US-Präsident Joe Biden
AP/Carolyn Kaster
Biden drängt Israel

Mehr humanitäre Hilfe für Gaza zulassen

US-Präsident Joe Biden verstärkt trotz seiner laut eigenen Aussagen uneingeschränkten Unterstützung Israels den Druck auf das Land. In einem Telefonat mit Regierungschef Benjamin Netanjahu forderte er eine „deutliche und sofortige“ Erhöhung der humanitären Hilfe für die Zivilbevölkerung in Gaza. Die Angehörigen der Entführten bangen unterdessen weiter um die Geiseln.

Nur so könne der Bedarf der Zivilbevölkerung gedeckt werden, sagte der Präsident laut einer Erklärung des Weißen Hauses. Ab sofort sollen täglich und deutlich mehr Lastwagen nach Prüfung durch Israel über den ägyptischen Grenzübergang Rafah in den Gazastreifen rollen. UNO-Angaben zufolge kamen Montagfrüh 33 Lastwagen mit Hilfslieferungen im Gazastreifen an.

Es handle sich um „die größte Lieferung von humanitärer Hilfe seit dem 21. Oktober“, so das UNO-Büro für humanitäre Angelegenheiten (OCHA). Es seien Wasser, Lebensmittel und medizinische Hilfsgüter geliefert worden. Laut israelischen Medienberichten sollen am Montag bereits an die 100 Lkws kommen. Ermöglicht werde das auch durch neue technische Errungenschaften, die Ladungen der Lkws zu prüfen, hieß es zumindest laut diesen Medienberichten.

Lastwagen mit Hilfsgütern am Weg nach Rafah
Reuters/Ibraheem Abu Mustafa
Täglich soll nun mehr Hilfe nach Gaza kommen

Zuletzt war es in Gaza zu Plünderungen in einem Lebensmittellager des UNO-Palästinenserhilfswerks (UNRWA) gekommen. Auch die von Israels Armee unterbrochenen Telefon- und Internetverbindungen wurden auf Druck Bidens in Teilen Gazas wiederhergestellt. Israel argumentiert bezüglich der Hilfslieferungen, dass die Hamas nicht nur die eigene Zivilbevölkerung als „menschliche Schutzschilde“ missbraucht, sondern schon seit Jahren Teile der Hilfslieferungen inklusive des Benzins für seine eigenen Zwecke abzweigt und das nun weiter tun werde. Die Hamas sei auch jetzt bestens versorgt, während die Zivilbevölkerung leide.

Telefonat auch mit al-Sisi

Zudem telefonierte Biden mit Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi. Dabei kamen die beiden Staatschefs den Angaben zufolge überein, „die Lieferung von Hilfe in den Gazastreifen von heute an und auf kontinuierliche Art zu beschleunigen und zu erhöhen“. Zudem betonten sie „die Wichtigkeit, das Leben von Zivilistinnen und Zivilisten zu schützen und das humanitäre Völkerrecht einzuhalten“.

Offensichtlich mit Blick auf Befürchtungen Kairos vor einer Massenflucht von Palästinenserinnen und Palästinensern aus dem Gazastreifen betonten Biden und Sisi den Angaben zufolge zudem, dass sichergestellt werden müsse, „dass die Palästinenser aus dem Gazastreifen nicht nach Ägypten oder in andere Staaten“ kommen.

Biden fordert Vorgehen gegen „extremistische Siedler“

Die US-Regierung verlangte zuvor von Israels Regierungschef Netanjahu auch, dass er „extremistische Siedler“ im Westjordanland bremst und zur Rechenschaft zieht.

Der Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, sagte am Sonntag im US-Fernsehen: „Wir glauben, dass Ministerpräsident Netanjahu die Verantwortung hat, die extremistischen Siedler im Westjordanland zu zügeln, die, wie Präsident Biden es vor einigen Tagen formulierte, Öl ins Feuer gießen.“ Es sei „völlig inakzeptabel“, dass „extremistische Siedler Gewalt gegen unschuldige Menschen im Westjordanland“ ausübten.

„Erwarten, dass israelische Regierung aktiv wird“

Darauf würden die USA auch weiterhin drängen, sagte Sullivan. Das sei keine einmalige Angelegenheit. „Das ist eine andauernde Herausforderung, die andauernde und verstärkte Anstrengungen der israelischen Regierung erfordern wird“, betonte der Sicherheitsberater. Man erwarte, dass die israelische Regierung aktiv werde und „dass die extremistischen Siedler, die diese Art von Gewalt ausüben, zur Rechenschaft gezogen“ würden. Rechte und rechtsextreme Siedlerparteien sind wichtige Koalitionspartner Netanjahus.

Biden hatte sich schon am Mittwoch über „extremistische“ Siedler im Westjordanland besorgt gezeigt und Gewalt gegen Palästinenser verurteilt. Er hatte erneut betont, dass Israel das Recht und die Verantwortung habe, auf die Angriffe der Hamas-Terroristen zu reagieren.

Tim Cupal (ORF) zur aktuellen Lage in Gaza

Tim Cupal (ORF) spricht über die aktuelle Lage in Gaza. Israel hat am Sonntag das Bombardement Gazas verstärkt. Im Gazastreifen sind laut dem UNO-Palästinenserhilfswerk (UNRWA) Tausende Menschen in Lager- und Verteilhäuser für Hilfsgüter eingebrochen.

Unschuldige Zivilisten weitestmöglich schützen

„Aber das mindert nicht die Notwendigkeit, im Einklang mit den Gesetzen des Krieges zu handeln. Israel muss alles in seiner Macht Stehende tun, um unschuldige Zivilisten zu schützen, so schwierig das auch sein mag“, so der US-Präsident. Israel sollte sich darauf konzentrieren, „die Leute zu verfolgen, die diesen Krieg gegen Israel propagieren“.

Als Reaktion auf den Großangriff der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas am 7. Oktober hat Israel den Gazastreifen komplett abgeriegelt und greift vor allem den Norden nahezu ununterbrochen an. Die Bevölkerung in dem Palästinensergebiet lebt laut UNO unter katastrophalen Umständen, das UNRWA warnt vor einem Zusammenbruch der zivilen Ordnung.

Ein israelischer Soldat auf einer Straße im nördlichen Westjordanland
APA/AFP/Christophe Ena
Ein israelischer Soldat in einem Dorf nahe Nablus im nördlichen Westjordanland

Angehörige bangen um Entführte

In Israel dauert unterdessen das Bangen um die von der Hamas Entführten an. Laut Armee ist deren Zahl weiter auf derzeit insgesamt 239 gestiegen. Israels Regierung betont, die Bodenoperationen seien kein Zeichen, dass man sich nicht um die Befreiung der Entführten bemühe, im Gegenteil: Laut offizieller israelischer Darstellung habe die Hamas bisher kein ernsthaftes Interesse an einem Deal gezeigt.

Der erhöhte Druck durch die Bodenoperationen, so die offizielle Darstellung, solle diese Bereitschaft schaffen. Die Hamas hatte am Samstag – kurz vor einem Treffen Netanjahus mit Angehörigen der Entführten – in einer Stellungnahme betont, zu einem Deal aller gegen alle, also die Freilassung aller palästinensischen Gefangenen im Gegenzug für die Freilassung der fast 240 Entführten, bereit zu sein. Die Angehörigen fordern von Israel, einem solchen Deal zuzustimmen.

Unklar ist allerdings, ob sowohl Israel als auch die Hamas dazu tatsächlich bereit sind. Ägypten und Katar, die Länder mit dem größten Einfluss auf die Hamas, sind hinter den Kulissen als Vermittler tätig.