Iranischer Präsident Ebrahim Raisi
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Gaza-Krieg

Iranischer Präsident auf Krisengipfel in Riad

Erstmals seit der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien ist der iranische Präsident Ibrahim Raisi am Samstag in das Königreich gereist. Anlass ist ein außerordentliches Gipfeltreffen arabischer und anderer islamischer Staaten zum Gaza-Krieg in Riad.

Ursprünglich war ein Treffen der 22 Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga geplant, doch wurde das Treffen zu einem Gipfel der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) erweitert, einem Zusammenschluss von 57 muslimisch geprägten Staaten, dem die Länder der Arabischen Liga angehören.

Wie das saudische Außenministerium am Freitagabend dazu mitteilte, sei das gemeinsame Treffen eine Reaktion auf die Umstände im Gazastreifen: Die Länder hätten die Notwendigkeit gesehen, ihre Anstrengungen zu bündeln und eine gemeinsame Position zu vertreten, erklärte das Ministerium. „Wir fordern einen sofortigen Waffenstillstand“, sagte der saudische Kronprinz und faktische Herrscher Mohammed bin Salman zum Auftakt des Sondergipfels. Israel müsse seine Militäreinsätze sofort einstellen.

Gruppenbild vor dem Gipfeltreffen in Riad
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Gruppenbild der nach Riad gereisten Staats- und Regierungschefs

Humanitäre Korridore nach Gaza müssten gesichert werden. Die einzige Lösung, um Stabilität in der Region zu erreichen, bestehe darin, die Besatzung, Besiedlung und Belagerung zu beenden, sagte der Kronprinz mit Blick auf das israelische Vorgehen. Gleichzeitig forderte er die Freilassung aller Geiseln und Unschuldigen.

„Schauplatz für Taten“

Raisi forderte vor seinem Abflug nach Riad am Samstag, dass die Bombardierung Gazas umgehend eingestellt und der Weg für humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung geöffnet werden müsse. „Was in Gaza derzeit passiert, ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ein Genozid“, sagte er laut Nachrichtenagentur Irna auf dem Flughafen in Teheran.

„Wir erwarten auf dem OIC-Gipfel von der islamischen Welt eine klare praktische Entscheidung und keine verbalen Versprechen.“ Es sei die Zeit zum Handeln gekommen, so Raisi: „Gaza ist kein Schauplatz für Worte, sondern für Taten.“ Auf dem Riad-Gipfel rief Raisi die muslimischen Länder auf, Öl- und Warensanktionen gegen Israel zu verhängen: „Es gibt keinen anderen Weg, als sich Israel zu widersetzen.“

Jahrelange Eiszeit

Das sunnitische Saudi-Arabien und der mehrheitlich schiitische Iran unterhielten in den vergangenen sieben Jahren keine diplomatischen Beziehungen. Während der diplomatischen Eiszeit trugen die beiden Staaten ihre Rivalität in diversen Konflikten in der Region aus – etwa in Syrien und im Jemen.

Der Iran hat seine uneingeschränkte Unterstützung für die im Gazastreifen herrschende islamistische Palästinenserorganisation Hamas mehrmals bekräftigt, eine direkte Verwicklung in den Konflikt jedoch bisher vehement bestritten. Die Unterstützung für die Hamas im Iran hält sich jedoch in Grenzen. Viele Iranerinnen und Iraner sind der Auffassung, dass Raisi und seine Regierung sich angesichts der katastrophalen Wirtschaftslage im Land mehr um das eigene Volk kümmern sollten.

Sofortiger Stopp von Angriffen gefordert

Nach Angaben der Arabischen Liga gehe es bei dem Treffen in Riad um die „israelische Aggression gegen Gaza“. Die 22 Außenminister der Arabischen Liga verurteilen „die israelische Besatzung und ihre Aggression gegen Gaza und fordern, dass das Land für seine Verbrechen gegen das palästinensische Volk zur Verantwortung gezogen wird.“

Die Außenminister hatten bei einem Treffen kurz nach Kriegsbeginn am 7. Oktober in Kairo bereits einen sofortigen Stopp der israelischen Angriffe auf Gaza gefordert. Sie warnten dabei vor „katastrophalen“ Folgen für die humanitäre Lage und Sicherheit in der Region durch eine Verschärfung des Konflikts. Saudi-Arabien hat derzeit den Vorsitz in der Organisation.

„Notwendigkeit, Krieg zu beenden“

Einen Tag vor dem Gipfeltreffen kritisierte der saudische Kronprinz Mohammed erstmals das Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen. Sein Land verurteile „die militärische Aggression im Gazastreifen, die gezielten Angriffe auf Zivilisten und die anhaltenden Verletzungen des humanitären Völkerrechts durch die israelischen Besatzungstruppen“, sagte er bei einem Treffen mit afrikanischen Staats- und Regierungschefs.

Es war die erste öffentliche Äußerung des Kronprinzen zum Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas seit dem beispiellosen Angriff der Palästinenserorganisation auf Israel am 7. Oktober. Saudi-Arabien unterstreiche die „Notwendigkeit, diesen Krieg und die Zwangsvertreibung zu beenden und die Bedingungen für die Rückkehr zur Stabilität und die Erreichung des Friedens zu schaffen“.

