Sultan Ahmed al-Dschaber
APA/AFP/Ryan Lim
Kritik vor Klimakonferenz

Dubais umstrittene Doppelrolle

Am Donnerstag geht die UNO-Klimakonferenz (COP28) in ihre nächste Runde. Der heurige Austragungsort Dubai und ihr Präsident sind umstritten: Sultan Ahmed al-Dschaber ist zugleich Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate und Chef der Ölgesellschaft ADNOC. Wo die einen eine „dunkle Wolke“ über der COP sehen, wittern andere Chancen für eine Einigung trotz widersprüchlicher Interessen. Die Zeit drängt – denn das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, rückt in immer weitere Ferne.

Ein Rekordaufgebot von rund 80.000 Teilnehmenden wird bei der COP28 in Dubai erwartet. Unter ihnen befinden sich Delegationsmitglieder, Journalisten und Aktivisten, aber auch Lobbyisten und Unternehmensvertreter – steht doch nicht nur in Bezug auf das Klima, sondern auch wirtschaftlich viel auf dem Spiel. Denn heuer dürfte vor allem der Kampf um einen Ausstieg aus fossilen Energieträgern, also Erdöl und Erdgas, eine zentrale Rolle bei den Verhandlungen spielen – und für zähe Diskussionen sorgen.

Das Gastgeberland, die Vereinigten Arabischen Emirate, ist selbst ein großer Exporteur von Gas und Öl. Die Ländergruppe ist der siebentgrößte Ölförderer der Welt, bei Erdgas belegt sie Platz 15. Nur in sechs anderen Ländern sind die nachgewiesenen Reserven größer, berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“). Öl- und Gasexporte steuern ein Drittel zur Wirtschaftsleistung bei.

Weltklimakonferenz

Bei der Conference of the Parties (COP) kommen die EU und die 197 beteiligten Staaten zusammen, die 1992 in Rio de Janeiro die UNO-Rahmenkonvention zum Klimawandel unterzeichnet haben. Die COP findet jährlich in einer anderen Stadt statt, die zweiwöchigen Verhandlungen dienen der Formulierung eines Beschlusstextes.

Dass ausgerechnet der Chef des staatlichen Ölkonzerns ADNOC die Präsidentschaft der COP28 übernommen hat, stößt daher nicht nur bei Klimaaktivisten auf Kritik. Es handle sich um einen „Ölkonzern, der über einen eigenen Staat verfügt“, sagte ein Beobachter gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Im Mai forderten mehr als 100 Mitglieder des US-Kongresses und des Europäischen Parlaments Dschabers Rücktritt.

Verbindlichkeit gefordert

Auch auf Zusagen zum sofortigen Stopp des Ausbaus fossiler Brennstoffe wurde im Vorfeld gepocht. „Die COP-Leitung sollte sich bemühen, formale Verhandlungsergebnisse mit dem rechtlichen Status eines COP-Beschlusses zu erzielen, und sich nicht auf freiwillige Zusagen verlassen“, hieß es zuletzt in einem Brief von mehr als hundert Umweltorganisationen.

Dschaber sagte zwar, die Welt müsse die Abhängigkeit fossiler Brennstoffe „abbauen“, verzichtete aber auf Forderungen nach einem vollständigen Ausstieg aus Öl, Kohle und Gas. Auch, dass er für die umstrittene Abscheidung und Speicherung von CO2 („Carbon Capture“) wirbt, sorgte für Kritik.

Al Dschaber sieht keinen Interessenkonflikt

Dschaber selbst kann die Kritik an seiner Rolle nicht nachvollziehen. „Die Leute, die mir einen Interessenkonflikt vorwerfen, kennen meinen Werdegang nicht“, sagte er im Juli. „Ich bin jemand, der sich den Großteil seiner Karriere mit Nachhaltigkeit beschäftigt hat.“ 2006 gründete er in den Emiraten Masdar, den Staatskonzern für erneuerbare Energien. Als Chef von ADNOC erklärte er 2016, den Öl- und Gasriesen in die Klimaneutralität führen zu wollen.

Auch COP28-Generaldirektor Madschid al-Suwaidi wies die Vorbehalte gegenüber seinem Land zurück. „Die Emirate sind ein führendes Land in Sachen Klimawandel, wir haben unseren Teil der Arbeit getan“, erklärte er im September. Der frühere COP-Präsident Laurent Fabius attestierte Dschaber Arbeitseifer und genaue Sachkenntnis. „Er ist sehr direkt, er ist bereit zuzuhören“, sagte auch Harjeet Singh, COP-Veteran vom Climate Action Network.

