Hafen von Limassol (Zypern)
Getty Images/Mpalis
Neues Datenleak

Zypern als Oligarchenparadies

Zypern gilt schon lange als Einfallstor für russische und ukrainische Superreiche in die EU – und als Paradies für die Betreiber von Briefkastenfirmen. Ein neues Datenleak zeigt das Ausmaß der über die Insel verschobenen Gelder und wie Oligarchen ihren Reichtum durch dubiose Netzwerke schützen. In den vom Recherchenetzwerk International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) aufgearbeiteten Dokumenten sind nicht weniger als 96 russische Geschäftsleute zu finden, die auf internationalen Sanktionslisten stehen.

Die 3,6 Millionen Dokumente aus der Recherche mit dem Titel „Cyprus Confidential“ stammen von sechs in Zypern ansässigen Finanzdienstleistern sowie aus einem Unternehmen aus Lettland, das Dienstleistungen zur Unternehmensgründung in Zypern anbietet.

Datiert sind die meisten zwischen 2014 und 2022, einige Dokumente stammen aus den 1990er Jahren. Die Daten wurden unter Federführung des ICIJ gemeinsam mit dem Investigativ-Start-up Paper Trail Media von mehr als 270 Journalistinnen und Journalisten aus 55 Ländern ausgewertet. Für Österreich sind der ORF und „Der Standard“ beteiligt.

Zypern als Oligarchenparadies

Zypern gilt schon lange als Einfallstor für russische und ukrainische Superreiche in die EU und als Paradies für die Betreiber von Briefkastenfirmen. Ein neues Datenleak zeigt das Ausmaß der über die Insel verschobenen Gelder und wie Oligarchen ihren Reichtum durch dubiose Netzwerke schützen.

96 Personen auf Sanktionslisten

In den Files finden sich 25 Personen aus Russland, die nach der russischen Annexion der Krim 2014 vom Westen mit Sanktionen belegt wurden, sowie 71, die seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 aufgrund ihrer Nähe zum Kreml und zu Präsident Wladimir Putin auf Sanktionslisten gesetzt wurden. Ihnen werden mehrere hundert Firmen und Trusts zugeordnet, die ihnen gehören oder die sie kontrollieren – der Großteil der Unternehmen ist auf Zypern registriert.

67 dieser insgesamt 96 sanktionierten Russen in den Leaks gelten als Oligarchen – und die meisten von ihnen finden sich auf der aktuellen Liste der weltweiten Milliardäre, die vom Magazin „Forbes“ erstellt wird.

Montage aus den Logos der Finanzdienstleister Cypco Direct, DJC, MeritKapital, Meritservus und Connected Sky
ORF (Montage)
Fünf der sechs zypriotischen Finanzdienstleister, aus deren Bestand die Dokumente stammen

Vermögen vor Sanktionen verschoben

Die Dokumente offenbaren Geldflüsse von russischen Geschäftsleuten und ihren Konzernen über Briefkastenfirmen für den Erwerb von Immobilien, Privatkonzerte von Superstars, geleaste Jachten und den Kauf von Kunstwerken im Gesamtwert von über einer Milliarde Dollar. Die Daten zeigen auch, wie Oligarchen nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine Hunderte Millionen ihres Vermögens verschoben, um kurz vor einer Sanktionierung ihr Geld in Sicherheit zu bringen.

Die Files dokumentieren nicht zwingend strafbare Handlungen, wohl aber die Bemühungen, Gelder dank der laxen Gesetzgebung und unternehmensfreundlichen Besteuerung Zyperns steuerschonend und einfach zu tarnen und zu verschieben.

Viel Geld für schmeichelhafte Putin-Bücher

In den Dokumenten finden sich auch viele Österreich-Bezüge, die in den nächsten Tagen im ORF veröffentlicht werden. Es geht um Immobilien in Österreich, heimische Banken und auch Geschäftsleute wie den Investor Siegfried Wolf und den Unternehmer Martin Schlaff. Sie alle wollen sich auf Anfrage dazu nicht äußern.

Die Spur des Geldes führt auch zum prominenten deutschen Journalisten Hubert Seipel, der als Russland-Kenner zwei schmeichelhafte Bücher über Putin geschrieben hat – und dafür von einem Oligarchen aus dem Putin-Umfeld 600.000 Euro bekam.

