Israelische Soldatin Ori Megidish
Reuters/Israel Security Agency
Israelische Armee

Entführte Soldatin in Gaza befreit

Nach Angaben der israelischen Armee ist bei dem Einsatz der Bodentruppen im Gazastreifen eine israelische Soldatin befreit worden. Die am 7. Oktober von der Hamas entführte Frau sei in gutem Zustand und habe ihre Familie bereits getroffen, teilte die Armee am Montag auf Twitter (X) mit. Die Befreiung habe in der Nacht stattgefunden. Auf einem vom Militär verbreiteten Bild war sie in den Armen ihrer Familie zu sehen.

Einzelheiten zur Befreiung sind derzeit nicht bekannt. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu dankte der Armee und dem Geheimdienst. An die Hamas gerichtet sagte er: „Ihr seid Monster. Wir werden euch weiter jagen. Wir werden euch bekämpfen, bis ihr uns zu Füßen liegt.“ Zuvor hatte er schon gesagt: „Wir setzen unsere Bemühungen zur Befreiung der Geiseln fort, auch während des Bodeneinsatzes, und dieser wird sogar Gelegenheiten der Befreiung schaffen, und wir werden sie nicht verpassen.“

Zugleich rückten Bodentruppen laut Armeeangaben weiter in den Gazastreifen vor. Aussagen der Armee legen heftige Gefechte mit der Hamas nahe – Dutzende in Häusern und Tunneln verbarrikadierte Hamas-Terroristen seien getötet worden, teilte ein Armeesprecher mit. Bisher unbestätigten Berichten zufolge seien israelische Panzer mittlerweile bis zu einem Randbezirk von Gaza-Stadt vorgerückt.

„Dutzende“ Panzer bei zentraler Verkehrsader

Im Stadtteil al-Saitun hätten „Dutzende“ Panzer bei einer zentralen Verkehrsader, die den Norden mit dem Süden des Gazastreifens verbindet, Stellung bezogen. Die Salah-al-Din-Straße sei durch Panzer und israelische Kampfflugzeuge beschossen worden, berichtete die Agentur AFP mit Verweis auf Augenzeugen. Die BBC verwies auf ein offensichtlich im Süden von Gaza-Stadt aufgenommenes Video, auf dem der Beschuss eines Autos durch einen israelischen Panzer zu sehen sei.

Das laut BBC verifizierte Video verdeutliche, wie tief die israelischen Bodentruppen mittlerweile in den Gazastreifen vorgedrungen seien. Die zuvor wegen Kampfhandlungen noch blockierte Straße sei wieder offen, wie die BBC am Nachmittag unter Berufung auf ihren Korrespondenten im Gazastreifen berichtete.

Karte von Gaza
Grafik: APA/ORF; Quelle: New York Times/IDF

Eine Bestätigung durch das israelische Militär gibt es nicht. Zuletzt mehrten sich allerdings Hinweise, wonach Gaza-Stadt eingekreist werden könnte. Beobachter sprachen von Bildern, auf denen israelische Panzer am Strand von Nordgaza zu sehen seien, sowie Berichten, wonach Israels Bodentruppen gleich an mehreren Orten um Gaza-Stadt Stellung bezogen hätten.

Wie der US-Fernsehsender CNN dazu auf Basis ausgewerteter eigener Luftaufnahmen berichtete, ist das israelische Militär inzwischen etwa drei Kilometer in den abgeriegelten Gazastreifen vorgestoßen. Der Küstenstreifen am östlichen Mittelmeer ist etwa 40 Kilometer lang und zwischen sechs und 14 Kilometer breit.

Israelische Panzer bis Gaza-Stadt vorgerückt

Am Montag drang das israelische Militär mit seinen Bodentruppen bis an die Ränder von Gaza-Stadt vor. Nach eigenen Angaben hat es dabei innerhalb von 24 Stunden Dutzende Terroristen getötet. Zudem seien etwa 600 Ziele aus der Luft angegriffen worden.

Bodentruppen weiter verstärkt

Israels Militärsprecher Daniel Hagari machte am Montagvormittag keine Angaben über etwaige Standorte der israelischen Bodentruppen im Gazastreifen. In Erwartung eines erbitterten Häuserkampfes in den Städten des Palästinensergebiets mahnte Hagari palästinensische Zivilisten erneut, Richtung Süden in ein „sichereres Gebiet“ zu gehen.

Bei dem seit dem Wochenende laufenden, von Israel als „nächste Phase“ bezeichneten Vorstoß mit Bodentruppen verlaufe bis jetzt alles „nach Plan“, sagte Hagari am Montag bei einer Pressekonferenz. Israels Militär veröffentlichte am späten Sonntagabend Bildmaterial, auf dem die in den Gazastreifen vorgerückten Bodentruppen zu sehen sein sollen.

