Roman Abramovich
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Leaks zu Abramowitsch

Millionendeals von Fuschl bis Chelsea

Der Milliardär Roman Abramowitsch gilt als Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin und damit auch als Profiteur von dessen Regentschaft. Weltweit besitzt der Oligarch rund 70 Luxusimmobilien. Eine davon ist ein Anwesen am Fuschlsee. Ein neues Datenleak – die Dokumente wurden vom Recherchenetzwerk International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) aufgearbeitet – legt nun neue Details dazu offen. Auch Abramowitschs jahrelanges Wirken als Besitzer des FC Chelsea erscheint in neuem Licht.

Die 3,6 Mio. Dokumente aus der Recherche mit dem Titel „Cyprus Confidential“ stammen von sechs in Zypern ansässigen Finanzdienstleistern sowie aus einem Unternehmen aus Lettland, das Dienstleistungen zur Firmengründung in Zypern anbietet. Die Daten wurden unter Federführung des ICIJ gemeinsam mit dem Investigativ-Start-up Paper Trail Media von mehr als 270 Journalistinnen und Journalisten aus 55 Ländern ausgewertet. Für Österreich sind der ORF und „Der Standard“ beteiligt.

Zum Kauf des Fischerhauses – eigentlich ein Komplex von drei Gebäuden – in Fuschl lautete die bisher bekannte Version so: Eine britische Staatsbürgerin erwarb 2007 am Südufer des Salzburger Fuschlsees eine Liegenschaft mit über zwei Hektar Wald, knapp 6.600 Quadratmeter landwirtschaftlichem Grund und direktem Seezugang. Die Kosten beliefen sich auf 11,3 Mio. Euro.

Abramowitsch: Villa am Fuschlsee

Der Milliardär Roman Abramowitsch gilt als Vertrauter von Russlands Staatschef Wladimir Putin. Ein im Burgenland lebender Tiroler Koch half der Tochter des Oligarchen beim Erwerb einer Immobilie am Salzburger Fuschlsee, wie die „Cyprus Confidential“-Recherchen zeigen.

Britin ins Grundbuch eingetragen

Besagte Britin – ihres Zeichens Ehefrau des ehemaligen Direktors des Fußballclubs Chelsea – wurde Ende 2007 als Eigentümerin ins Grundbuch eingetragen. Eine Rolle spielte auch ein im Burgenland lebender Tiroler, der ursprünglich als Koch von Abramowitsch galt – er fungierte nach dem Kauf als Bevollmächtigter für Bau- und Renovierungsmaßnahmen.

Haus mit Seeblick
ORF
Ein Teil des Komplexes am Fuschlsee

Aus den vom ICIJ ausgewerteten Dokumenten leitet sich die Geschichte des Kaufs aber anders ab: Demzufolge hat nicht besagte Britin den Kauf der Villa am See finanziert, sondern die Gesellschaft Farleigh International Limited mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln. Diese Gesellschaft schloss mit der Britin 2007 einen Kreditvertrag, der bis 2015 mehrmals verlängert und 2017 aufgelöst wurde.

Geschenk an Abramowitschs Tochter

Aus einer Treuhandurkunde vom April 2017 geht zudem hervor, dass die Britin niemals die wirtschaftliche Eigentümerin der Liegenschaft war, sondern diese nur treuhändisch für die Farleigh International Limited – eine Briefkastenfirma – und deren wirtschaftlichen Eigentümer gehalten hat. Und spätestens hier schließt sich der Kreis zu Abramowitsch – denn dessen Eigentümer ist er selbst.

Abramowitschs Tochter Anna bekam die Liegenschaft 2017 schlussendlich von der Britin geschenkt und steht bis zum heutigen Tag im Grundbuch. Die Britin entstammt dem engeren Umfeld der Abramowitschs. Fazit: Es brauchte eine Offshore-Gesellschaft und eine Treuhänderin, damit sich die Familie Abramowitsch eine Villa in Österreich kaufen konnte.

