etwaigen Konfliktlösung spielen könnte, bleibt dennoch offen.

Was dem 87-Jährigen schon lange fehlt, ist Rückhalt innerhalb der palästinensischen Bevölkerung, wie Beobachterinnen und Beobachter in diesem Zusammenhang immer wieder hervorheben. Und das gilt nicht nur für den Gazastreifen, wo die radikalislamistische Hamas 2007 gewaltsam die Macht übernommen hat, sondern auch für das Westjordanland.

Auch dort wurde, so wie im Gazastreifen, Anfang 2006 das letzte Mal gewählt: Abbas hat zwar wie zuletzt 2021 immer wieder neue Wahlen angekündigt, diese genauso oft aber auch wieder abgesagt. Damit einher geht der Vorwurf, dass sich Abbas seit nunmehr 14 Jahren ohne Mandat an der Macht festhalte. Dazu kommen anhaltende Korruptionsvorwürfe, aber auch ein mit den Jahren als zunehmend autoritär kritisierter Regierungsstil, samt beschnittenen Rechten für die Zivilgesellschaft und einer verschärfter Vorgangsweise gegen kritische Stimmen.

Proteste mit Rücktrittsaufrufen

Beispielhaft für die „wachsende Wut“ gegen den als weithin unpopulär bezeichneten Palästinenserpräsidenten war nach Angaben des Onlineportals France24 zuletzt auch eine „seltene Demonstration“ auf den Straßen des besetzten Westjordanlandes samt dem Aufruf „Abbas tritt zurück“.

„Die Macht von Mahmud Abbas in den palästinensischen Gebieten tendiert laut manchen Stimmen gegen null“, hieß es dazu beim Schweizer Fernsehen (SRF), wo die Nahost-Expertin Inga Rogg dann auch eine etwaige Wiederwahl Abbas’ „mit Sicherheit“ ausschloss. Schließlich sei den Angaben zufolge auch den internationalen Partnern klar, „dass Mahmud Abbas zu Hause keinen Rückhalt mehr hat“ – es gebe zurzeit allerdings „keine Alternative“.

Vor Rückkehr in Gazastreifen?

Für mehr Gesprächsstoff als ein Abbas-Rückzug von der Macht sorgt derzeit eine etwaige Rückkehr der von Abbas’ Fatah angeführten Autonomiebehörde in den Gazastreifen. Sollte Israel seinen Plan umsetzen und die Hamas dort erfolgreich zerschlagen, sei das aus Beobachtersicht ein durchaus denkbares, wenn auch fragliches Szenario. Nichtsdestotrotz stellte Abbas dafür offenbar bereits Bedingungen. Man werde diesen Schritt nur dann in Erwägung ziehen, wenn er Teil einer umfassenderen Friedensinitiative mit Israel wäre, wie ein palästinensischer Beamter nach Angaben der Times of Israel dazu sagte.

Persönliches Treffen mit Biden wieder abgesagt

Abbas distanzierte sich erst rund eine Woche nach den Terrorangriffen in Israel von der Hamas. Deren Taten und deren Politik „repräsentieren nicht das palästinensische Volk“, wie Abbas laut Angaben der palästinensischen Nachrichtenagentur WAFA in einem Telefonat mit Venezuelas Präsidenten Nicolas Maduro sagte.

Bereits zuvor stand Abbas etwa im Kontakt mit Jordanien und damit einem zentralen Unterstützer der palästinensischen Autonomiebehörde sowie mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, zudem besuchte Abbas den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau. Mit US-Präsident Joe Biden hat Abbas telefoniert – ein bereits geplantes persönliches Treffen mit Biden wurde im Zusammenhang mit dem Raketenangriff auf ein Krankenhaus im Gazastreifen wieder abgesagt.

Emmanuel Macron und Mahmud Abbas
Reuters/Christophe Ena
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zu Gast bei Abbas in Ramallah

Als erster westlicher Staatschef besuchte nun Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Abbas im Westjordanland. Abbas forderte den französischen Präsidenten auf, sich für ein Ende der „Aggression“ in Gaza einzusetzen. Macron betonte, dass nichts „das Leiden“ der Zivilbevölkerung in Gaza „rechtfertigen“ könne – die Zukunft der Palästinenser hänge aber von einem „eindeutigen“ Kampf gegen den Terrorismus ab. Der Terrorangriff der Hamas auf Israel sei laut Macron „auch eine Katastrophe für die Palästinenser“.