Sultan Ahmed al-Dschaber spricht beim World Government Summit
AP/Kamran Jebreili
Dschaber spricht beim World Government Summit im Vorfeld der COP

Wohlstand und alternatives Einkommen sichern

Die Emirate weisen die Kritik zurück und betonen, zur Verfünffachung der Ökostromerzeugung in den vergangenen zehn Jahren beigetragen zu haben. Auch grünen Wasserstoff wolle man weiter ausbauen. Geht es nach den Ankündigungen von Scheich Mohammed bin Raschid Al Maktum, soll Dubai 2050 die Großstadt mit dem geringsten CO2-Fußabdruck sein. Man wolle Wohlstand sichern, gleichzeitig aber auch alternatives Einkommen erzielen, schreibt die „FAZ“.

Gegenüber dem US-Sender CNN verwies das COP28-Team auf die Klimaziele der Emirate. Man habe als Erstes im Nahen Osten das Pariser Klimaabkommen ratifiziert und die Ziele für die Emissionsreduzierung bis 2030 und 2050 festgelegt, zudem habe man die Klimaziele kürzlich erhöht und sich verpflichtet, bis 2050 netto null zu erreichen. Das zeige, dass die Emirate bereit seien, in Sachen Klimaschutz „Taten folgen zu lassen“.

Kritischer bewertete das freilich die Organisation Climate Action Tracker: Das neue Ziel sei zwar eine Verbesserung gegenüber dem für 2022 eingereichten Entwurf. Die geplante Ausweitung statt einer Reduzierung der Öl- und Gasproduktion würde aber wohl nicht dazu beitragen, die Ziele zu erreichen.

Bericht über großangelegte PR-Aktionen

Fest steht, dass sich die Emirate der schiefen Optik bewusst sind – und eifrig gegensteuern. So berichtet CNN von Akten des US-Justizministeriums, aus denen hervorgehe, dass die Regierung und staatliche Unternehmen einige der größten PR-Firmen der Welt beauftragt hätten, um das Klimaimage zu verbessern. Laut dem Centre for Climate Reporting und dem „Guardian“ bearbeiteten Mitglieder des COP28-Teams Wikipedia-Seiten über Dschaber und wollten etwa Verweise auf ein großes Ölgeschäft sowie kritische Medienberichte löschen.

Und der Desinformationsexperte Marc Owen Jones beobachtete eine „große Anzahl“ gefälschter Twitter-Konten, die die Umweltbilanz der Emirate anpriesen. Es lasse „die Alarmglocken schrillen, wenn man bedenkt, wie sehr diese Art von Einflussnahme zunehmen und immer ausgefeilter und komplexer werden wird, je näher der Zeitpunkt rückt“, sagte Jennie King, Leiterin der Klimaforschung und -politik am Institute for Strategic Dialogue (ISD), gegenüber CNN.

LNG-Gas in Katar
IMAGO/Laci Perenyi
Die Zukunft von fossilen und erneuerbaren Energieträgern wird wohl für Diskussionen bei der COP sorgen

Chance für mehr Verhandlungserfolg?

Durch die Präsidentschaft Dschabers hänge eine „dunkle Wolke“ über der COP28 in Dubai, sah US-Senator Sheldon Whitehouse den Verhandlungserfolg der Konferenz gefährdet (US-Präsident Joe Biden wird dem Gipfel übrigens fernbleiben). Bereits im vergangenen Jahr hatte er in einem offenen Brief mit US- und europäischen Kollegen einen Ausschluss der Lobbyisten der Öl- und Gasindustrie von der COP28 gefordert. Anlass waren damals Ankündigungen Dschabers, dass bei den Verhandlungen in Dubai auch die Interessen der fossilen Industrie „auf den Tisch“ kämen.

Manche sehen aber gerade in Dschabers Doppelrolle eine Chance für Erfolge. Sie könne womöglich dazu beitragen, dass er die fast 200 Teilnehmerstaaten mit ihren widersprüchlichen Interessen zu einer Einigung führt, sagte ein europäischer Verhandler gegenüber der AFP. Denn die Formulierung eines Beschlusstextes nach den zweiwöchigen Verhandlungen gestaltet sich in der Regel als schwierig, muss er doch konsensuell angenommen werden.

Handlungsdruck ist hoch

Der Handlungsdruck ist jedenfalls hoch. Das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, wird immer unrealistischer, warnte zuletzt die UNO. Die britische Sonntagszeitung „The Observer“ sieht in der COP28 „praktisch die letzte Chance für die Menschheit zu einer Kursänderung und für die Delegierten, sich darauf zu verständigen, wie unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen beendet werden soll“.

Dschaber will nach eigener Aussage dazu beitragen, das 1,5-Grad-Ziel „in Reichweite zu halten“. Er werde „mit allen zusammenarbeiten, einen Plan zu entwickeln, der erreichbar, umsetzbar, realistisch und pragmatisch ist und der echte Ergebnisse liefert“. Ob seine Präsidentschaft zu ähnlich bedeutsamen Zusagen wie 2015 bei der Verabschiedung des Pariser Klimaabkommens führt, wird sich ab dem 12. Dezember weisen.