Rund um Abramowitschs zentralen zypriotischen HF Trust entstand im Laufe der Jahre ein undurchschaubares Netz aus Briefkastenfirmen, die mit Konten bei Banken in den USA und Europa ausgestattet wurden, unter diesen Credit Suisse und Raiffeisen Bank International.

„Strohleute, um Verbindung zum Eigentümer zu kappen“

„Grundsätzlich werden Strohleute eingesetzt, um die Verbindung zum tatsächlichen Eigentümer zu kappen. Das können unterschiedliche Gründe sein: Kann sein, um illegale Gelder zu verschleiern, kann sein, dass man nicht möchte, dass die Behörden oder die Öffentlichkeit wissen, dass einem die Immobilie gehört, oder um Sanktionen zu umgehen“, sagte Geldwäscheexpertin Elena Scherschneva zu der Villacausa.

Abramowitschs Tochter steht jedenfalls auf keiner Sanktionsliste, und die Übertragung des Komplexes erfolgte bereits 2017, fünf Jahre bevor Roman Abramowitsch von der EU unter Sanktionen gestellt worden ist – dieser Schritt war im März 2022 erfolgt. Die in der EU vorhandenen Vermögenswerte Abramowitschs wurden mit diesem Schritt eingefroren, er durfte zudem nicht mehr in die EU einreisen.

Geheime Millionen für Chelseas Erfolg

Von den Sanktionen betroffen war auch Abramowitschs Funktion als Eigentümer des Londoner Fußballclubs Chelsea, den er Mitte 2022 an ein Konsortium um den US-Geschäftsmann Todd Boehly verkaufen musste. Davor hielt Abramowitsch lange das Zepter in der Hand – 2003 hatte er den Club übernommen, mit vielen Millionen konnte nationaler wie internationaler Erfolg erkauft werden.

Roman Abramovich, 2017
APA/AFP/Ben Stansall
Unter Abramowitsch wurde Chelsea zur großen Nummer im europäischen Fußball. Erfolge, die nun in neuem Licht erscheinen.

Die „Cyprus Confidential“-Unterlagen werfen allerdings einen Schatten auf all die Erfolge des Clubs. So wurden demzufolge mindestens 13 Jahre lang über Abramowitschs Briefkastenfirmen offenbar geheime Deals eingefädelt und millionenschwere Zahlungen getätigt. Kosten, die nicht alle in den offiziellen Bilanzen von Chelsea auftauchten und dem Verein auf dem Platz womöglich einen unerlaubten Vorteil verschafften.

Millionen für Spielerberater

Zutaten für den sportlichen Aufstieg gab es mehrere, ein Schlüssel waren auch die Starensembles auf dem Platz – hierbei sollen Transfers von versteckten Millionenzahlungen begleitet gewesen sein. In den Fokus der ICIJ-Recherchen rückte etwa der belgische Offensivmann Eden Hazard. Viele Clubs waren Anfang der 2010er Jahr an dem Ausnahmefußballer interessiert – aber letztlich setzte sich Abramowitschs Chelsea durch.

Das Zypern-Leak legt nun aber Zahlungsflüsse im Hintergrund offen. Aus Dokumenten geht hervor, dass wenige Monate nach dem Wechsel vom französischen Club Lille nach London ein geheimer Vertrag geschlossen wurde – zwischen einer Briefkastenfirma von Abramowitsch auf den britischen Jungferninseln und einer Firma aus den Vereinigten Arabischen Emiraten mit dem Namen Gulf Value. Besitzer von Gulf Value ist John Bico-Penaque, Berater von Eden Hazard.

Abramowitschs Leiston Holdings, jene Briefkastenfirma auf den Jungferninseln, stimmte demzufolge einer Zahlung von sieben Millionen Euro an Gulf Value, der Firma des Spielerberaters, zu. Als Gegenleistung wurden „Beratungsdienstleistungen (…) im Zusammenhang mit (…) Sportforschung und -beratung“ genannt. Es ist unklar, ob die Zahlung den Fußballbehörden, einschließlich des britischen Fußballverbands FA, gemeldet wurde.

