der deutsche Journalist Hubert Seipel
IMAGO/SNA/Pavel Bednyakov
Via Briefkastenfirmen

Deutscher Journalist im Sold Russlands

Hubert Seipel ist laut eigenen Angaben „der einzige westliche Journalist, der direkten Kontakt zu Putin“ habe, „knapp 100-mal“ will er ihn getroffen haben. Recherchen eines internationalen Konsortiums aus Investigativjournalisten unter Führung des Netzwerks ICIJ, an denen in Österreich der ORF und „Der Standard“ beteiligt waren, zeigen, dass Seipel vom russischen Oligarchen Alexej Mordaschow viel Geld erhalten hat, um Bücher über Russlands Präsidenten Wladimir Putin zu schreiben. Ein Vertrag über Briefkastenfirmen lautet auf 600.000 Euro.

„Ich, Putin“ war der Name der aufsehenerregenden Dokumentation, die Seipel für die ARD 2012 gestaltet hatte: der russische Präsident beim Schwimmen, beim Campen und in vielen Interviews – der Film kommt einem der mächtigsten Männer der Welt näher als kaum einer zuvor.

Für Seipel ist der Film der Auftakt einer längeren, sehr intensiven Beschäftigung mit Putin. Wegen des Films erhielt er beim deutschen Verlag Hoffmann und Campe Verträge für zwei Bücher über den russischen Präsidenten. Dazwischen interviewte er Putin erneut für die ARD. Immer wieder gibt es Kritik an Seipel: Die Interviews, Bücher und Filme seien unkritisch und einseitig, Putins Positionen würden nicht hinterfragt.

Deutscher Journalist im Sold Russlands

Hubert Seipel ist laut eigenen Angaben „der einzige westliche Journalist, der direkten Kontakt zu Putin“ habe, „knapp 100-mal“ will er ihn getroffen haben. Recherchen eines internationalen Konsortiums aus Investigativjournalisten unter Führung des Netzwerks ICIJ, an denen in Österreich der ORF und „Der Standard“ beteiligt waren, zeigen, dass Seipel vom russischen Oligarchen Alexej Mordaschow viel Geld erhalten hat, um Bücher über Russlands Präsidenten Wladimir Putin zu schreiben. Ein Vertrag über Briefkastenfirmen lautet auf 600.000 Euro.

Bücher lösten Kritik aus

„Putin. Innenansichten der Macht“ und „Putins Macht. Warum Europa Russland braucht“ heißen die beiden Bücher, die Seipel über Putin verfasst hat. Darin teilt Seipel vor allem gegen den Westen aus, Kritik an Russland findet man kaum. Schon damals gab es in der deutschen Öffentlichkeit Kritik an Seipels Nähe zu Putin. Die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb in einer Rezension: „Das Verletzen journalistischer Mindeststandards und das Messen mit zweierlei Maß zieht sich durch das ganze Buch“, die „FAZ“: „Der Kreml feiert Hubert Seipel.“

Vertrag über Briefkastenfirma

Nun zeigen bisher geheime Verträge, dass nicht nur sein Verlag die Bücher finanziert hat, auch vom Oligarchen Mordaschow bekam Seipel Geld. Im März 2018 unterzeichnete der Journalist einen Vertrag mit der De Vere Worldwide Corp, einer Briefkastenfirma auf den British Virgin Islands.

Wirtschaftlicher Eigentümer der Firma ist Igor Woskresensky, ein enger Vertrauter Mordaschows, des Vorstandsvorsitzenden des Stahlgiganten Sewerstal. Die EU setzte ihn wegen seiner engen Verbindungen zu den Machthabern im Kreml 2022 auf die Sanktionsliste. Er soll zu den reichsten Staatsbürgern Russlands zählen. Der Vertrag datiert auf den 16. März 2018 und trägt Seipels Unterschrift.

der russische Oligarch Alexey Mordashov
IMAGO/SNA/Kristina Kormilitsyna
Mordaschow hielt bis März 2022 34 Prozent der Anteile am Reisekonzern TUI. Kurz vor Verhängung der Sanktionen übertrug er die Anteile an seine Ehefrau.

Nicht der erste Vertrag

Handschriftlich ist in den Dokumenten festgehalten, weshalb der Vertrag geschlossen wird: „For writing book on political environment in the Russian Federation“. Ein russischer Oligarch finanziert also das Buch eines deutschen Journalisten über die politische Landschaft Russlands, nach der Annexion der Krim.

Teil eines Dokuments
ICIJ
Handschriftliche Notizen in den Dokumenten zum Vertrag von Seipel mit einer Briefkastenfirma

Auch, dass dieser Vertrag nicht der erste ist, wird deutlich. So wird vermerkt, dass es einen „ähnlichen“ Vertrag bereits im August 2013 gab, abgeschlossen mit der Cavern Ventures Limited, einer weiteren Briefkastenfirma, die sich ebenfalls zu Mordaschow zurückverfolgen lässt. Das Thema damals: „Putin biography“. Beide Bücher wurden danach von Seipel mit diesen Inhalten verfasst.

Seipel bestreitet Geldfluss nicht

Seipel bestreitet auf Anfrage in einer langen Antwort nicht, dass er Geld von Mordaschow erhalten hat. „Ich habe gut acht Jahre an den Büchern gearbeitet. Eine Zeitspanne, die nicht unbedingt durchgehend von Verlagen kalkuliert wird. Während der Zeit war ich Dutzende Male in Russland, habe intensiv in Washington, bei der UNO und natürlich auch ziemlich oft in Berlin recherchiert, von Treffen bei den Minsk-Verhandlungen ganz zu schweigen“, sagte er und verwies auf eine Stelle im Vertrag: „Der Autor hat gegenüber dem Sponsor keine Verpflichtung in Bezug auf das Projekt (sei es in Bezug auf den Inhalt oder die Zusammensetzung des Buches oder anderweitig) oder dessen Fertigstellung.“

Globaler Rechercheverbund

68 Medien aus 55 Ländern haben mit dem Internationalen Netzwerk investigativer Journalisten (ICIJ) recherchiert, darunter sind unter anderem „Der Spiegel“, ZDF, die BBC, der „Guardian“ und „Le Monde“.

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ORF

Verlag stoppt Verkauf

Der Hamburger Verlag Hoffmann und Campe stoppte als Reaktion auf die Berichte den Verkauf von Seipels Büchern über Putin. „Der Hoffmann und Campe Verlag hat sich aufgrund des vom ‚Spiegel‘ und des ZDF veröffentlichten Berichts zu Hubert Seipel entschlossen, dessen Bücher nicht mehr zum Verkauf anzubieten“, hieß es am Dienstag gegenüber der dpa. Der Verlag habe keine Kenntnis von dem geschilderten Sachverhalt gehabt.

Der deutsche NDR, der die Putin-Dokumentation beauftragt hatte, sperrte nach der Anfrage der recherchierenden Medien alle Produktionen Seipels und will nun auch den Sachverhalt prüfen und sorgfältig aufklären.