Gruppenbild am erweiterten OIC-Gipfel
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Krisenkonferenz in Riad

Attacken auf Israel, Ruf nach Friedensgipfel

Angesichts der Gewalt im Gazastreifen haben arabische und weitere islamische Staaten am Samstag eine internationale Friedenskonferenz gefordert. In der Abschlusserklärung des Sondergipfels im saudi-arabischen Riad hieß es, die Konferenz müsse so schnell wie möglich einen Friedensprozess „auf der Grundlage des Völkerrechts und internationaler Beschlüsse“ in Gang bringen. Zugleich wurde ein sofortiger Stopp der „israelischen Aggressionen“ verlangt, der iranische Präsident Ebrahim Raisi bekundete seine Unterstützung für die Terrororganisation Hamas.

Ein derartiger Sondergipfel ist eine Seltenheit. Ursprünglich war in Riad am Samstag eine Dringlichkeitssitzung der 22 Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga geplant und am Sonntag ein Treffen der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC). Nach Konsultationen zwischen dem Königreich Saudi-Arabien und der OIC wurde beschlossen, stattdessen einen gemeinsamen Sondergipfel abzuhalten. Der OIC gehören 57 muslimisch geprägte Staaten an.

Gefordert wurden internationale Ermittlungen zu „Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, die Israel begangen habe. Alle Länder sollten zudem den Export von Waffen und Munition an die „Besatzungsbehörden“ – damit ist Israel gemeint – einstellen. Es wurde eine „Doppelmoral bei der Anwendung des Völkerrechts“ angeprangert. Gleichzeitig wurde in der Erklärung die Notwendigkeit betont, „alle Gefangenen, Inhaftierten und Zivilisten“ freizulassen, ohne genauer auszuführen, welche Personen konkret gemeint sind.

Der erweiterte OIC-Gipfel
APA/AFP/Saudi Press Agency
In scharfen Worten kritisierten die Vertreter der arabischen und islamischen Staaten die Reaktion Israels auf den beispiellosen Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober

Zweistaatenlösung gefordert

Ein „gerechter, dauerhafter und umfassender Frieden“ sei der einzige Weg, um Stabilität und Sicherheit für die gesamte Region zu gewährleisten, hieß es in der Erklärung weiter. Regionaler Frieden könne nur erreicht werden, wenn die „palästinensische Frage“ bei der Lösungssuche Beachtung fände – und nicht, wenn die Rechte des palästinensischen Volkes ignoriert würden. Die Zweistaatenlösung müsse umgesetzt werden. Jeder Versuch einer „Zwangsumsiedlung“ von Palästinensern aus dem Gazastreifen, dem Westjordanland oder Jerusalem werde abgelehnt.

Spitzenvertreter der versammelten Staaten hatten beim Gipfel unterschiedliche Akzente gesetzt. So sagte der Emir von Katar, Scheich Tamim bin Hamad al-Thani, sein Land bemühe sich um eine Freilassung der von der Hamas verschleppten Geiseln. Er hoffe, dass im Gazastreifen bald eine humanitäre Waffenruhe erreicht werde. „Die internationale Gemeinschaft hat es versäumt, ihrer rechtlichen und ethischen Verantwortung nachzukommen.“

Während sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan für eine internationale Friedenskonferenz aussprach, um eine dauerhafte Lösung des Konflikts zu erreichen, rief Raisi die muslimischen Länder auf, Öl- und Warensanktionen gegen Israel zu verhängen. „Es gibt keinen anderen Weg, als sich Israel zu widersetzen“, sagte Raisi. Die radikalislamische Hamas lobte er für ihren Krieg gegen Israel. „Wir küssen der Hamas die Hände für ihren Widerstand gegen Israel.“

Syrien fordert Stopp von Beziehungen mit Israel

Der syrische Machthaber Baschar al-Assad forderte bei dem Gipfel den Stopp jeglichen politischen Prozesses mit Israel angesichts der Gewalt im Gazastreifen. In seiner Rede bezog er sich auf die Aufnahme von Beziehungen zwischen Israel einerseits und den Golf-Staaten Bahrain und Vereinigte Arabische Emirate (VAE) andererseits im Jahr 2020. Den von den USA vermittelten Abkommen hatte Saudi-Arabien, der Gastgeber des aktuellen Gipfeltreffens, seinerzeit zugestimmt. Normalisierungsgespräche zwischen Israel und Saudi-Arabien befanden sich Berichten zufolge in fortgeschrittenem Stadium, als die Hamas ihre Terrorattacke verübte.

