Ölplattform in der Nordsee von der CO2 zurück in der Erde gepumpt wird
Reuters/Nerijus Adomaitis
CO2-Speicher

Neue Gretchenfrage bei Klimakonferenz

Auch heuer wird es bei der UNO-Weltklimakonferenz in Dubai hitzige Diskussionen zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen geben. Im Zentrum der Debatte wird auch die Speicherung von CO2 stehen. Zwar ist die Technologie kein Allheilmittel, ganz ohne wird es in manchen Bereichen aber nicht gehen.

Während sich einige Staaten wie auch die EU für eine Verpflichtung zum Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen aussprechen, pochen Staaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) auf eine Entkopplung der Einführung erneuerbarer Energien vom fossilen Ausstieg. Zentral ist in der Diskussion der Begriff „unabated fossil fuels“, also „unverminderte“ fossile Brennstoffe.

Dabei geht es um die Frage, ob etwa fossile Kraftwerke, die Technologien einsetzen, um die entstandenen Emissionen wieder „einzufangen“, weiterlaufen sollen. Kritikerinnen und Kritiker befürchten, dass der Einsatz von CO2-Abscheidung missbraucht wird, um nötigen Fortschritt zu blockieren.

Aus der Luft gegriffen

Die Idee ist einfach: CO2 wird „aufgefangen“ und sicher gespeichert, damit es nicht in die Atmosphäre gelangt und das Klima weiter aufheizt. Bei der Abscheidung und Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage, kurz CSS) wird also Kohlenstoffdioxid direkt bei der Entstehung in Kraftwerks- und Industrieanlagen gebunden, zu einer Speicherstätte transportiert und dort zur dauerhaften Speicherung in eine geeignete geologische Struktur injiziert.

Laut einer Erhebung des Institute for Energy Economics and Financial Analysis (IEEFA) aus 2022 werden knapp 40 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr abgeschieden. Fast drei Viertel davon werden allerdings in Ölfelder gepumpt, um mehr Öl und Gas aus dem Boden fördern zu können, wodurch mehr CO2-Emissionen entstehen.

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Infografik zu CO2-Abscheidung und -Speicherung
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Infografik zu biogener CO2-Abscheidung und -Speicherung
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Infografik zu CO2-Abscheidung aus der Luft
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Infografik zu CO2-Verwendung
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CCS kann auch in Kraftwerken angewendet werden, die auf biogene Brennstoffe wie etwa Holzpellets zur Energiegewinnung setzen. Dabei entstehen „negative Emissionen“. Denn die Bäume, welche später als Energieträger fungieren, nehmen selbst bereits CO2 aus der Luft auf. Das CO2, das bei der Verbrennung (wieder) entsteht, wird allerdings abgefangen und gespeichert.

Von CCS zu unterscheiden ist die direkte Abscheidung von CO2 aus der Luft (Direct Air Capture, kurz DAC). Mit Hilfe von großen Ventilatoren wird CO2 aus der Atmosphäre gefiltert und kann dann gespeichert oder weiterverwendet werden – etwa in der Getränkeherstellung oder für chemische Prozesse. Dieses Verfahren nennt sich Carbon Capture and Utilization (CCU).

Kein Ersatz für Dekarbonisierung

Für Kohlendioxid, das auch in einer klimaneutralen Welt 2050 noch entstehen werde, sieht Tobias Pröll, Professor für Verfahrens- und Energietechnik an der Universität für Bodenkultur (BOKU), die Notwendigkeit, Speichertechnologien rasch einzusetzen. Das betreffe etwa die chemische Industrie, die Zementherstellung, die Stahlerzeugung, die Papierproduktion und die Müllverbrennung.

„Mit CCS können rund 20 Prozent der gesamten heutigen CO2-Emissionen vermieden werden“, schätzt der Klima- und Energieexperte gegenüber ORF.at. Damit sei CCS zum Erreichen der Pariser Klimaziele zwar notwendig, aber nur ein Teil der Lösung. Sofern möglich, sei kosteneffiziente Dekarbonisierung zu bevorzugen.