Auch Trainertransfers werfen Fragen auf

Aus den Zypern-Leaks mit über drei Millionen Dokumenten geht ebenso hervor, dass zwischen 2005 und 2017 mindestens sieben Millionen Euro an Unternehmen gezahlt wurden, die mit Zoran und Vladica Lemic verbunden sind. Letzterer, ein wichtiger Berater Abramowitschs, war Berichten zufolge eine Schlüsselfigur bei Transfers von Stars wie Arjen Robben, Branislav Ivanovic, Nemanja Matic und dem Startrainer Carlo Ancelotti.

Globaler Rechercheverbund

68 Medien aus 55 Ländern haben mit dem ICIJ recherchiert, darunter sind unter anderem „Der Spiegel“, ZDF, die BBC, der „Guardian“ und „Le Monde“.

Logo von Cyprus Confidential
ORF

Auch die Zusammenarbeit mit Trainer Antonio Conte wirft Fragen auf. In einem geheimen Dokument beschloss eine Briefkastenfirma von Abramowitsch (Conibair Holdings), Anteile einer Firma zu kaufen, die dem italienischen Spielerberater Federico Pastorello gehört. Der war nach eigenen Angaben in die Verhandlungen zwischen Conte und Chelsea involviert. Unterschrieben wurde das Dokument an dem Tag, an dem die Einigung zwischen Conte und Chelsea verkündet wurde.

Starspieler Eto’o und Anschi Machatschkala

Und auch der Fall des bekannten Stürmers Samuel Eto’o ist bemerkenswert: So geht aus den ausgewerteten Dokumenten hervor, dass ein Unternehmen im Besitz Abramowitschs Zahlungen tätigte, die demzufolge dem Eigentümer jenes Clubs zugutekamen, der Eto’o und noch einen weiteren Spieler an Chelsea verkaufte.

Der russische Club Anschi Machatschkala war jener (mittlerweile nicht mehr existente) Club, dessen Geldgeber damals Suleiman Kerimow war – der Russe gilt als einer der reichsten Männer der Welt. Eto’o soll kurz vor einem Transfer zu Tottenham Hotspur gestanden sein, laut „Guardian“ hatte sich die Lage nach einem Telefonat Abramowitschs mit Kerimow aber geändert.

Abramowitschs Leiston Holdings hatte zugestimmt, zwei mit Kerimow verbundene Unternehmen für „Dienstleistungen in (…) Bezug auf Fußball, einschließlich Scouting und andere fußballbezogene Beratung“ zu bezahlen. Tobeo Services und Fernington Invest, beide mit Sitz auf den Jungferninseln, sollten jeweils zwölf Millionen Euro erhalten, wie aus Dokumenten vom Juni 2013 hervorgeht.

TV-Hinweis

Auch „Eco“ widmet sich am Donnerstag um 22.30 in ORF2 den dubiosen Geldflüssen aus Zypern und der Geschichte des Hotels Panhans auf dem Semmering – mehr dazu in tv.ORF.at.

Möglicher Verstoß gegen Financial Fairplay

Einige der Zahlungen haben möglicherweise gegen Finanzregeln verstoßen, darunter die Vorschriften der englischen Premier League und des Europäischen Fußballverbands (UEFA) zum Financial Fairplay (FFP). Das FFP wurde von der UEFA zu Beginn der Saison 2011/12 eingeführt – ähnliche Beschränkungen wurden zwei Jahre später von der Premier League übernommen.

Der britische Finanzexperte Kieran Maguire, er analysiert Zahlungsströme britischer Fußballclubs, sprach von möglichen schweren Folgen. „Wenn es Beweise dafür gibt, dass der Club Transaktionen Dritter genutzt hat, um die Rentabilitäts- und Nachhaltigkeitsregeln zu umgehen, wären die Sanktionen entweder finanzieller Art oder ein Punkteabzug“, sagte er dem „Guardian“. Vom FC Chelsea hieß es, man unterstütze die Aufsichtsbehörden bei der Aufarbeitung und werde das auch weiterhin tun.