Die VAE wollen Regierungskreisen zufolge ihre diplomatischen Beziehungen zu Israel aufrechterhalten und hoffen, in dem Konflikt mäßigend wirken zu können.

Israel wehrt sich gegen Kritik

Israel wies die Kritik aus Syrien und dem Iran scharf zurück. Der syrische Präsident Assad habe selbst „Hunderttausende geschlachtet, Kinder, Frauen und alte Leute seines eigenen Volkes“, schrieb der israelische Energieminister Israel Katz am Samstag auf Twitter (X). Raisi „schlachtet jeden Iraner ab, der es wagt, gegen ihn zu protestieren, oder jede Iranerin, die seiner Ansicht nach nicht züchtig genug ist“.

Katz warf den Teilnehmern der Konferenz in Riad zudem vor, für sie seien die Palästinenser nur „Kanonenfutter“ im Kampf gegen Israel. Gleichzeitig beteten viele Teilnehmer insgeheim, „dass Israel den radikalen islamistischen Terror ausschaltet, der auch sie bedroht.“ Israel werde weiterkämpfen, bis die Hamas besiegt und die Geiseln befreit seien, schrieb Katz.

Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas forderte angesichts der israelischen Angriffe internationalen Schutz für die Bevölkerung. Ihr stehe ein „beispielloser, völkermordender Krieg“ bevor. Er forderte die USA auf, Druck auf Israel auszuüben, damit es seine Offensive im Gazastreifen stoppe.

ORF-Analyse zur Lage im Gazastreifen

Karim El-Gawhary und Tim Cupal (beide ORF) berichten aus Kairo und Tel Aviv. Sie sprechen unter anderem über die Konferenz in Saudi-Arabien, den zunehmenden Druck auf Israel, eine Waffenruhe einzulegen, und eine mögliche Freilassung der Geiseln.

Ägypten sorgt sich vor Massenflucht

Das an den Gazastreifen angrenzende Ägypten bekräftigte seinen Widerstand gegen eine Vertreibung der Palästinenserinnen und Palästinenser. Präsident Abdel Fattah al-Sisi sagte in Riad, alles, was auf „die Zwangsumsiedlung von Palästinensern“ zu Orten „außerhalb ihres Landes“ abziele, müsse gestoppt werden. Er forderte die „die Schaffung eines unabhängigen palästinensischen Staates“, mit „den Grenzen von 1967“ und mit „Ostjerusalem als Hauptstadt“. Aus Sorge vor einer Massenflucht lehnen Ägypten und auch Jordanien die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Gazastreifen ab. Das hat auch mit der Befürchtung zu tun, dass daraus am Ende eine dauerhafte Vertreibung werden könnte.

Der Chef der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah, Hassan Nasrallah, äußerte sich vor diesem Hintergrund kritisch gegenüber den in Riad versammelten Staatenlenkern. „Können nicht 57 arabische und muslimische Länder den Grenzübergang Rafah öffnen?“, sagte er unter Hinweis auf den Grenzübergang zwischen dem Gazastreifen und Ägypten. Die Palästinenser hofften auf mehr Hilfslieferungen und den Transport von Verwundeten. Zudem solle der Gipfel mehr Druck auf die USA machen. Die Palästinenser fragten nicht nach einer Entsendung internationaler Armeen. „Sie wollen nur, dass die arabische und islamische Welt vereint zusammensteht, den Amerikanern ins Gesicht schreien und ein Ende dieser Aggression fordern.“

Gruppenbild vor dem Gipfeltreffen in Riad
Reuters/WANA
Gruppenbild der nach Riad gereisten Staats- und Regierungschefs

Iran und Saudi-Arabien setzen Annäherung fort

Am Rande des Gipfels setzten der Iran und Saudi-Arabien ihre diplomatische Annäherung fort. Erstmals seit der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen kamen Raisi und der saudi-arabische Kronprinz Mohammed bin Salman persönlich zusammen. Die offizielle saudi-arabische Nachrichtenagentur SPA veröffentlichte am Samstag in Twitter ein Foto, das die beiden politischen Führer Seite an Seite in Riad zeigt. Die beiden rivalisierenden Regionalmächte Iran und Saudi-Arabien hatten sich erst im März durch die Vermittlung Chinas wieder angenähert. Im September entsandten sie Botschafter in das jeweils andere Land. Zuvor herrschte zwischen den beiden Ländern eine siebenjährige diplomatische Eiszeit.