Überblicksaufnahme des CCS-CO2-Absorptions-Firmengeländes
IMAGO/ZUMA Wire/Rodrigo Reyes Marin
Bei Japans erstem CCS-Projekt in Tomakomai wurden bis zu 0,3 Megatonnen CO2 in Offshore-Salzwasserreservoirs eingelegt

CCS könne zwar Teil der Lösung sein, aber keine Entschuldigung dafür, andere Maßnahmen zu verlangsamen, erklärt auch die Atmosphärenforscherin Katharina Hayhoe bei einem Pressegespräch der Journalistenkollaboration Covering Climate Now. Vergleiche man die Atmosphäre mit einem Pool, der immer mehr mit Wasser gefüllt wird, müsse es drei Maßnahmenstränge geben.

„Wir müssen zuerst die Wasserzufuhr abdrehen, also dekarbonisieren.“ Dazu zähle zwar auch, Emissionen direkt bei ihrer Entstehung durch CCS abzufangen. Aber die am einfachsten umzusetzende Maßnahme sei Effizienzsteigerung – etwa im Bereich Energie und Lebensmittelverschwendung. Zusätzlich müsse auch der Abfluss vergrößert werden, etwa durch den Stopp von Abholzung und Direct Air Capture, und die Menschen müssten lernen zu schwimmen.

Hoher Energieaufwand

Im Gegensatz zu CCS sei DAC jedoch weit davon entfernt, eine effiziente Lösung zu sein, erklärt Pröll. „Das ist ein Märchen, dem wir allzu gerne aufsitzen.“ Es sei eine große Gefahr, die Dekarbonisierung zu verlangsamen, weil man darauf hoffe, das CO2 später aus der Luft zu filtern, so der Energieexperte. „Es ist grober Unfug in einer Welt, die sich zu 80 Prozent aus Kohle, Öl und Gas mit Energie versorgt, eine Technologie mit gigantischem zusätzlichen Energiebedarf vorzuschlagen.“

Ein Schlüssel bei der Frage, ob CCS eingesetzt werde, seien die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, so Pröll. „Es ist nach wie vor billiger, Kohlendioxid in die Atmosphäre zu blasen.“ Solange die wirtschaftliche Nachhaltigkeit nicht gegeben sei, könne es die Umsetzung in der Industrie nicht geben. Aber: „Die erneuerbare Stromerzeugung ist, wenn CO2-Zertifikate oder CCS-Kosten eingerechnet werden, heute schon kostengünstiger als fossile.“

Ein CO2-Zertifikat

entspricht der „Erlaubnis“, eine Tonne CO2 zu produzieren. Die Gesamtmenge an CO2-Zertifikaten ist begrenzt und sinkt jährlich, wodurch der Preis für CO2 steigt.

Mit Direct Air Capture CO2 abzuscheiden, koste rund 1.000 Euro pro Tonne, rechnet Pröll vor. CCS liege – inklusive Transport und Speicherkosten – bei rund 100 bis 160 Euro pro Tonne. Im Vergleich dazu beträgt die CO2-Steuer derzeit 32,5 Euro pro Tonne, und CO2-Zertifikate kosten rund 90 Euro. „Allerdings wirken die Zertifikatspreise in Österreich derzeit nicht, da die Industrie nach wie vor gratis Zertifikate zugeteilt bekommt.“

Nasses Grab für Europas CO2?

Vor allem im Norden Europas wird CO2 bereits im Untergrund gespeichert. In Österreich ist die geologische CO2-Speicherung verboten, die ÖVP drängt jedoch auf ein Ende des Verbots, ganz nach dem Vorbild Norwegens.

Mit dem Projekt „Northern Lights“ will Norwegen laut Regierungschef Gahr Store das gesamte Kohlenstoffdioxid Europas in rund 3.000 Meter Tiefe unter dem Meer speichern. In erschöpften Öl- und Gaslagerstätten in der Nordsee könne das CO2 sicher gelagert und später als Rohstoff genutzt werden.

2024 soll mit der Speicherung begonnen werden können. Abgeschiedenes, verflüssigtes CO2 könnte dann auch aus Österreich per Schiff oder Pipeline zum norwegischen CO2-Speicher transportiert werden.

CO2-Speicherprojekte in Europa, mehr Informationen bei Touch oder Mouseover

Ähnliche Projekte gibt es etwa auch in Dänemark, den Niederlanden und Großbritannien. Und auch in Island wird mit Hilfe von Geothermiekraftwerken mit Wasser gemischtes CO2 im Vulkangestein gespeichert.