Vor Gaza-Krieg Zeichen der Entspannung

Israels militärisches Vorgehen im Gazastreifen ist eine Reaktion auf den Angriff der Hamas auf Israel vor mehr als einem Monat. Hamas-Kämpfer waren am 7. Oktober in Israel eingedrungen und hatten Gräueltaten an Hunderten Zivilisten verübt, darunter viele Frauen und Kinder. Nach jüngsten israelischen Angaben wurden mindestens 1.200 Menschen getötet und mehr als 240 weitere in den Gazastreifen verschleppt.

Daraufhin erklärte Israel der Hamas den Krieg und greift seitdem Ziele im Gazastreifen an. Mittlerweile drangen israelische Soldaten auch am Boden bis in die Stadt Gaza vor. Nach nicht unabhängig überprüfbaren Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums wurden bei den Angriffen im Gazastreifen bisher mehr als 11.000 Menschen getötet.

Vor dem Krieg hatte es erhebliche Fortschritte in Richtung einer Normalisierung zwischen Israel und Saudi-Arabien gegeben. Im September hatte Mohammed erklärt, diese rücke Tag für Tag näher. Die saudi-arabische Regierung hatte bereits mehrfach Angriffe auf Zivilisten kritisiert, der Kronprinz selbst hatte sich aber bisher nicht öffentlich zu dem Konflikt geäußert.

Abbas fordert internationalen Schutz

Der ebenfalls nach Riad gereiste Palästinenserpräsident Mahmud Abbas forderte angesichts der israelischen Angriffe internationalen Schutz für die palästinensische Bevölkerung. Ihr stehe ein „beispielloser völkermordender Krieg“ bevor, sagte Abbas auf dem Gipfeltreffen. Er forderte die USA auf, Druck auf Israel auszuüben, damit es seine Offensive im Gazastreifen stoppe.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach sich für eine internationale Friedenskonferenz aus, um eine dauerhafte Lösung für den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern zu finden. „Was wir im Gazastreifen brauchen, sind keine Pausen für ein paar Stunden, sondern wir brauchen einen dauerhaften Waffenstillstand“, sagt Erdogan in Riad.

Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi sagte zum Gipfelauftakt, alles, was auf „die Zwangsumsiedlung von Palästinensern“ zu Orten „außerhalb ihres Landes“ abziele, müsse gestoppt werden. Er forderte „die Schaffung eines unabhängigen palästinensischen Staates“ mit „den Grenzen von 1967“ und mit „Ostjerusalem als Hauptstadt“. Es müsse zudem ein „sofortiger und nachhaltiger Waffenstillstand“ im Gazastreifen eingeführt werden.

Katar: Um Freilassung von Geiseln bemüht

Katar bemüht sich nach den Worten seines Emirs, Scheich Tamim bin Hamad Al Thani, darum, bei einer Freilassung der von der Hamas aus Israel verschleppten Geiseln zu vermitteln. Er hoffe, dass im Gazastreifen bald eine humanitäre Waffenruhe erreicht werde, sagte Scheich Tamim.

Die internationale Gemeinschaft habe es versäumt, ihrer rechtlichen und ethischen Verantwortung nachzukommen. Das katarische Staatsoberhaupt rief die Teilnehmer des Gipfels schließlich dazu auf, die „anhaltende Kriminalität“ in Gaza trotz bestehender Unstimmigkeiten bei dem einen oder anderen Thema gemeinsam zu verurteilen.

Syrischer Präsident Bashar al-Assad und Prinz Mohammed bin Abdulrahman bin Abdulaziz
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Syriens Machthaber Baschar al-Assad beim Vizegouverneur von Riad, Prinz Mohammed bin Abdulrahman bin Abdulasis

Auch Assad in Riad

Auf der Liste der in Riad anwesenden Staats- und Regierungschefs ist auch Syriens Machthaber Baschar al-Assad. Nach rund einem Jahrzehnt der Isolation hatte Assad schon im März erstmals wieder an einem Gipfel der Arabischen Liga teilgenommen.

Assad rief zum Handeln auf. „Wenn wir nicht über echte Druckmittel verfügen, sind all unsere Schritte und Reden bedeutungslos“, sagte Assad. Er rief zur arabischen Einheit auf, um dem entgegenzuwirken, was er als „zionistische Grausamkeit und Massaker“ bezeichnete.

Der Staatenbund hatte Syriens Mitgliedschaft 2011 ausgesetzt, nachdem Assads Regierung Proteste im Land brutal niedergeschlagen hatte. Daraus entwickelte sich ein Bürgerkrieg mit internationaler Beteiligung, der bis heute andauert.

Hisbollah: Islamische Welt soll Gaza mehr unterstützen

Vom Libanon aus forderte Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah vom Gipfel mehr Unterstützung für die Menschen im Gazastreifen. „Können nicht 57 arabische und muslimische Länder den Grenzübergang Rafah öffnen?“, sagte Nasrallah bei einer Rede am Samstag in der libanesischen Hauptstadt Beirut unter Hinweis auf den Grenzübergang zwischen dem Gazastreifen und Ägypten. Die Palästinenser hofften auf mehr Hilfslieferungen und den Transport von Verwundeten.

Er forderte die Staaten auch dazu auf, Druck auf die USA zu machen. „Diejenige, die diesen Kampf verwaltet, entscheidet und führt, ist die amerikanische Regierung“, sagte Nasrallah. Die Palästinenser fragten nicht nach einer Entsendung internationaler Armeen. „Sie wollen nur, dass die arabische und islamische Welt vereint zusammensteht, den Amerikanern ins Gesicht schreien und ein Ende dieser Aggression fordern.“