Finanzindustrie für russisches Vermögen

Zyperns Naheverhältnis zu Russland reicht schon Jahrzehnte bis in Sowjetzeiten zurück. Die freundschaftliche Beziehung resultierte auch darin, dass Russinnen und Russen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ohne Visa nach Zypern reisen konnten. Mit den Geldflüssen aus Russland entstand auf Zypern eine ganze Industrie von Anwälten, Banken, Wirtschaftsprüfungsfirmen, Steuerberatern und Investmentmanagern.

Mit dem EU-Beitritt 2004 wurde Zypern für Russen noch attraktiver: Es gewährte Zugang zum Europäischen Wirtschaftsraum – und das auch auf individueller Ebene: Ab 2007 entstand das System der „Goldenen Visa“: Geschäftsleuten mit genügend Geld wurde der zypriotische Pass – und damit ein EU-Pass – überreicht.

EU-Rettungspaket für wackelnde Banken

2010 wurde geschätzt, dass zypriotische Banken auf einem Geldberg saßen, der vier- bis fünfmal so hoch war die das Bruttoinlandsprodukt. Mindestens ein Drittel der Gelder wurde Russland zugeordnet. Dennoch geriet der Bankensektor im Zuge der Finanzkrise in bedrohliche Schieflage, und man bat die EU wie schon andere Länder zuvor um Hilfe. Die EU sprang tatsächlich mit einem Rettungspaket ein. Der Druck auf die zypriotische Regierung, vehementer gegen Geldwäsche vorzugehen, stieg zwar, verändert wurde aber wenig.

Oligarchen von Kunden zu Vorständen

Um die Kosten für die Regierung bei der Sanierung der Bank of Cyprus zu senken, wurden große Einlagen in Aktien umgewandelt. Die Folge: Große russische Kunden wurden zu einigen der größten Aktionäre der größten Bank Zyperns. Notenbankchef Panikos Demetriades schrieb später in seinen Memoiren, Präsident Nikos Anastasiadis habe ihn quasi gezwungen, dass einige der neuen russischen Eigner auch in den Vorstand der Bank aufgenommen werden, darunter die Oligarchen und Putin-Vertrauten Wladimir Strzhalkowsky und Wiktor Wekselberg.

„Heute können wir darüber lachen, aber es sollte ein ernsthafter Versuch sein, die Russen aus der Bank zu bekommen“, so Demetriades. „Und am Ende haben sie ihnen die Bank gegeben.“ Anastasiadis, vor seiner Politkarriere selbst Chef eines Finanzdienstunternehmens, war bis heuer im Februar Präsident Zyperns.

Globaler Rechercheverbund

68 Medien aus 55 Ländern haben mit dem ICIJ recherchiert, darunter sind unter anderem „Der Spiegel“, ZDF, die BBC, der „Guardian“ und „Le Monde“.

Logo von Cyprus Confidential
ORF

Daran konnten auch die Pandora Papers vor zwei Jahren nichts ändern, die zeigten, dass er Eigentümer von vier Briefkastenfirmen auf den Britischen Jungferninseln war, die das Vermögen eines russischen Oligarchen managten. Auf Frage des ICIJ nach den damaligen Vorgängen meinte Anastasiadis, dass die „böswilligen“ Behauptungen nicht mit der Realität übereinstimmen würden.

Regierung verspricht Umsetzung von Sanktionen

Auch die ersten Sanktionen gegen Russen nach der Annexion der Krim veränderten wenig in Zypern. Laut dem Center for The Study of Democracy in Sofia hatten Russen bis 2020 mehr als 200 Milliarden Dollar in Zypern „investiert“, das entspricht der Hälfte der russischen Investitionen in Europa. Und zumindest auf dem Papier war die Insel mit ihren 1,3 Millionen Einwohnern einer der größten Investoren der Welt in Russland. Für Zypern ist das russische Geld also ein enormer Wirtschaftsfaktor.

Die neuen Enthüllungen könnten nun aber für Bewegung sorgen: Vor rund zwei Wochen konfrontierte ICIJ die zypriotische Regierung mit den Rechercheergebnissen. Präsident Nikos Christodoulidis berief daraufhin die Generalstaatsanwaltschaft und seine Minister zu einer Dringlichkeitssitzung ein. In einem schriftlichen Statement wurde daraufhin verlautbart, man wolle bei „Fragen der Verletzung von Gesetzen und der Umgehung von Sanktionen keine Toleranz“ mehr walten lassen. Auf mehreren Ebenen wurden Taten versprochen – mit vor allem einem Ziel: Der Ruf des „Landes als zuverlässiger Finanzplatz“ soll gewahrt werden.