In der Nacht auf Montag seien zusätzliche Soldaten in den Gazastreifen geschickt worden. „Unsere Aktivitäten dort werden sich noch verstärken“, so Hagari der von einer „ausgedehnten Bodenoperation“ sprach und diese laut CNN wie folgt beschrieb: „Bodentruppen, Panzer, Infanterie und gepanzerte Kräfte bewegen sich auf die Terroristen zu, die sich in einem Lager verschanzen und versuchen, uns anzugreifen. Dann greifen wir sie aus der Luft an.“

Auch Hamas spricht von „heftigen Gefechten“

Terroristen der Hamas im Gazastreifen griffen Israel unterdessen weiter mit Raketen an, berichtete die dpa. In Jerusalem, im Zentrum des Landes und im Süden heulten am Montag die Warnsirenen, wie die Armee mitteilte. Es gab noch keine Berichte über Opfer.

„Unsere Kämpfer führen derzeit im Nordwesten des Gazastreifens heftige Gefechte mit Maschinengewehren und Anti-Panzer-Waffen gegen die eingedrungenen Besatzertruppen“, hieß es am Sonntagabend in einer Mitteilung der Hamas. Die Al-Kassam-Brigaden, der bewaffnete Arm der Hamas, teilten mit, sie hätten „Mörsergranaten und Raketen“ auf einen israelischen Militärstützpunkt in Erez gefeuert. Erez ist der wichtigste Grenzübergang zwischen Israel und dem Gazastreifen – und wie alle Grenzübergänge nach Israel derzeit geschlossen.

Israel hatte den Gazastreifen vollständig abgeriegelt, nachdem Hamas-Kämpfer am 7. Oktober Israel überfallen hatten. Die Terrororganisation hatte dabei nach israelischen Angaben rund 1.400 Menschen getötet und mindestens 239 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Im Gazastreifen wurden laut Hamas seit Beginn der israelischen Angriffe mehr als 8.300 Menschen im Gazastreifen getötet.

Israel: 600 Ziele in 24 Stunden angegriffen

Neben der Bodenoffensive greift die israelische Armee auch weiterhin mit Kampfflugzeugen und Artillerie Ziele im Gazastreifen an. Insgesamt seien innerhalb von 24 Stunden mehr als 600 Ziele im Gazastreifen angegriffen worden, darunter Waffendepots, Dutzende Abschusspositionen für Panzerabwehrraketen sowie Verstecke und Stützpunkte der Hamas, so das israelische Militär am Montag.

Einwohnerinnen und Einwohner des Palästinensergebiets berichteten von schweren Angriffen aus der Luft und mit Artillerie. Palästinensischen Medienberichten zufolge wurden Gebiete in der Nähe zweier Krankenhäuser aus der Luft beschossen. Israel forderte am Wochenende die Evakuierung des Spitalsgeländes.

Israel wirft der Hamas vor, sich in und bei ziviler Infrastruktur wie Spitälern zu verschanzen und die Zivilbevölkerung als Schutzschilde zu missbrauchen. Unter dem größten Spital von Gaza-Stadt vermutet Israels Armee das Hauptquartier der Hamas.

„Nächste Phase“

Israel kündigte am Wochenende an, dass es in eine „zweite Phase“ seines Krieges gegen die Hamas eingetreten sei und erklärte am Sonntag, dass es seine Bodenoperation im Gazastreifen nach wochenlangen Luftangriffen auf das von der Hamas kontrollierte Gebiet intensivieren werde. Die Angriffe erfolgen nun „aus der Luft, zu Lande und zur See“, wie Hagari in einem vom Militär in der Nacht auf Sonntag veröffentlichten Video mitteilte.

Als Israel nach dem Hamas-Überfall am 7. Oktober die Mobilisierung von 300.000 Reservisten ankündigte, war von vielen eine großangelegte Bodenoffensive erwartet worden. Statt eines plötzlichen Großangriffs setzt Israel nun offenbar auf eine allmähliche Ausweitung seiner Bodeneinsätze gegen die Hamas. Das Land sei auf einen „langen und schwierigen“ Krieg vorbereitet, sagte der israelische Premierminister Netanjahu am Samstag bei einer Pressekonferenz.

Netanjahu: „Kein Stopp der Kämpfe mit Hamas“

Am Montag lehnte Netanjahu eine Waffenruhe ab. „So wie die USA nach der Bombardierung von Pearl Harbor oder dem Terroranschlag vom 11. September keiner Waffenruhe zugestimmt hätten, wird Israel einem Stopp der Kämpfe mit der Hamas nach den schrecklichen Angriffen des 7. Oktobers nicht zustimmen“, sagte Netanjahu.

„Aufrufe an Israel, einer Waffenruhe zuzustimmen, sind Aufrufe, gegenüber der Hamas, gegenüber Terrorismus, gegenüber der Barbarei zu kapitulieren. Das wird nicht passieren.“ Netanjahu sagte weiter: „Jede zivilisierte Nation sollte an Israels Seite stehen und die sofortige und bedingungslose Freilassung der Geiseln fordern.“ Man ziehe nun eine Linie „zwischen den Kräften der Zivilisation und den Kräften der Barbarei“.